trend PARTISAN.net
online
archiv

1998

Rubrik
Faschismus
Rassismus
Neue Rechte
Folgendes Flugblatt wurde, zusammen mit dem zitierten Artikel aus dem Schwaebischen Tagblatt, 3.1.1998, bei der Kundgebung gegen den Rassismus in der Tuebinger Polizei verteilt.

Schwarz und Geld - das genuegt Tuebinger Polizei fuehrte drei Afrikaner aus der Kreissparkasse in Handschellen ab

Rassistische Uebergriffe der bundesdeutschen Polizei gegenueber Menschen ohne deutschen Pass oder aufgrund von koerperlichen und kulturellen Merkmalen sind keine Einzelfaelle. Seit Jahren werden sie von nichtstaatlichen Organisationen wie der Liga fuer Menschenrechte, amnesty international oder der Aktion Courage e.V. - SOS Rassismus dokumentiert und kritisiert. Sie sind Anlass fuer Untersuchungen des Anti-Folter-Komitees des Europarates (Juli 1997), fuer Berichte und in den letzten Jahren besorgte Erklaerungen praktisch aller zustaendigen Gremien der UN an die Bundesregierung. Auch die Vereinigung der Kritischen PolizistInnen ist sich einig darueber, dass die von polizeilicher Seite vorgenommene Bagatellisierung und Entpolitisierung dieser Uebergriffe nicht darueber hinwegtaeuschen kann, dass gesellschaftlich gepraegter Rassismus und Fremdenfeindlichkeit systematisch durch polizeiliche Ausbildung und Arbeitsstrukturen beguenstigt wird. Mittlerweile hat das Thema Polizei und Rassismus eine enorme Aufmerksamkeit in den Medien erhalten. Stichworte wie 'Fehlverhalten', 'Uebergriffe' oder gar 'Misshandlungen' durch die Polizei sind in die Schlagzeilen geraten und bewirken, dass die hierfuer Verantwortlichen um eine oeffentliche Stellungnahme zu den Vorfaellen nicht laenger herumkommen. Diese polizeilichen Reaktionen auf den oeffentlichen Druck zielen in erster Linie darauf, den Zustand des 'normalen Funktionierens' und das Bild der 'gerechten Polizei' wiederherzustellen, die durch Diskrimierungsvorwuerfe aus der Balance gebracht wurden. Es ist kein Zufall, dass durch solche offiziellen Stellungnahmen in der Regel die polizeiliche Diskriminierung der Betroffenen weiter fortgeschrieben und die Denkmuster gesellschaftlichen Rassismus bestaerkt werden. Bestes und aktuelles Beispiel hierfuer ist die Stellungnahme von Polizeidirektion(PD)-Chef Paul-Rudolf Maisch zur Verhaftung und Zurschaustellung von drei Afrikanern (Schwaeb. Tagblatt, 23.12.97). In ihr finden sich alle gaengigen Redeweisen wieder, die typisch fuer die offizielle Rechtfertigung rassistischer Polizeipraktiken sind: 1. Figur: Uebergriffe sind stets Einzelfaelle "Mir tut es weh, wenn die gesamte Polizei sofort als rassistisch bezeichnet wird." 2. Figur: Allenfalls wird individuelles Fehlverhalten aufgrund menschlicher Schwaechen, ausbildungsbedingter Defizite und Ueberlastung eingeraeumt: "Auch die beteiligten Beamten wuerden das nun nicht mehr machen." 3. Figur: Schuld an der diskriminierenden Polizeipraxis tragen nicht die Polizisten, sondern die angeblich 'kriminellen Auslaender': "Der Endverbrauchermarkt fuer Kokain und Heroin wird zunehmend von Schwarzafrikanern dominiert." Der Tuebinger Polizeichef rechtfertigt mit grosser Selbstverstaendlichkeit, wie die Polizei bestimmte koerperliche und kulturelle Merkmale zum Ausgangspunkt ihrer Uebergriffe gegen Buerger dieser Stadt macht. Er bestaetigt ganz offiziell: "Eine Kontrolle ist daher nichts Aussergewoehnliches. Allerdings kann es gut sein, dass drei Weisse mit der gleichen Geldmenge und Stueckelung nicht aufgefallen waeren." 'Schwarz und Geld' - das genuegt, um Menschen aufgrund ihres Aussehens zu Kriminellen zu stempeln. Hierin liegt der eigentliche Skandal. In seiner Presseerklaerung (ST, 3.1.98) versucht PD-Chef Maisch, die polizeiliche, von rassistischen Stereotypen gepraegte und damit keineswegs objektive Sichtweise auf den 'Vorfall' als korrekte, sachliche Darstellung zu etablieren: "Bisher war nicht hautnah nachvollziehbar, was passiert ist. Aber ich denke, es wird Zeit, dass wir zur Objektivierung beitragen." Dabei werden die Rollen von Opfern und Taetern verkehrt: Nicht die von polizeilichen 'Uebergriffen' Betroffenen sind die Opfer, sondern die Polizei stilisiert sich in diese Position: "Denn nun ist auch unser Schutzbeduerfnis tangiert." Dagegen gehe, so die Polizei, von den Betroffenen der Uebergriffe allemal eine Bedrohung aus: Das Anlegen von Handschellen heisst nun "Eigensicherung", "Dazu sind sie (die Beamten) sogar verpflichtet". Die Betroffenen werden in Umkehrung der Tatsachen, wie sie von Passanten wahrgenommen wurden, in stereotyper Weise als "sehr agressiv" und irrational dargestellt. Dabei werden abstruse Assoziationen geweckt wie 'Schwarze stopfen sich Geld in die Unterhose'. Nur der 'Rationalitaet' der Polizei haben sie es in dieser Logik zu danken, dass sie ueberhaupt wieder auf freiem Fuss sind. Anstatt seine Erklaerung zu nutzen, um sich angemessen bei den Betroffenen zu entschuldigen, erhebt PD-Chef Maisch weitere Vorwuerfe gegen die in der Oeffentlichkeit namentlich bekannten Verhafteten. Mit der Veroeffentlichung von Interna aus den Tiefen des Polizeicomputers (also gerichtlich nicht ueberpruefte Angaben) versucht er, die Polizei vom Vorwurf des Rassismus freizukaufen und zeigt dabei, dass ihm der Persoenlichkeitsschutz der Betroffenen einen Dreck wert ist. Sein Zoegern und das Eingestaendnis einer teilweisen Verfehlung der beteiligten Beamten koennen darueber nicht hinwegtaeuschen: Aus der Autoritaet seines Amtes heraus legitimiert Maisch die institutionelle Praxis der Polizei und laesst kaltlaechelnd drei Afrikaner ueber die (mediale) Klinge der Diskriminierung springen. Nunmehr kann sich die Oeffentlichkeit aussuchen, wer der Verdaechtige ist. Intiative gegen staatliche und deutsche Gewalt, Tuebingen