Mao


Mao Tse-Tung: 

WARUM KANN DIE CHINESISCHE
ROTE MACHT BESTEHEN?
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I. DIE INNENPOLITISCHE LAGE

Das gegenwärtige Regime der neuen Militärmachthaber der Kuomintang bleibt immer noch das Regime der Kompradorenklasse in der Stadt und der Feudalherrenklasse im Dorf; nach außen hin hat es vor dem Imperialismus kapituliert, nach innen hin hat es die alten Militärmachthaber durch die neuen ersetzt und die wirtschaftliche Ausbeutung und politische Unterdrückung der Arbeiterklasse und der Bauernschaft noch mehr verschärft. Die Kompradorenklasse und die Feudalherrenklasse haben die Führung der bürgerlich-demokratischen Revolution, die von Kuangtung ausgegangen war, auf halbem Weg an sich gerissen und damit die Revolution sofort auf den Weg der Konterrevolution umgeleitet; die Arbeiter, die Bauern und alle anderen Schichten des einfachen Volkes und selbst die Bourgeoisie [1] leiden immer noch unter dem konterrevolutionären Regime und haben nicht im geringsten ihre politische und wirtschaftliche Befreiung erlangt.

Die vier Cliquen der neuen Militärmachthaber der Kuomintang - die Tschiangkaischek-Clique, die Kuangsi-Clique, die Cliquen Feng Yü-hsiangs und Yän Hsi-schans [2] - waren, ehe sie Peking und Tientsin eingenommen hatten, zeitweilig gegen Dschang Dsuo-Iin [3] verbündet. Nach der Einnahme der beiden Städte zerfiel dieses Bündnis sofort und wandelte sich zu einer erbitterten Fehde unter diesen vier Cliquen, und zwischen der Tschiangkaischek- und der
|068|Kuangsi-Clique braut sich jetzt sogar ein Krieg zusammen. Die Widersprüche und Kämpfe zwischen den verschiedenen Cliquen der Militärmachthaber in China widerspiegeln die Widersprüche und Kämpfe der verschiedenen imperialistischen Staaten untereinander. Solange China durch die Imperialisten der verschiedenen Länder in Einflußsphären aufgeteilt bleibt, können die Militärmachthaber unter keinen Umständen Kompromisse miteinander schließen, und jeder Kompromiß, der geschlossen wird, kann nur zeitweiligen Charakter tragen. Ein zeitweiliger Kompromiß von heute trägt schon den Keim eines noch größeren Krieges von morgen in sich.

China braucht dringend eine bürgerlich-dernokratische Revolution, und diese Revolution kann nur unter der Führung des Proletariats vollendet werden. Weil das Proletariat in der Revolution von 1926/27, die sich von Kuangtung aus zum Yangtse hin ausgebreitet hat, seine Hegemonie nicht entschlossen verwirklichte, konnten die Kompradorenklasse und die Feudalherrenklasse die Führung an sich reißen, und die Revolution wurde durch die Konterrevolution abgelöst. So erlitt die bürgerlich-demokratische Revolution eine zeitweilige Niederlage. Mit dieser Niederlage wurde dem Proletariat und der Bauernschaft Chinas ein schwerer Schlag zugefügt; auch die chinesische Bourgeoisie (nicht aber die Kompradorenklasse und die Feudalherrenklasse) erlitt einen Schlag. In den letzten Monaten jedoch haben sich im Süden und Norden Chinas unter Führung der Kommunistischen Partei die organisierten Streiks der Arbeiter in den Städten und die Aufstände der Bauern in den Dörfern entfaltet. Unter den Truppen der Militärmachthaber reift eine große Unruhe heran, weil die Soldaten Hunger und Kälte leiden müssen. Gleichzeitig entfaltet die Bourgeoisie, durch die Clique von Wang Djing-we und Tschen Gung-bo angeeifert, in den Küstengebieten und in den Flußgebieten des Yangtse eine Reformbewegung [4] von beträchtlichem Ausmaß. Die Entwicklung dieser Bewegung stellt ein neues Faktum dar.

Nach den Direktiven der Komintern und des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas besteht der Inhalt der chinesischen demokratischen Revolution im Sturz der Herrschaft des Imperialismus in China und seiner Werkzeuge, der Militärmachthaber, in der Vollendung der nationalen Revolution und in der Durchführung der Agrarrevolution, die die feudale Ausbeutung der Bauernschaft durch die Feudalherrenklasse liquidieren wird. In der Praxis hat sich diese revolutionäre Bewegung seit dem Massaker von Tsinan im Mai 1928 [5] von Tag zu Tag ausgebreitet.

Mao