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1998

Rubrik
Globales & Internationales

Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges

Deutsche Sektion / Arbeitskreis "Süd-Nord" / Leonhardstr. 32 / D - 38102 Braunschweig / ippnw-d-sn@oln.comlink.apc.org

Pressemitteilung zum kurdischen Flüchtlingsdrama im Mittelmeer

Berlin, 05.01.98. Angesichts des anhaltenden kurdischen Flüchtlingsdramas erklärt die deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW):

Die Flüchtlinge, die aus der Türkei und aus der von der Türkei überfallenen irakischen UN-Schutzzone bis nach Europa gelangen, sind nur die Spitze eines Eisberges: Der Krieg gegen die kurdische Bevölkerung , der seine Wurzeln in der Zeit der türkischen Militärdiktatur hat, hat nach Schätzungen international aner-kannter Organisationen wie des Menschenrechtsvereins der Türkei (IHD) bis heute mindestens 3 Mio. Menschen zur Flucht gezwungen - fast ausnahmslos schutzlose Zivilbevölkerung - und mehr als 30.000 Menschen getötet. Über 3.200 Dörfer hat die türkische Regierung seither systematisch zerstören lassen.Der größte Teil der geflohenen Menschen befindet sich noch innerhalb der Türkei und ist dort in Slums und Arbeitslosigkeit langfristiger sozialer Desintegration ausgesetzt, sowie fortgesetzten systematischen Menschenrechtsverletzungen durch die Behörden. Nur ein kleiner Teil hat bisher den mühsamen und lebensgefährlichen Weg nach Europa bewältigt. In Deutschland leben derzeit knapp 500.000 Kurden aus der Türkei. Die Zahl der nach Europa drängenden Flücht-linge wird jedoch dramatisch zunehmen, wenn der - unerklärte, jedoch mit schweren Waffen geführte - Krieg in der Türkei nicht rasch beendet wird.

Bei den jetzigen Äußerungen von Bundesinnenminister Kanther (CDU) handelt es sich daher um blanken Zynismus, wenn er von den italienischen Behörden fordert, die Grenzen der EU besser gegen diese Flüchtlinge zu sichern. Denn der Krieg und die völkerrechtswidrigen Übergriffe auf die UN-Schutzzone im Irak werden von der türkischen Armee zum Großteil mit deutschen und US-amerikanischen Waffen geführt - die trotz seit Jahren erhobener Proteste weiterhin an die Türkei geliefert werden.

Da niemand freiwillig seine Heimat verläßt, ist das einzig sinnvolle Vorgehen gegen die Flüchtlingsproblematik die Beseitigung ihrer Ursachen - im Falle der kurdischen Flüchtlinge bedeutet das die Beendigung des Krieges und die völkerrechtsgemäße Respektierung der UN-Schutzzone.

Wir richten daher die folgenden Forderungen an die deutsche Bundesregierung:

  • sofortiger Stopp aller - auch der laufenden - Waffenlieferungen an die Türkei;
  • Einfrieren der enormen wirtschaftlichen und finanziellen Unterstützung für die Türkei, bis substantielle Schritte zur Beendigung des Krieges eingeleitet und das Dialogangebot der kurdischen Kriegspartei akzeptiert sind;
  • Unterstützung der gemäßigten Kräfte in der Türkei durch verbindliche Zusage, die Aufnahme in die EU umgehend zu befürworten, sobald an die Stelle von Krieg und Menschenrechtsverletzungen ein Waffenstillstand, Friedensgespräche und rechtsstaatliche Praxis getreten sind;
  • sofortiger Dialog-Beginn mit der kurdischen Seite auch seitens der Bundesregierung und Einleitung der erforderlichen innenpolitischen Schritte (Aufhebung des seit 26.11.93 bestehenden Kollektivverbotes kurdischer Organisationen);

sowie an Reiseveranstalter und Urlauber:

  • konsequenter Verzicht auf Türkei-Reisen, bis ein vertraglich untermauerter Dialog- und Friedensprozeß in die Wege geleitet ist.

für den Vorstand:

Dr. med. G. Penteker, Stellv. Vorsitzende