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1997

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1.Mai
1.Mai
Debatte

aus: Interim Nr.405

Das Wort zum Donnerstag - Heute

Kisten, Stalinisten und der l . Mai

"Drum schließen wir uns zusammen und verteidigen unsere rote Fahne am 1. Mai 1997 in Berlin..." Nachtigall, ick hör dir trapsen. Während in autonomen und linksradikalen Zusammenhängen der Versuch unternommen wird, Fehler der eigenen Politik zu reflektieren und Perspektiven für eine autonome, emanzipatorische Politik am Ausgang des 20. Jahrhunderts zu erarbeiten, strebt die Berliner Sektion der AA/BO (vormals autonome Antifa A&P) nach dem zur "LLL- Demo" hochstilisierten Gedenken an Rosa und Karl ihrem zweiten Highlight des Jahres 1997 und der weiteren Okkupation eines Datums entgegen: 10 Jahre revolutionärer l. Mai in Berlin! Unter der revolutionären Führung der bundesweiten Organisation (im folgenden: DIE Organisation) auf zur "Kiezdemonstration" durch belebte Straßen in Mitte und Prenzlauer Berg.

Dabei fällt DIE Organisation einmal mehr hinter vermeintlich verbindliche Grundsätzlichkeiten einer sich nicht von vornherein selbst karikierenden emanzipatorisch-linksradikalen Politik zurück. Wurde im vergangenen Jahr der Grundsatz "keine Einmischung in fremde Kieze" erfolgreich über Bord geworfen, so dürfen wir in diesem Jahr neben den bereits bekannten symbolischen jedoch handlungsunfähigen schwarzen Blocks, die Militanz nicht praktizieren, sondern als Mythos symbolisch inszenieren, besonders auf den ankündigten roten Block innerhalb der Demo gespannt sein.

Nachdem sich auf die "LLL-Demo" verirrte Genossen bereits im "revolutionärer/antifaschistischen" Block wegen des Entfernens eines frisch geklebten Stalin-Konterfeis von den Organisatoren aufs Maul bekamen (!) wird mensch bei ähnlich subversiven Handlungen dann im roten Block vermutlich auf der Stelle erschossen.

Der Antifaschistischen Aktion Berlin muß einmal mehr gesagt sein, daß sie der Weiterentwicklung einer emanzipatorisch-linksradikalen Politik nicht förderlich, sondern höchstgradig kontraproduktiv entgegenwirkt und zur weiteren Ghettoisierung und politischen Einflußlosigkeit dieser Ziele und Inhalte beiträgt. Ein Podium für, bzw. Bündnisse mit Gruppen, die sich auf Strömungen beziehen, die linke Politik höchstgradig diskreditiert und für die Erreichung ihrer politischen Ziele Millionen von Menschen eiskalt umgebracht haben, zeugen zumindest von einer erschreckenden Geschichtslosigkeit und nicht dem Traum einer befreiten Gesellschaft von morgen. Ihren XX. Parteitag sollte DIE Organisation sehr schnell anberaumen.

Selbst Marx und Lenin würden sich im Grabe umdrehen, angesichts eines solchen gemein-gefährlichen idealistischen "Pragmatismus".

Es stellt sich die Frage, wer und warum unter derart "konterrevolutionären" Vorzeichen eigentlich den Abklatsch des zehnten "revolutionären" 1. Mai in Berlin braucht. Eine folkloristische Vorführung mit den GULAG-Aufsehern von rnorgen zugunsten Kaffezeit am Kollwitzplatz, die mit konkreter emanzipatorischer Politik und daraus resultierenden praktischen Handlungsoptionen rein gar nichts zu tun hat, sondern allenfalls das Lifestyle-Image des Bezirks bestärken wird.

DIE Organisatoren dieses Projekts sollten sich fragen, ob es nicht ehrlicher wäre, sich am 1. Mai auf die Vorbereitung des Konzerts in Kreuzberg zu konzentrieren anstatt mit ihrer "Demo" in fremde Kieze einzufallen, bundesweit Genossen etwas von "kontinuierlichem Widerstand" vorzugaukeln und sie letztendlich für die eigene Beschränktheit zu verheizen. Für DIE Organsiation ist der 1. Mai ganz offensichtlich nur ein "Pop-Ereignis", zu dem möglichst viele Leute kommen und bei dem sie der DJ sein will. Aber dieser Tag ist es nun wahrlich nicht wert, vollends zu einer inhaltshohlen, verlogenen Sache gemacht zu werden.

Bleibt die Hoffnung, daß sich die GenossInnen, die ein wirkliches Interesse an einem politischen l. Mai in Berlin haben, nicht von vornherein ins Bockshorn jagen lassen. In diesem Sinne:

"Revolution hat immer was mit Gesellschaft zu tun"

F.R.O.S.C.H. UND Q.U.A.L.L.E.