trend PARTISAN.net
online
archiv

1998

Rubrik
Globales & Internationales
aus:  Searchlight 5/98
Internationale Antifaschistische Monatszeitschrift
für die elektronische Verbreitung bearbeitet von:
Antifa-West - Antifaschistische Initiative im Bielefelder Westen

                 Searchlight on the States
             Ein Pakt mit dem Teufel

Die Akten der Souveränitätskommission von Mississippi wurden
endlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, 21 Jahre
nachdem sie offiziell versiegelt wurden. Die
Souveränitätskommission wurde 1956 von der Legislative in
Mississippi ins Leben gerufen, mit dem Zweck, die Apartheid im
Staat zu verfestigen und die Versuche zu bekämpfen, die
bürgerlichen Grundrechte auch für Schwarze durchzusetzten. Mit
einem jährlichen Budget von 250.000 Dollar (zu der Zeit eine
stattliche Summe), jagte die Kommission Aktivisten der
Bürgerrechtsbewegung und deren Sympathisanten, arbeitete
zusammen mit Organisationen der weißen Supremazisten wie den
berüchtigten 'Citizens  Councils' und hielt schützend die Hand
über einige der verabscheuungswürdigsten rassistischen Mörder
der damaligen Zeit. Die Kommission wurde 1977 aufgelöst und es
wurde angeordnet, die Akten für 50 Jahre verschlossen zu
halten.

Trotzdem gelangten Anfang der 90er Jahre einige Akten auf
verschwiegenen Wegen zu einem Reporter der Mississippi-Zeitung
'Jackson Clarion-Ledger'. Er enthüllte, wie die rassistische
staatliche Stelle Byron de la Beckwith unterstützte, der
zweimal wegen des 1963 verübten Mordes an Medgar Evers, dem
Führer der NAACP, vor Gericht gestellt aber nie verurteilt
wurde. Aufgrund der Reportage wurde Beckwith ein drittes Mal
angeklagt und auch verurteilt.

Jetzt, da die Akten der Kommission offiziell geöffnet sind,
gibt es die Hoffnung, daß andere Mordverdächtige endlich vor
Gericht gestellt werden. An der Spitze der Liste steht Sam
Bowers, der damalige Kopf der 'White Knights'. Er wird
verdächtigt, 1966 in Hattiesburg an der Ermordung des NAACP-
Vertreters Vernon Dahmer beteiligt gewesen zu sein. Fünf
Personen wurden des Mordes an Dahmer für schuldig befunden.
Bowers wurde angeklagt, den Anschlag geplant zu haben, wurde
aber nie verurteilt.

Zur selben Zeit, zu der die jetzt öffentlichen Akten der
Souveränitätskommission die Aufmerksamkeit auf Klan-Mörder aus
Mississippi richten, gibt es erneute Überprüfungen des
Anschlags, der 1968 auf Rev. Dr. Martin Luther King Jr. verübt
wurde. Ein entflohener Sträfling, James Earl Ray, erklärte
sich im März 1969 für schuldig, auf King geschossen zu haben.
Aber ein paar Tage später feuerte er seinen Anwalt und
widerrief sein Geständnis.

Nun verlangen die Familie King und andere, daß der Fall
wiederaufgenommen werden soll. Einige glauben, daß staatliche
Stellen der Regierung den Mord planten und daß Ray unschuldig
ist. Ihre Anfragen bekommen zusätzlich Gewicht durch die
Tatsache, daß die Unterlagen eines Unterausschusses des
Parlaments, der den Anschlag 1977 untersuchte, für 50 Jahre
versiegelt wurden. Außerdem veranstaltete das FBI eine
bösartige Kampagne gegen King und andere schwarze
Persönlichkeiten. Genau wie die Akten der
Souveränitätskommission müssen die Akten des Unterausschusses
der Öffentlichkeit so bald wie möglich zugänglich gemacht
werden.

Die Unterlagen, die Ray in Verbindung mit dem Mord am 4. April
bringen, sind gut ausgearbeitet. Er kaufte das Fluchtauto und
das Gewehr, mit dem King erschossen wurde und mietete ein
Zimmer in der Nähe von Kings Hotel in Memphis. Nun behauptet
Ray, daß er von einem mysteriösen "Raoul" reingelegt wurde. Es
steht aber fest, daß Ray zwei Wochen vor dem Mord in Selma,
Alabama begann, King zu verfolgen. Als King Alabama verließ,
tat Ray das gleiche, und ging dann nach Atlanta, um Kings
Haus, Büro und Kirche zu observieren. Danach reiste Ray nach
Birmingham, Alabama, um die Waffe zu kaufen, und folgte King
dann nach Memphis.

Aller Wahrscheinlichkeit nach verübte Ray den Mord nicht
selbst. Bei einer offiziellen psychiatrischen Untersuchung
wurde festgestellt, daß es Ray an Initiative und den
Fähigkeiten mangelt, den Anschlag alleine zu planen. Wie bei
Timothy McVeigh und dem Bombenanschlag in Oklahoma City ist es
unwahrscheinlich, daß es Rays Schuld mindert, wenn schließlich
doch andere Mittäter enttarnt werden.

Wie viele rassistische Mörder zur damaligen Zeit glaubte Ray
nicht, daß er für den Mord an einem schwarzen Bürgerrechtler
bestraft werden würde. Er sagte zu einem Reporter "kein weißer
Mann ist in Tennessee jemals für den Mord an einem Nigger
hingerichtet worden". Er glaubte, daß Alabamas Gouverneur
George Wallace im November 1968 zum Präsidenten gewählt werden
würde und ihn nach zwei Jahren aus dem Gefängnis holen würde.
Nachdem Wallace die Wahl verloren hatte, glaubte Ray, daß die
Gruppe, aus der die Jurymitglieder gewählt werden, aus
Sympathisanten bestehen würde, da Wallace in dem Distrikt
gewonnen hatte. Ray bekannte sich schließlich nur schuldig,
weil sein Anwalt ihn davon überzeugte, daß ein Prozess die
Todesstrafe zur Folge hätte.

Nur Tage später nahm Ray die Aussage zurück und feuerte seinen
Rechtsanwalt. Stattdessen übergab er seine Verteidigung J.B.
Stoner, dem berüchtigten Vorsitzenden der 'National States
Rights Party', bei der Rays Bruder Jerry mitarbeitete. Stoner
reichte umgehend eine Klage gegen Rays frühere Anwälte und
einen Journalisten ein, mit der Behauptung, daß der Mord an
Dr. King vom FBI geplant war und daß man Ray gezwungen habe,
sich schuldig zu bekennnen, um die Tatsachen zu verschleiern.
Die Theorie geisterte durch das der Welt abgewandte Reich der
Weißen Supremazisten, bis Ray den Anwalt William Pepper mit
seiner Verteidigung beauftragte.

Es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, daß zu der Zeit,
als Stoner Ray verteidigte, Stoner selbst schuldig war, auf
die Kirche einer schwarzen Gemeinde einen Bombenanschlag
verübt zu haben. Obwohl der Bombenanschlag 1958 stattfand,
wurde Stoner bis zum Jahre 1980 weder angeklagt noch
verurteilt. Vom ersten Tag an hatten Stoner und sein Kumpel Ed
Fields versucht, mit Rays Verteidigung beauftragt zu werden.
Fields versuchte, aus dem Fall Geld herauszuschlagen, bekam
von Rays Anwalt aber eine Abfuhr - bis Stoner mit dem Fall
betraut wurde. James Earls Bruder Jerry Ray behauptet, daß
Stoner ihn für die 'National States Rights Party' rekrutierte,
eine Partei, bei der Jerry Ray schon seit 15 Jahren Mitglied
ist.

Es ist unzweifelhaft wahr, daß nicht ALLE Mörder Kings vor den
Kadi gebracht wurden. Es ist außerdem wahr, daß Stoner,
Fields, ihr britischer Verbündeter John Tyndall und noch
stärker William Peppers mysteriöser Zeuge, der Aktivist der
'British National Party' und notorischer Nazi, Sid Cathew,
Jahrzehnte damit zugebracht haben, rassistische Gewalt zu
vertuschen. Der Weg zur Wahrheit führt nicht bei ihnen vorbei.