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online archiv 1998 Rubrik Repression & Widerstand |
Solidaritätskomitee Die Erklärung, die unserem Komitee übermittelt wurde, hier im vollen Wortlaut: Buenos Aires, 12. Februar 1998 An die Mitglieder des Solidaritätskomitees für die Opfer der politischen Verfolgung in Deutschland Berlin Ihr Schreien Mit unserem größten Respekt: Wir, die Unterzeichner, Vertreter von Bürger- und Menschenrechts- organisationen in Argentinien, wenden uns an Sie, um unsere Forderung nach sofortiger Beendigung der Strafprozesse, der Verfolgung und Verurteilung ehemaliger Funktionäre der früheren Deutschen Demokratischen Republik in Ihrem Land zum Ausdruck zu bringen. In Nichterfüllung des Einigungsvertrages erfolgte eine vollständige "Absorption" der früheren DDR durch die Bundesrepublik Deutschland. Und seit vielen Jahren erfolgen, in Mißachtung der eigenständigen Geschichte der DDR, strafrechtliche Anklagen gegen etwa 60.000 ihrer ehemaligen Bürger wegen unterstellter "Verbrechen", die sie begangen haben sollen. Der alte Haß gegen den östlichen deutschen Staat erhebt sich heute erneut, nackt und bloß und voller Revanchismus. Es ist ein Paradoxon. Unsere Völker des lateinamerikanischen Südkegels haben während der schrecklichen Diktaturen, die wir bis vor wenigen Jahren erlebten, Hilfe und Unterstützung sowohl vom westlichen als auch vom östlichen deutschen Staat erhalten. Aber lauter zu vernehmen sind die Stimmen, die ihm Dankbarkeit gegenüber den Ostdeutschen zum Ausdruck bringen - für ihr in höchstem Maße solidarisches Verhalten gegenüber den verfolgten Lateinamerikanern. Besonders betroffen gemacht hat uns die Verurteilung der früheren Richterin Jendretzky-Eisermann, 79 Jahre alt, Ende vergangenen Jahres zu vier Jahren Gefängnis, durch ein Gericht in Leipzig, weil sie vor 47 Jahren Mitglied eines Berufungsgerichts war und die Todesstrafe gegen verschiedene Nazi-Militärrichter bestätigte, die ihrerseits zahlreiche Menschen in Frankreich, der Tschechoslowakei, der UdSSR und sogar im Konzentrationslager Auschwitz zum Tode verurteilt hatten. Auf diese Art und Weise betreibt die BRD die "Rehabilitierung" der in der unmittelbaren Nachkriegszeit verurteilten Nazis und beerdigt so den Geist und die Buchstaben der Nürnberger Prozesse. Uns macht die Tatsache besorgt, daß Zehntausende Menschen ihre Arbeit verloren, daß es ihnen in einigen Fällen auf Lebenszeit unmöglich gemacht wurde, ihren Beruf auszuüben, und daß etwa 60.000 Strafverfahren eingeleitet wurden, in deren Verlauf bisher 300 Urteile, gegen Politiker, Parlamentarier, Militärs u.a., gefällt wurden. Die DDR war durch 130 Staaten, einschließlich der BRD, und die UNO anerkannt, lediglich durch Paraguay, Israel und Südafrika war sie in dem gegeben Moment nicht anerkannt. Sie war ein eigenständiger Staat, der sich seine eigenen Gesetze gab, unabhängig davon, ob sie immer dem Wunsch der jetzt "wiedervereinigten Deutschen" entsprachen. Auf Grundlage dieser Gesetze haben ihre Funktionäre gehandelt. Nur die DDR verfolgte die Angehörigen der Nazi- Hierarchie,(die heute wieder freigelassen, entschädigt und rehabilitiert werden), während diese In der BRD zu Zehntausenden freigesprochen wurden. Heute führt man dagegen Prozesse durch gegen Otto Jürgens, 88 Jahre alt, durch die Nazis eingekerkert und gefoltert, weil er als Richter viele Nazis verurteilt hat, oder gegen Erich Mielke wegen einer Straftat im Jahre 1932 (unmittelbar vor der Machtergreifung durch Hitler). Nicht zu vergessen der Oberstaatsanwalt Jahntz, der in einem Buch die Tatsache feiert, daß es gelungen sei, die Strafverfahren gegen 59 der 60 Mitglieder des Volksgerichtshofes der Nazis niederzuschlagen ...; Heute Ist er der Ankläger gegen Krenz, wie wir Hörten. Die Gründung der DDR (im Oktober 1949) war keine Laune der Geschichte, Ihr war vorausgegangen (im Mai 1949) die Gründung der BRD. Diese Spaltung hat dazu geführt, daß die eine Seite Mitglied der NATO und die andere Mitglied des Warschauer Vertrages wurde. Die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs haben im Rahmen des unglückseligen "Kalten Krieges" ihren Einfluß über beide ausgeübt. Genauso wenig kann man behaupten, daß die DDR für die Spaltung verantwortlich war, verantwortlich war die Niederwerfung des Faschismus durch die siegreichen Mächte. Auch der Warschauer Vertrag wurde erst geschaffen, als die BRD bereits Mitglied der NATO war. Heute verhängt man Strafen gegen die Bürger der DDR auf der Grundlage der Gesetze eines anderen, ihnen fremden Staates, für Taten, die sie vor der Vereinigung am 3.10.1990 begangen haben und für die, laut Einigungsvertrag, diese Gesetze nicht angewendet werden dürfen. Auf diese Weise wird die antisozialistische Tradition, die ihren Ursprung im vorigen Jahrhundert hat,weitergeführt Und das geschieht über Sonderrichter Und Sonderstaatsanwälte, unter Verletzung des Rückwirkungsverbotes (niemand darf für Taten bestraft werden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurden, In der DDR keine Straftaten waren.) und der geltenden Verjährungsfristen. Die DDR war niemals ein Bundesland der BRD. Exemplarisch ist der Fall von Egon Krenz, der als Vizepräsident der DDR mit allen offiziellen Ehren bei seinem Besuch in der BRD im Juni 1989 empfangen wurde (Die Vereinigung fand am 3-10.1990 statt. Nach dem Einigungsvertrag gilt nur das Recht der DDR für die juristische Bewertung der Ereignisse der früheren Jahre. Heute versucht man, den "Kalten Krieg" mit anderen Mitteln Fortzusetzen. Wir haben auf schriftlichem Weg von hohen Funktionären der Liberal- Demokratischen Partei, der Christlichen Demokratischen Union, der Demokratischen Bauernpartei, der National-Demokratischen, der Sozialistischen Einheitspartei, dem Präsidenten der Vereinigung der Juristen usw. Informationen erhalten, die sehr ernst sind. Deshalb fordern wir nachdrücklich, daß jene Politik beendet wird, die von einer willkürlichen Anwendung des Rechts gekennzeichnet ist, und daß die Verfolgung aufhört. Wir grüßen Sie sehr herzlich Argentinische Liga für die Menschenrechte Argentinische Kommission für die Freiheit der politischen Gefangenen Argentinisches Atheneum "Alexander von Humboldt" Bewegung gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung Bewegung für den Frieden, die Souveränität und die Solidarität zwischen den Völkern Katholische Gruppe der Brüderlichkeit Jesu Zentrum der Militärs für Demokratie in Argentinien Kommission für die Menschenrechte der in Buenos Aires ansässigen Paraguayer Töchter und Söhne für die Gerechtigkeit und gegen das Vergessen und das Schweigen Sozialistisches Zentrum "Vorwärts" Koordinationsrat gegen die politische und institutionelle Unterdrückung |