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1998

Rubrik
Soziale
Bewegungen
 


From: CO_GEGEN_BAYER@NADESHDA.gun.de  
Auszug aus STICHWORT BAYER, Ausgabe 2/98
Zeitschrift der Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.
Internationales Netzwerk seit 1983
Nachdruck gegen Beleg-Exemplar erlaubt
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Tel: 0211-333 911 Fax: 0211-333 940

20 Jahre Widerstand, Kritik, Gegenwehr
20 Jahre COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN


Vor 20 Jahren setzte das Wuppertaler BAYER-Werk große Mengen von
Salzsäure frei. Vögel fielen buchstäblich tot vom Himmel, die Bäume warfen ihre Blätter ab, und das Gift drang in die Wohnungen der Menschen ein.
Behördlicherseits hieß es, wie zumeist bei solchen "Störfällen": "Gefahr zu
keiner Zeit". Während seitens der Werksmanager in zynischer Weise
abgewiegelt wurde ("Wem es zu sehr stank, der hätte ja gehen können!"),
gründete sich vor Ort eine BürgerInneninitiative, die seither dem global
tätigen ASPIRIN-Hersteller nach Kräften rund um den Globus
Kopfschmerzen bereitet. Es folgt eine kurze Bilanz dieses 20jährigen
Engagements (von Axel Köhler-Schnura).

Wo immer Menschen auf dieser Erde Probleme mit BAYER bekommen oder haben, stellen wir uns solidarisch an ihre Seite und versuchen, Solidarität zu organisieren. Das war so, als ein australisches Dorf gegen die Ansiedlung eines neuen BAYER-Werkes inmitten eines Naturschutzgebietes kämpfte; als Menschen in Irland, Schottland, Kanada, USA und vielen anderen Ländern zu Opfern verschiedener BAYER-Produkte wurden; als in den Niederlanden sich breite Bündnisse gegen die Verschmutzung des Rheins durch BAYER zur Wehr setzten, usw... Die größten Probleme haben die Menschen in den Ländern der sogenannten Dritten Welt. Also gilt es, dort besondere Solidarität zu leisten. Es kommt daher nicht von ungefähr, daß wir den Kampf streikender peruanischer BAYER-ArbeiterInnen mit 12 Tausend Mark mühsam zusammengetragener Spendengelder unterstützten und daß die Lebens- und Produktionsbedingungen türkischer, spanischer, lateinamerikanischer, afrikanischer, asiatischer BAYER- KollegInnen in unseren Aktionen stets im Vordergrund standen. Wir haben
KollegInnen aus vielen BAYER-Werken aus aller Welt auf unsere Kosten nach Deutschland geholt, damit sie hier persönlich ihre Probleme der Öffentlichkeit vortragen können. Ebenso haben wir uns stets besonders für die Menschen in diesen Ländern eingesetzt, die ganz besonders unter rücksichtsloser Vermarktung gefährlicher Pestizide, Pharmazeutika und anderer Produkte zu leiden haben.
Wir beschränken uns nicht auf BAYER, sondern sehen BAYER stellvertretend für die Chemische Industrie Deutschlands. Alles was an Erfahrung, Analyse und Bewertung multinationaler Konzerne geleistet wird, machen wir konkret.BAYER ist das konkrete Beispiel eines Multis - die Erfahrungen, die aus der Auseinandersetzung mit BAYER resultieren, sind wichtig für jede Auseinandersetzung mit Konzernen überhaupt. Insofern ist die Konzentration auf BAYER keine Beschränkung, sondern eine Bereicherung des politischen Kampfes gegen multinationale Konzerne. Dies wird auch deutlich, wenn wir immer wieder die Erfahrung machen, daß auf Kongressen wie der Rio-Gegen- Konferenz und dem IWF-Tribunal unsere Erfahrungen wertvolle Inputs für
politische Resolutionen leisten. Nur durch unsere Diskussionsbeiträge wurden z.B. politische Forderungen im Hinblick auf multinationale Konzerne in die Abschlußerklärungen der Rio-Gegen-Konferenz oder auch des "Konziliaren Prozesses für den Erhalt der Schöpfung und die Bewahrung des Frieden" aufgenommen.

Da wir außerordentlich nah am Konzern dran sind, entdeckten wir bereits Mitte der 80er Jahre die Ambitionen bei BAYER, sich zu einem Global Player zu entwickeln. Wir durchblickten die Strategien und Absichten des Managements, sich international führend zu positionieren, die eigene Machtsphäre auszuweiten und die internationale Konkurrenz in die Schranken zu weisen. Entsprechend entwickelten wir die Formel ,Vom Multi zum Globi" und dehnten unsere Aktivitäten auf neue Politikfelder aus. Wir beteiligten uns an den Aktionen gegen das ,Europa der Konzerne", gegen Weltbank und all die anderen internationalen Durchsetzungsgremien konzernorientierter Profitstrategien. Das aktuellste Beispiel ist unser Engagement gegen den Gipfel der Konzernoffensive, das Multilateral Agreement on Investment, kurz MAI.

BAYER hat eine ganze Reihe von Strategien und Taktiken entwickelt, uns in unserer Arbeit zu behindern und in unserer Wirksamkeit zu beschränken. Eine
der Säulen ist die Diffamierung. BAYER diffamiert ohne jede Differenzierung
die CBG und auch jeden, der mitarbeitet, als kommunistisch. National und auch
international. Dabei baut der Konzern auf die tief verwurzelten und über viele
Jahrzehnte hinweg aufgebauten antikommunistischen Ressentiments. Das ging
soweit, daß BAYER Schaubilder an die Presse gab, in der in einem Diagramm
dargestellt wurde, wie die CBG vom ZK der KPdSU über das ZK der SED
angeleitet, die ,Zerstörung" des BAYER-Konzerns betreibt...

Eine weitere Methode ist es, den AktivistInnen der CBG jedwede Qualifikation
und Berechtigung abzusprechen. Egal mit wieviel Doktor- oder Professorentiteln
der Kritiker ausgestattet ist, seine Kritik ist, bleibt und wird nach BAYER-
Auffassung immer ,unqualifiziert, unwissenschaftlich und unhaltbar" bleiben.
Darüber hinaus wird der Ruf der KritikerInnen nach Kräften geschädigt. Sie
werden in den wissenschaftlichen Gremien isoliert und diffamiert. Niemals in
offener Debatte, stets hinter den Kulissen und mit vorgeschobenen Strohmännern.

Wir gehen davon aus, daß der BAYER-Werkschutz für jeden einzelnen der
KritikerInnen Psychogramme erarbeitet, um Gegenstrategien abzuschätzen und
auszufeilen. Das geht durchaus soweit, daß einerseits auch Gelder und andere
Zuwendungen fließen; andererseits gedroht und unter Druck gesetzt wird. Nach
unserer Auffassung gibt es schwarze Listen mit den Namen der KritikerInnen, die
aller Wahrscheinlichkeit nach sogar an den Verfassungsschutz weitergereicht
werden. Der Einfluß des Konzerns geht soweit, daß einer Pastorin der
Evangelischen Kirche der Pastoren-Titel aberkannt wurde, daß Menschen ihren
Arbeitsplatz verlieren oder versetzt werden usw.

Und schließlich sind da die Medien. BAYER treibt einen gigantischen Aufwand,
die Medien unter Druck zu setzen, mit dem Ziel, daß nicht nur keine Kritik
erscheint, sondern darüber hinaus positiv berichtet wird. Der Konzern überwacht
in eigenen Zentren die Fernseh- und Radiostationen in aller Welt. Wir waren im
RTL-Frühstücksfernsehen in aller Herrgottsfrühe gerade einmal ein paar Minuten
auf Sendung, da rief bereits die BAYER-Medienabteilung an und forderte
kategorisch nichts weniger als den Abbruch der Sendung. Und mensch soll nicht
meinen, das hätte keine Wirkung. Die Leute von BAYER wissen, welche Macht
sie haben. Sie bestimmen über genau die Milliarden, mit denen Kirch und
Bertelsmann ihre Profite ziehen. Die Werbeetats in gigantischer Höhe sorgen
nicht selten für eine beschämende Hofberichterstattung mit einer verinnerlichten
Zensur.

Natürlich führt der Konzern auch mit aller Härte seine riesige Rechtsabteilung
gegen KritikerInnen ins Feld. Ganze Heerscharen von JuristInnen existieren
ausschließlich aufgrund der zahllosen Prozesse, die der Konzern in aller Welt
gegen KritikerInnen vom Zaun bricht. Auch dabei kommt es oft zu
Stellvertreterprozessen, in denen andere im Interesse des Konzerns den Prozeß
führen. Auch wir wurden neun lange Jahre lang von BAYER mit Prozessen
wegen Verleumdung u. ä. überzogen. 150.000 Mark kostete uns diese
Auseinandersetzung. Allerdings gewannen wir in einem Schlüsselverfahren
letztinstanzlich vor dem Bundesverfassungsgericht, BAYER wurde in die
Schranken gewiesen. Wir konnten einen Sieg für die gesamte demokratische
Bewegung unseres Landes erringen.

Mit der COORDINATION wurde eine einzigartige Organisation geschaffen. Es
hat noch niemals in der Geschichte multinationaler Konzerne, egal wo auf dieser
Welt, ein solches Netzwerk wie die CBG gegeben. Dies ist ein großartiger
Erfolg. Er zeigt: Gegen all die Machenschaften multinationaler Konzerne hilft
nur das breite politische Bündnis aller Betroffenen. Nur so gelingt es, einen
Konzern wie BAYER in die Schranken zu weisen. Es ist nicht einfach, die
politische Front gegen einen Konzern wie BAYER zu schmieden, aber es ist
möglich. Das vielleicht wichtigste Ergebnis unserer Arbeit ist, daß wir zeigen,
daß es möglich ist, gegen einen Konzern wie BAYER erfolgreich aufzustehen.
Uns geht es nicht nur um weniger giftige Pestizide, sicherere Arbeitsplätze,
weniger gefährliche Pharmazeutika etc. Was wir wollen, das ist eine Zukunft für
uns, für unsere Kinder, für den Planeten, die nicht mehr von Konzernen wie
BAYER tagaus tagein bedroht wird. Wir werden BAYER auch über die
Jahrtausendwende hinweg begleiten. Wir haben bereits drei Vorstandsvorsitzende
bei BAYER erlebt, nicht einer von ihnen hätte sich träumen lassen, daß die
COORDINATION seine Amtsperiode überdauert. Die Vorsitzenden kommen und
gehen, die CBG aber bleibt bestehen (in Abwandlung einer Aussage des
BAYER-Vorstandsvorsitzenden Dr. Manfred Schneider: "Regierungen kommen
und gehen, BAYER bleibt.")!