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1998

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Soziale
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»KOMM« vorzeitig geschlossen

NÜRNBERGER RADIO Z

GESPRÄCH MIT ZWEI VERTRETERINNEN VOM INFOBÜRO:

Anmoderation

Über die Ereignisse am Wochenende: Das Benefiz-Spektakel »Rock gegen rechts und für die Freiheit der politischen Gefangenen international« war im vollen Gange als es am Samstagabend plötzlich im gegenüberliegenden Baumeisterhaus brannte. Schnell war die Rede von Molotow-Cocktails, die Polizei riegelte das KOMM großräumig ab, was KonzertbesucherInnen provozierte. Es flogen Flaschen und Steine. Daraufhin war es gar nicht mehr möglich, das KOMM zu verlassen ohne seine Personalien angeben zu müssen. Wer bei uns noch nicht zu Wort kam, waren die VeranstalterInnen des Festes vom Infobüro für die Solidarität mit den politischen Gefangenen international. Nach den letzten hektischen Tagen, die mit Aufräumarbeiten, Schadensbegrenzung, Absagen der eingeladenen Bands und ReferentInnen vergingen, sprach Claudia Schuller heute mit zwei VertreterInnen des Infobüros über ihre Sicht der Ereignisse.

Radio Z: Was war die Intention Eures Benefizfestes? Wo seht Ihr die Verbindung vom KOMM als ehemals selbstverwaltetem Jugendzentrum und den politischen Gefangenen?

Infobüro: Die Verknüpfung des KOMM ergab sich für uns daraus, daß 1989 ein Hungerstreik der politischen Gefangenen in der BRD stattgefunden hat, wir dringend ein Büro gebraucht haben, wir das in ganz Nürnberg nirgendwo bekommen haben und dann 1989 die Räume der Jusos im KOMM besetzt wurden von uns. Auf der Vollversammlung wurde dann abgestimmt, daß wir ein Büro im KOMM kriegen. Und so ist die Verknüpfung von uns zum KOMM auch da. Zum ersten Teil der Frage: Die Intention war jetzt, weil der Selbstverwaltung und den politischen Gruppen bis Ende des Jahres durch die Stadt gekündigt wurde und wir dieses Wochenende natürlich auch als Möglichkeit verstanden haben, mit unserer politischen Arbeit möglichst viele Menschen noch mal zu erreichen und auch gegen diesen Rausschmiß zu protestieren. Wir denken nicht, daß in Zukunft Veranstaltungen dieser Art im neu gestylten Künstlerhaus noch mal stattfinden können.

Radio Z: Wie wart Ihr mit dem Verlauf des Festes bis zu den Ereignissen am Samstag zufrieden, weil ja schon vorher jede Menge stattgefunden hat?

Infobüro: Wir fanden's einfach toll! Es war sehr lebendig, es war absolut gut besucht. Wir hatten gar nicht damit gerechnet, daß so viele Menschen kommen. Es war ein großes Interesse auch für die Veranstaltungen da, es war ja nicht nur ein Konsumteil, und das war ja das, was wir eigentlich haben wollten, was eigentlich auch unsere Intention war. Politische Sachen rüberzubringen und gleichzeitig auch Spaß dabei zu haben.

Radio Z: Zu den Ereignissen Samstagnacht hat die AZ geschrieben, daß »einige Vermummte aus dem KOMM Brandsätze in das benachbarte Baumeisterhaus geworfen hätten«. Was ist dran?

Infobüro: Na ja, dies würde eine physikalische Meisterleistung voraussetzen, da die Brandsätze aus dem KOMM im rechten Winkel hätten fliegen müssen, um diese besagten Fenster im Baumeisterhaus zu treffen.

Radio Z: Könnte es Eurer Meinung nach eine politische Aktion gewesen sein?

Infobüro: Dann gibt es sicherlich bald eine politische Erklärung, die uns natürlich sehr interessieren würde. Aber vielleicht wurde auch nur die Aufforderung des CSU-OB Scholz im Sommer dieses Jahres, »das KOMM auszuräuchern« wörtlich genommen und es fehlten dafür nur die notwendigen Lenksysteme aus dem Hause Diehl - Kriegswaffenhersteller, KZ-Profiteur und seit einigen Wochen Ehrenbürger der Stadt Nürnberg.

Radio Z: Der Stadtrechtsdirektor Frommer hat Samstagnacht spontan die Verträge des KOMM e.V. mit der Stadt gekündigt. Was ist daraus geworden? Liegt mittlerweile was Schriftliches vor? War sein Vorgehen überhaupt rechtens?

Infobüro: Bisher liegt uns nichts schriftlich vor. Die Kündigung wurde uns mündlich durch einen städtischen Mitarbeiter mitgeteilt. Bis Samstagnacht oder Sonntagfrüh drei Uhr war noch nicht klar, ob die Veranstaltung am Sonntag überhaupt fortgesetzt werden konnte. Ob das Vorgehen rechtens ist, müssen wir noch juristisch abklären. Zwischenzeitlich soll die Kündigung ja zurückgenommen worden sein. Sicher ist nur, daß für dieses Jahr alle weiteren Veranstaltungen abgesagt wurden.

Radio Z: Herr Frommer hat gestern auch in einem Interview gesagt, daß es Verhandlungen und Absprachen im Vorfeld mit Euch gegeben hätte. Stimmt das denn?

Infobüro: Nein, es gab am vergangenen Freitag (19.12.97) um 10.15 Uhr eine Begehung mit dem Einsatzleiter der Polizei, dem besagten Herrn Frommer, einem städtischen Mitarbeiter des KOMM und unserem Anwalt. Es gab weder Absprachen noch Verhandlungen, aber unsere politische Intention was wir mit den Veranstaltungen wollten, war in unserem Aufruf nachzulesen und das lag natürlich auch der Stadt vor.

Radio Z: Die Polizei wird ja jetzt in allen Medien hoch gelobt für ihre Besonnenheit. Könnt Ihr das so bestätigen?

Infobüro: Wir sehen das ein Stück weit anders: Vorgänge außerhalb des KOMMs wurden zum Anlaß genommen, BesucherInnen zu kontrollieren, teilweise zu registrieren und willkürlich Festnahmen vorzunehmen. Wir sehen das auch in dem Zusammenhang, daß von Seiten der Stadt und der Polizei die schon lange betriebene Stimmungsmache und politische Hetze gegen selbstverwaltete Strukturen und linke Politik in Nürnberg hier umgesetzt wurde. Außerdem muß man dazu sagen: die Polizei hat die Ereignisse auch eskaliert durch das Abriegeln des KOMMs und ihre massive Präsenz nach dem Brand im Baumeisterhaus. Die Straßenschlacht, über die in allen Medien berichtet wurde, begann ja erst dann, nachdem die Bullen so massiv aufgezogen sind, und bis nachts um halb zwei tanzten über 500 BesucherInnen zur Musik und hatten die Geschichten auf den Straßen eigentlich gar nicht mitbekommen.

Radio Z: Konnte eigentlich überhaupt Geld für die politischen Gefangenen, speziell für Mumia Abu Jamal gesammelt werden? Ihr habt Euch ja immerhin lang vorbereitet und viel Arbeit gehabt. Kam jetzt finanziell überhaupt was raus?

Infobüro: Tja, je nachdem, welche Kosten auf uns zukommen, z.B. für den für Sonntag abgesagten Bands oder anderen. Aber wie es aussieht, bleiben wir nicht auf unseren Unkosten sitzen. Sicherlich wäre mehr Geld für die politischen Gefangenen hereingekommen, wenn der dritte Tag des Wochenendes wie geplant hätte stattfinden können. Denn allein die Prozeßkosten Mumia Abu Jamal belaufen sich auf über eine Million Dollar, auch die politischen Gefangenen in der BRD, in Peru und anderen Ländern brauchen dringend Geld. Deshalb würde ich gerne hiermit an alle appellieren, die schon 15 DM für den Sonntag auf die Seite gelegt haben, diese doch zu spenden. Am Ende der Veranstaltung hätte auch noch eine Resolution für die sofortige Freilassung der verurteilten Abgeordneten von Herri Batasuna und für die Verlegung der ETA-Gefangenen ins Baskenland verabschiedet werden sollen.

Abmoderation:

Soweit also die VertreterInnen des Infobüros zu den Ereignissen am vergangenen Wochenende. Wer dem Spendenaufruf folgen möchte und die politischen Gefangenen unterstützen möchte, der/die kann das auf folgendem Konto tun:

Das Angehörigenkonto, Sonderkonto Kiener, Landesgirokasse Stuttgart, BLZ 600 501 01, Konto 54 54 194.

Und wer speziell für den afroamerikanischen Journalisten Mumia Abu Jamal unterstützen möchte, das ist das Konto: Sonderkonto »Kampagne« / Archiv '92, Bfg Bank Bremen, BLZ 290 101 11, Konto 100 873 8702.