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1998

Rubrik
Repression & Widerstand

Dokument

erhalten am 2.3.1998

Presseerklärung

der Gesellschaft für rechtliche und humanitäre Unterstützung
und des Solidaritätskomitees für die Opfer der politischen

Verfolgung in Deutschland zum Urteil gegen
die DDR-Richterin Jendretzky- Eisermann

Im Rahmen der völkerrechtswidrigen Verfolgung von Bürgern und Amtsträgern der DDR durch Sonderstaatsanwälte und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland kommt dem Urteil gegen die Richterin Irmgard Jendretzky-Eisermann makabre Bedeutung zu. Die heute 79-Jährige wurde am 28. November 1997 vom Landgericht Leipzig zu 4 Jahren Haft verurteilt Ihr wurde vom westdeutschen Gerichtsvorsitzenden "Rechtsbeugung", "Freiheitsberaubung" sowie "Totschlag" unterstellt, weil sie vor 47 Jahren in den sogenannten "Waldheim-Prozessen" als Beisitzerin eines Revisionssenats an der Bestätigung erstinstanzlich ergangener Todesurteile gegen Nazi- und Kriegsverbrecher mitwirkte.
Aus der Sicht von heute gab es bei den "Waldheim-Prozessen" , die in der unmittelbaren Nachkriegszeit und unter maßgeblichem Einfluß der Besatzungsmächte stattfanden, sicher verfahrensrechtliche und andere Mängel. Aber wer waren die Menschen, deren Verurteilung heute der antifaschistischen Richterin Frau Jendretzky-Eisermann angelastet wird?
Dazu gehörten unter anderen- Oberstabs-richter Walter Schmidt. Er hat in vielen Gerichtsverfahren in Frankreich, der
Tschechoslowakei und der UdSSR gegen Zivilpersonen, Kriegsgefangene und deutsche Soldaten in mindestens 5 Fällen die Todesstrafe verhängt
- Staatsanwalt Heinz Rosenmüller. Als Generalstaatsanwalt am Sondergericht in Dresden hat er wegen "zersetzender Äußerungen" mindestens 15 Todesurteile erwirkt
- Kriegsgerichtsrat Horst Rechenbach. Als Oberstabsrichter war er an 1200 Militärgerichts-verfahren beteiligt, von denen 30 mit Todesurteilen endeten
- Karl Steinberg war Aufseher im KZ Auschwitz und an Hinrichtungen von Häftlingen beteiligt.

Solche Verbrecher hart zu bestrafen, war die Forderung der Völker. Ihre Verurteilung entsprach den Bestimmungen des Völkerrechts, den Statuten des Internationalen Gerichtshofes von Nürnberg, dem Alliierten Kontrollratsgesetz Nr. 10, Direktive 38 sowie im Fall der Waldheim-Prozesse auch dem Befehl 201 der sowjetischen Militäradministration in Deutschland.

Wenn die BRD jetzt die Verurteilung solcher Verbrecher Unrecht nennt, wenn sie alle in Waldheim Verurteilte per Gesetz pauschal rehabilitiert, dann ist das Unrecht. Dann macht sie sich zur Verteidigerin schwerster Naziverbrechen. Das entspricht der ungeheuerlichen BRD-Praxis, die vom Volksgerichtshof und anderen Nazi-Gerichten gefällten Todesurteile nicht aufzuheben und keinen der dort tätig gewesenen Staatsanwälte und Richter zur Rechen-schaft zu ziehen.
Die Verurteilung von Irmgard Jendretzky-Eisermann und anderer DDR-Juristen erfolgt zu einer Zeit, in der in Deutschland Neonazismus und Antisemitismus erschreckend an Boden gewinnen, wie das auch die Geschehnisse in den deutschen Streitkräften bis in die höchsten Führungs-stellen zeigen.
Wir sind in großer Sorge um die deutsche Wirklichkeit unserer Tage. Die Gesellschaft für rechtliche und humanitäre Unterstützung und das Solidaritätskomitee für die Opfer der politischen Verfolgung in Deutschland rufen alle Gutwilligen im Land und im Ausland auf: Helfen Sie mit, den nazistischen Umtrieben entgegenzuwirken und DDR-Juristen vor der politischen Strafverfolgung zu schützen.
Menschen seid wachsam!
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- Nachfragen sind zu richten an den Sprecher des Solidaritätskomitees, Klaus Feske, Fax/Tel. 030/4513063
- E. Mail solikomitee@t-online.de