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1998

Rubrik
Faschismus
Rassismus
Neue Rechte
 

ARiC-Berlin dokumentiert:

FREIE FAHRT FÜR NEONAZIS
IN ÖFFENTLICHEN VERKEHRSMITTELN ?


Bericht über Erlebnisse während der Fahrt mit der Regionalbahn RB 4627 von
Wittenberge nach Berlin-Charlottenburg am Freitag, d. 24.04.1998 von 16.50
bis 18.25 Uhr.

RB ab Wittenberge 16.50 Uhr.
(K.,A.,X. sind Kürzel für unbekannte Personen.)

...Wir saßen in der unteren Etage am Fenster auf einem Platz in
Fahrtrichtung und konnten das Geschehen im Abteil (Fahrradabteil und
Treppenaufgang zum Obergeschoß) gut beobachten.
In Nauen stiegen viele Jugendliche zu, die zum Teil als Hertha-Fans
erkenntlich waren. Bereits das Einsteigen einer Gruppe von ca. 18 bis 22
Jahre jungen Männern, möchten wir als "Randale" umschreiben. Viele von
ihnen rauchten bereits beim Einsteigen, tranken Bier und trampelten
grölend durch die oberen und unteren Etagen der neuen Doppelstockwagen.
Viele von den "älteren" waren betrunken und betranken sich während der
Fahrt ständig weiter. Die trennende Glastür zwischen den beiden Abteilen
wurde öfter von K. lange aufgehalten, der dabei weiter im Nichtraucher
rauchte und laut grölte. Ein junger Fahrgast S., der mit seinem Fahrrad
eingestiegen war, wurde von einem kurzhaarigen, ich nenne ihn A., sofort
mit den Worten "Türke, Wa?" angeschrien und geohrfeigt. A. torkelte
ständig durch die Gänge und inspizierte die Fahrgäste sehr genau,
offensichtlich auf der Suche nach einem weiteren Opfer. Das fand er dann
in einem anderen jugendlichen blonden Fahrgast X., der später zugestiegen
war. Dieser wurde von einem der Betrunkenen am Kopf verletzt. Auf welche
Art und Weise, haben wir nicht beobachtet. X. wagte es nicht, sich zu
wehren. X. wurde weiterhin von A. mit einem kräftigen Strahl Alkohol
bespuckt. X. wurde später von der Schaffnerin betreut. Die zierliche
Schaffnerin ging mehrmals aufgeregt durch die Abteile, kontrollierte aber
nicht die Fahrausweise der Randalierer. Sie sagte sinngemäß: "Wenn ihr das
Herthaspiel sehen wollt, verhaltet euch ruhig."
In der oberen Etage wurden laut Nazilieder gegrölt, "Heil Hitler"
geschrien und mit Flaschen und brennenden Zigaretten umhergeworfen. K.
entwendete einem anderen Jugendlichen sein Skateboard und knallte damit
gegen die gläserne Abteiltür, die erstaunlicherweise standhielt. Beim
Aussteigen provozierten die Neonazis die Fahrgäste in der Art, daß sie
durch die Bildung einer Mauer die Leute nicht aus- und einsteigen ließen
und auf die Bitte der Fahrgäste, zur Seite zu gehen, diese angepöbelt
wurden. Selbst als in Spandau drei grünuniformierte Beamte zustiegen (sie
waren wohl vom Zugpersonal angefordert worden), provozierten die
Betrunkenen andere, vor allem junge Fahrgäste, weiter. Die drei Beamten
stellten sich auf die Treppe zum Obergeschoß, wohl in der Hoffnung, die
Randalierer "ruhig" zu halten? Es war eine unerträgliche Situation für
alle Fahrgäste!

(Wie uns die drei Polizeibeamten auf dem Bahnsteig Berlin-Charlottenburg
bekannten, waren die meisten der Randalierer bekannte und registrierte
Neonazis aus Stendal! Wenn Hertha um 20.00 Uhr in Berlin ein Spiel
ausrichtet, kann 100%ig damit gerechnet werden, daß ca. 2 Stunden zuvor
und danach in allen Regionalbahnen von und nach Berlin "einschlägige,
besser zuschlagende Kreise" einsteigen werden!)

Wir fragen:

1. Warum stiegen spätestens in Nauen keine Polizeibeamten zu, um die
Sicherheit der Fahrgäste zu gewährleisten?
2. Warum wurden die Randalierer nicht nach gültigen Fahrausweisen
kontrolliert?
3. Seit wann dürfen betrunkene Neonazis, die sich als Herthafans ausgeben,
schwarz fahren?
4. Wer war der verantwortliche Fahrdienstleiter des Zuges?
5. Warum wurden die Randalierer nicht auf einem der Bahnhöfe aus dem Zug
entfernt und die Personalien aufgenommen?
6. Wer war der verantwortliche Einsatzleiter der drei Polizisten?
7. Warum wurden die Randalierer nicht auf dem Bahnhof Charlottenburg
angehalten und konnten weiter randalierend mit der S-Bahn fahren? Eine
Zehnerschaft von behelmten Polizisten marschierte auf dem Bahnsteig im
Gänsemarsch an den Betrunkenen vorbei, ohne sie zu registrieren!
8. Mit welchen Maßnahmen wird die DB in Zukunft Fahrgäste vor solchem Mob
schützen?

E.K., W.F.


Namen und Anschrift der Autoren liegen ARiC-Berlin vor.


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