Die
Entwicklung des EXTRA-Unternehmens seit 1966
März 1966:
Einer Gruppierung linker Publizisten und Politiker
Westberlins gelingt es, den Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein
davon zu überzeugen, daß Westberlin eine linke Publikation braucht.
Sie soll die starren, durch die Springer-Presse dieser Stadt
geprägten Meinungsstrukturen innerhalb der Bevölkerung auflockern
helfen.
August 1966: Mit Zustimmung des
Spiegel-Herausgebers stellt Stefan Reisner eine Redaktion für eine
Wochenzeitung zusammen, die den Titel "Heute" tragen soll. Der
Redaktion gehören u.a. an:
Walter Barthel,
Martin Buchholz,
Carl L.
Guggomos und
Hannes Schwenger - heute alle Mitglieder des
Redaktionskollektivs von EXTRA-Dienst.
31. Januar 1967: Der persönliche
Referent des Spiegel-Herausgebers Rudolf Augstein, Walter Busse,
teilt der "Heute"-Redaktion mit, daß der Spiegel aus verlagsinternen
Gründen das Projekt nicht weiter betreiben könne.
1. Februar 1967: Die vier oben
genannten Mitglieder der "Heute"-Redaktion beschließen, für
Westberlin eine Publikation auch ohne Rückhalt des Spiegel-Verlages
herauszugeben. Rudolf Augstein sagt eine gewisse Unterstützung zu.
11. Februar 1967: Die erste Nummer des
"Berliner EXTRA-Blattes" erscheint.
5. April 1967: In der Eile war
übersehen worden, daß das Unternehmen ein rechtliches Gerüst
braucht. Für die Redaktion bitten Walter Barthel und Carl Guggomos
drei Freunde um ihren formalen Beitritt als Gesellschafter einer
GmbH. So kommt es zur Gründung der später in "EXTRA-Dienst GmbH"
umbenannten "Westberliner Zeitungs GmbH". Ihre Gesellschafter sind
die Redaktionsmitglieder Walter Barthel und Carl L. Guggomos, der
spätere 1. Vorsitzende des RC Westberlin,
Dr. Klaus Meschkat, der
Leiter der IG Metall-Jugendschule
Lothar Pinkall und der
Rechtsanwalt
Horst Mahler. Die Stammeinlage soll 20.000 DM sein.
Unter den Gesellschaftern besteht Einverständnis, daß das Geld nicht
sofort aufgebracht werden kann. Weiterhin besteht Einverständnis,
daß die Gesellschafter keinerlei persönlichen Nutzen aus etwaigen
Gewinnen ziehen dürfen.
13. Mai 1967: Das "Berliner EXTRA-Blatt" muß nach 14 Nummern
sein Erscheinen einstellen. Das Blatt wurde an den Kiosken der
Springer-Stadt boykottiert. Ein Aufruf, das Blatt finanziell zu
stützen, brachte 12.181,20 DM ein. Dieser Betrag setzt sich aus
einer 10.000-DM-Spende von Rudolf Augstein und vielen kleinen
Beträgen von linken und liberalen Westberlinern zusammen, die
insgesamt aber nur 2.181,20 DM ausmachen - soviel wie Druck-,
Papier- und Klischeekosten einer einzigen EXTRA-Blatt-Ausgabe. Das
Experiment endet mit einem Schuldenberg von rund 23.000 DM, obwohl
die EXTRA-Blatt-Redaktion ohne Gehälter und Honorare arbeitete.
15. Mai 1967: Die EXTRA-Blatt-Redaktion beschließt,
weiterzumachen. Statt eines Boulevardblattes soll jetzt ein
Informationsdienst herausgebracht werden; der "Berliner
EXTRA-Dienst". Von den Gesellschaftern der Westberliner ZeitungsGmbH
(die später wegen eines Einspruchs der Industrie - und Handelskammer
in EXTRA-Dienst GmbH umbenannt wird, ist Geld nicht zu erwarten -
wer steckt schon Geld in ein Pleite-Unternehmen? Um den gesetzlichen
Vorschriften über eine Mindesteinlage in die GmbH Genüge zu tun,
entschließt sich der Gesellschafter Guggomos,
einen erheblichenTeil jenes Honorars, das er vom Spiegel wegen
seiner vorzeitigen Vertragsauflösung erhalten hat, als Anteile für
alle Gesellschafter einzuzahlen. Den Rest des Honorars - es belief
sich auf 20.000 DM - stellte er der GmbH zinslos und unbefristet zur
Verfügung. Es wird zur Abdeckung von Schulden
verwendet.
20. Mai 1967: Die erste Ausgabe des
"Berliner EXTRA-Dienstes" erscheint.
31. Dezember 1967: Die EXTRA-Dienst
GmbH hat gut gewirtschaftet. Der Umsatz betrug 132.964,51 DM. Dabei
entstand ein Verlust von DM 2.873,94 DM.
Obwohl EXTRA-Dienst bereits 2.500 Abonnenten hat, wäre der Verlust
weit höher gewesen: EXTRA-Dienst finanzierte sich jedoch durch den
Verkauf von Plaketten und Büchern. Sie wurden an die Organisationen
der Linken zu Minimalpreisen abgegeben, so daß EXTRA-Dienst also
auch Organisationen der Linken mitfinanzieren konnte. Einige haben
ihre Schulden allerdings bis heute nicht bezahlt: Uneintreibbare
Außenstände aus dem Jahre 1967 für EXTRA-Dienste, Bücher und
Plaketten; die linke Organisationen oder Einzelbezieher abgenommen,
konsumiert (und verkauft), aber beim EXTRA-Dienst nicht bezahlt
haben: 8.000 DM.
Quelle:
http://www.infopartisan.net/archive/1967/266742a.html
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