Mao


Mao Tse-Tung: 

WARUM KANN DIE CHINESISCHE
ROTE MACHT BESTEHEN?

 


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Il. DIE URSACHEN FÜR DAS ENTSTEHEN UND DIE EXISTENZ DER ROTEN MACHT IN CHINA [6]

Daß innerhalb eines Landes ein kleines Gebiet oder mehrere kleine Gebiete der roten Macht, auf allen Seiten von dem weißen Regime umgeben, lange Zeit bestehen, ist bisher in keinem Land der Welt vorgekommen. Das Aufkommen einer solchen merkwürdigen Erscheinung hat seine eigentümlichen Ursachen. Und wenn diese Erscheinung besteht und sich entwickelt, so sind dafür auch entsprechende Bedingungen erforderlich. Erstens kann es sie weder in irgendeinem imperialistischen Staat geben noch in irgendeinem Kolonialland [7], das direkt unter imperialistischer Herrschaft steht. Nur in dem wirtschaftlich rückständigen, halbkolonialen China, das vom Imperialismus indirekt beherrscht wird, kann es sie geben. Denn eine derart seltsame Erscheinung muß von einer anderen seltsamen Erscheinung begleitet sein, nämlich von Kriegen innerhalb des weißen Machtbereichs. Eines der Merkmale des halbkolonialen China besteht darin, daß seit dem ersten Jahr der Republik (1912) die verschiedenen Cliquen der alten und neuen Militärmachthaber mit Unterstützung des Imperialismus sowie der einheimischen Kompradorenklasse und Feudalherrenklasse unausgesetzt gegeneinander Krieg führen. Eine solche Erscheinung kommt nicht nur in keinem einzigen imperialistischen Land vor, sondern auch in keiner direkt unter imperialistischer Herrschaft stehenden Kolonie; sie existiert lediglich in einem Land wie China, das unter der indirekten Herrschaft des Imperialismus steht. Für das Entstehen dieses Phänomens gibt es zwei Ursachen, nämlich eine lokal begrenzte Agrarwirtschaft (keine einheitliche kapitalistische Wirtschaft) und die Spaltungs- und Ausbeutungspolitik der Imperialisten, die China in Einflußsphären aufgeteilt haben. Die anhaltenden Zwistigkeiten und Kriege innerhalb des weißen Machtbereichs haben Voraussetzungen dafür geschaffen, daß ein oder mehrere kleine rote Gebiete unter der Führung der Kommunistischen Partei in einer völligen Einkreisung durch das weiße Regime entstehen und sich behaupten können. Das Gebiet der selbständigen Macht an der Grenze der Provinzen Hunan und Kiangsi ist eines dieser vielen kleinen Gebiete. Manche Genossen zweifeln oft in schwierigen und gefährlichen Augenblicken an der Möglichkeit des Fortbestehens einer solchen roten Macht und geben sich pessimistischen Stimmungen hin. Das kommt daher, daß sie
|070| nicht die richtige Erklärung für die Entstehung und Existenz dieser roten Macht gefunden haben. Sofern wir uns darüber klar sind, daß die Zwistigkeiten und Kriege innerhalb des weißen Machtbereichs in China unaufhörlich fortdauern werden, wird es an der Möglichkeit des Entstehens, des Fortbestehens und der täglichen Weiterentwicklung der roten Macht keinerlei Zweifel geben. Zweitens ist die rote Macht in China zuerst keineswegs dort entstanden und für längere Dauer lebensfähig, wo die demokratische Revolution keinen Einfluß gehabt hat, wie zum Beispiel in den Provinzen Szetschuan, Kueitschou, Yünnan und in den Provinzen des Nordens, sondern dort, wo sich im Laufe der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1926/27 die Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten in großer Zahl erhoben haben, wie beispielsweise in den Provinzen Hunan, Kuangtung, Hupeh und Kiangsi. In vielen Gegenden dieser Provinzen waren in breitem Maßstab Gewerkschaften und Bauernvereinigungen gegründet worden, und die Arbeiterklasse und die Bauernschaft hatten zahlreiche wirtschaftliche und politische Kämpfe gegen die Grundherrenklasse und gegen die Bourgeoisie geführt. So kam es zur Errichtung der städtischen Volksmacht in Kanton für die Dauer von drei Tagen, während in den Kreisen Haifeng und Lufeng, in Ost- und Südhunan, an der Grenze der Provinzen Hunan und Kiangsi sowie im Kreis Huang-an der Provinz Hupeh die selbständige Macht der Bauern entstand. [8] Was die heutige Rote Armee betrifft, so hat sie sich von der Nationalrevolutionären Armee abgespalten, die ihre politische Schulung im demokratischen Geist erhalten und unter dem Einfluß der Arbeiter- und Bauernmassen gestanden hatte. Aus jenen Truppen wie den Armeen Yän Hsi-schans und Dschang Dsuolins, die keinerlei politische Schulung im demokratischen Geist durchgemacht und niemals unter dem Einfluß der Arbeiter- und Bauernmassen gestanden haben, können zur Zeit gewiß nicht Elemente für die Bildung der Roten Armee hervorgehen. Drittens hängt ein langwährender Bestand der Volksmacht in kleinen Gebieten davon ab, ob sich die revolutionäre Situation im ganzen Land vorwärtsentwickelt. Entwickelt sich die revolutionäre Situation im ganzen Land vorwärts, dann können die kleinen roten Gebiete nicht nur zweifellos eine lange Zeit hindurch bestehen, sondern werden unvermeidlich eine der vielen Kräfte zur Eroberung der Staatsmacht im ganzen Land werden. Wenn aber die revolutionäre Situation sich nicht fortentwickelt, sondern während einer relativ langen Periode stagniert, wird es unmöglich, daß kleine rote Gebiete eine lange Zeit
|071| hindurch bestehen bleiben. Gegenwärtig entwickelt sich infolge der anhaltenden Zwistigkeiten und Kriege im Lager der Kompradorenklasse und Feudalherrenklasse im Land sowie im Lager der internationalen Bourgeoisie die revolutionäre Situation in China weiter vorwärts. Deshalb gibt es nicht nur keinen Zweifel über das langjährige Bestehen kleiner roter Gebiete, ja, diese werden sich sogar ausdehnen, wodurch der Tag der Machtergreifung im ganzen Land immer näher rückt. Viertens ist das Vorhandensein einer regulären Roten Armee von angemessener Stärke eine unerläßliche Voraussetzung für das Bestehen der roten Macht. Allein mit der örtlichen Roten Garde [9], jedoch ohne reguläre Rote Armee, kann man nur mit den Hofwehren der Grundherren fertig werden, nicht aber mit den regulären weißen Truppen. Deshalb ist es, selbst wenn sich die Arbeiter- und Bauernmassen vortrefflich halten, jedoch keine regulären Streitkräfte von entsprechender Stärke vorhanden sind, absolut unmöglich, eine selbständige Macht zu schaffen, geschweige denn eine solche, die von dauerhaftem Bestand ist und sich tagtäglich entwickelt. Daher ist die Idee von der "Schaffung der selbständigen Macht der Arbeiter und Bauern mit bewaffneten Kräften" eine wichtige Idee, die von der Kommunistischen Partei und den Massen der Arbeiter und Bauern in Gebieten der selbständigen Macht völlig erfaßt werden muß. Fünftens ist für das fortdauernde Bestehen und die Entwicklung der roten Macht außer den obenerwähnten Bedingungen noch eine wichtige Bedingung erforderlich, nämlich- Die Organisation der Kommunistischen Partei muß stark, ihre Politik darf nicht falsch sein.

Mao