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1997

Rubrik
1.Mai
1.Mai Debatte

Aus Interim 407

Wenn aus Spaß Ernst wird...

Aus schierem Entsetzen möchte ich ein, zwei Sätze loswerden zum Wort zum Donnerstag in der INTERIM vom 23.1. ("Kisten, Stalinisten und der 1.Mai"). Im Prinzip stimme ich den beiden Antwort-Beiträgen aus der INTERIM vom 30.1. zu: Bei aller (berechtigter) Kritik an der Antifaschistischen Aktion Berlin oder der RAI war dieser Beitrag dermaßen unter der Gürtellinie und damit jenseits eines politischen Niveaus, daß mir unverständlich ist, wie er überhaupt in die Zeitung kommen konnte. Auf folgende Fragen hätte ich wirklich gerne eine Antwort:

  • Wie könnt Ihr ernsthaft oder auch nur pseudo-glossenhaft Leute der AAB als Gulag-Aufseher bezeichnen (merkt Ihr überhaupt, was Ihr da sagt?)?
  • Wie kommt Ihr dazu, AAB-Leute zu bezichtigen, Demo-Teilnehmer zusammenzuschlagen? Anwürfe dieser Art müßt Ihr schon belegen - ich war nicht auf der LLL-Demo?!
  • Seid wann wird öffentlich diskutiert, ob und wieweit eine Gruppe militant agiert? Wann hat es das letzte Mal in Berlin einen schwarzen Block gegeben, dessen Bildung in der AAB vorwerft?
  • Wenn Euch der schwarze Block nicht gefällt und der rote nicht, was eigentlich dann?
  • Findet Ihr es lustig, KommunistInnen (derer es wahrlich andere und mehr gibt als in der AAB) zu unterstellen, sie würden Nicht-KommunistInnen erschießen?
  • Wer gibt Euch das Recht, die Politik der AAB als "konterrevolutionär" zu diffamieren? Seid Ihr die Oberaufseher der Revolution?

Dieser ganze Text strotzt nur so von Denunziation - daß es auch in der autonomen Szene reichlich durchgeknallte Leute gibt, ist mittlerweile bekannt. Was ich das eigentlich frappierende finde, ist allerdings, wieso die dann auch noch in der INTERIM veröffentlichen dürfen. Seit wann ist die INTERIM Podium für Texte, die auf einem derart dreckigem Niveau mit nicht näher ausgeführten, teilweise persönlichen Anwürfen arbeiten, deren einziges Ziel die Diffamierung ist? Den eigentlichen Skandal finde ich insofern nicht so sehr diesen Text, sondern eher die Frage, warum die INTERIM-Redaktion ihn veröffentlicht hat - und stattdessen Texte zu Chiapas oder Siemens in den Ordner hat wandern lassen. Könnten Ihr dazu ein, zwei kurze Sätze zur Erklärung schreiben? Gerade angesichts dessen; daß Ihr Euch beklagt, daß Euch immer weniger Leute in Berlin lesen, fände ich das wichtig.

Mir ist völlig unverständlich, wie es passieren kann, daß außer der AAB noch kein einziger Text von undogmatischen Autonomen geschrieben wurde, aber die erste und einzige Stellungnahme zum 1.Mai mit einem solchen Pamphlet beantwortet wird. Dadurch wird ganz en passant auch nötige und sinnvolle Kritik an der AAB-Politik vom Tisch gewischt - Vorwürfe dieser Art kann ein politisch-kritischer Mensch wohl kaum ernstnehmen. Wie wäre es stattdessen mal mit einer eigenen politischen Einschätzung zum 1.Mai? Schließlich rührt ein Gutteil des Erfolges der Antifaschistischen Aktion (der mich teilweise auch nervt) daher, daß sie überhaupt noch Politik macht - was man von vielen Autonomen nicht gerade behaupten kann.

Hans Dampfablasser