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1998

Rubrik
Faschismus
Rassismus
Neue Rechte
 

aus: Der Freidenker 2/98

Die Pius-Luege - der Vatikan und der Holocaust
von Emil Carlebach

Deine Rede sei Ja, Ja und Nein, Nein - was darueber ist, ist vom Uebel. Dieses
biblische Gebot kann den Kardinaelen nicht vor Augen gestanden haben, als sie
im Maerz 1998 ihre Erklaerung zum Holocaust veroeffentlichten, die den Vatikan
und insbesondere den Papst Pius XII von der schweren Mitschuld an dem
millionenfachen Judenmord zu entlasten suchte.


Eher dachten sie wohl an den Satz, dass der Zweck die Mittel heilige. Aber es
gelang ihnen nicht: Erfindungen (man koennte auch sagen: Luegen) auf der einen,
Weglassungen (man koennte auch sagen: Unterschlagungen) auf der anderen Seite,
sind hier so eindeutig vermischt, dass sie zumindest eine Frage beantworten -
was die Herren Kardinaele in den 11 (elf!) Jahren getrieben haben, die sie an
diesem Elaborat getueftelt haben.

Fangen wir mit dem Anfang an, einem Anfang, den es bei der Vatikan-Erklaerung
vorsichtshalber gar nicht erst gibt: Der Mann, der sich selbst den Namen Pius
(der Fromme) gab, hiess als Kardinal Pacelli und war Botschafter in Berlin. Bei
ihm holte sich auch der katholische Reichskanzler Heinrich Bruening manchmal
Rat. Und der Rat, es war Anfang der 30er Jahre, lautete:

"Pacelli meinte, ich muesse eben, mit Ruecksicht auf ein Reichskonkordat, eine
Regierung der Rechten bilden. ... Er glaubte, mir wieder eine Einigung mit den
Nazis wuenschen zu muessen." (Bruening, Memoiren, Stuttgart 1970, S. 358 f.)

Rolf Hochhuth, Autor des weltweit bekannten Schauspiels "Der Stellvertreter",
hat die Rede des Frommen No. XII der Vergessenheit entrissen, in der der Herr
des Vatikan und Herrscher ueber Millionen glaeubiger katholischer Gemueter, die
Ausrottung der juedischen Menschen unter Berufung auf Gott "begruendete":

"Jerusalem hat seine (Gottes) Einladung und seine Gnade mit jener starren
Verblendung und jenem hartnaeckigen Undank beantwortet, die es auf dem Wege der
Schuld bis zum Gottesmord gefuehrt hat." (zit.n. Frankfurter Rundschau,
19.3.98)

Wie anders kann eine Gottesmord (!) gesuehnt werden, als durch die Toetung der
"Gottesmoerder"! So konnten sich die guten Schaeflein des roemischen Oberhirten
in Gottes Gnade fuehlen, wenn sie seine "Moerder" nun ihrerseits toeteten. Man
lese einmal das Gebet- und Gesangbuch fuer katholische Soldaten in Hitlers
Wehrmacht, wie da die Jungfrau Maria als "Mutter der Kanonen" angefleht wird,
den deutsch-faschistischen Waffen zum Sieg zu verhelfen. Dieser Sieg wurde
allerdings erfochten durch die Toetung von Zehntausenden, ja Hunderttausenden
polnischen, ukrainischen, franzoesischen, belgischen Katholiken! Auch hier
"heiligte der Zweck die Mittel" - denn der Zweck war: Ausrottung der Juden und
Bolschewisten.

Oh, der Fromme No. XII konnte auch durchgreifen. Im KZ Buchenwald lernte ich
den tschechischen Priester Pater Plojhar kennen, er hatte sich dem
antifaschistischen Kampf angeschlossen. Ihn exkommunizierte Pius XII. Mir ist
keiner der faschistischen Massenmoerder bekannt, den dieser "Fromme"
exkommuniziert haette.

Mit einem Zynismus, der seinesgleichen sucht, beruft sich die vatikanische
Suada auf einzelne Katholiken, die gegen die faschistischen Verbrechen Front
machten - und unterschlaegt, dass der Papst und seine Bischoefe diesen mutigen
Priestern keinerlei Unterstuetzung zukommen liessen! Hoeren wir noch einmal den
Katholiken Bruening ueber die Situation seit 1933:

"Die grosse Masse der einfachen Waehler musste jetzt zu der Ueberzeugung
kommen, dass eine Regierung, die so von den Bischoefen behandelt wurde, die
Sympathie des Apostolischen Stuhles habe. ... Wer den Kampf aufnahm, haette
noch den Makel auf sich genommen, kein guter Katholik zu sein." (Bruening,
a.a.O., S. 664)

Das aenderte sich auch nach 1945 nicht. Der katholische Kaplan Joseph Rossaint,
der als Fuehrer der Katholischen Jugend im Rheinland wegen seines
antifaschistischen Kampfes zehn Jahre Zuchthaus verbuessen musste, wurde auch
nach der Befreiung vom Faschismus von den Bischoefen wie ein Aussaetziger
behandelt, und erhielt keine Pfarre.

Die Gnadensonne des frommen Pius strahlte ueber ganz anderen Maennern. Ein
Bischof wurde eingesetzt, der die Moerder aus SS, Gestapo und KZ mit Geld und
falschen Papieren versorgte, um ihnen die Flucht nach Uebersee zu ermoeglichen.
Hudal war der Name dieses Komplizen der Verbrecher, der durch diplomatische und
geistliche Immunitaet geschuetzt war. Das verlief dann etwa so:

Hier, Herr Eichmann, ist Ihr falscher Pass. Im Namen des Vaters. Und Ihr Visum.
Im Namen des Sohnes. Und ihre Schiffskarte. Im Namen des Heiligen Geistes.

Bleibt noch die Frage: was wurde zwischen Rom und Tel Aviv ausgehandelt, um den
Namen des Papstes und seines Bischofs Hudal aus dem Eichmann-Prozess
herauszuhalten?

Nein, die Fakten, die blutigen Fakten, ueberfuehren die Herren Kardinaele der
Unwahrheit, der dreisten Luege. Die Ausrottung der "heidnischen" Sachsen vor
tausend Jahren, die Vernichtungs-Kreuzzuege gegen die Albigenser und Waldenser
(Christen - die sich aber nicht dem "Frommen" in Rom unterwarfen), die Opfer
der katholischen Bartholomaeusnacht in Frankreich, die Ausrottung der Indios in
Lateinamerika, wo die Missionare des "Frommen" ganze Voelker ausloeschten auf
der Jagd nach Gold und Sklaven - immer "im Namen Gottes" und seines
Stellvertreters auf Erden, das alles fuehrte in gerader Linie zur versuchten
Ausrottung der juedischen "Ketzer" - und, vielfach unterschlagen, der "Ketzer"
der orthodoxen (christlichen!) Kirche auf dem Balkan.

Besonders makaber und heuchlerisch ist die vatikanische Stellungnahme
angesichtes des Geschehens in Kroatien, das schon seinerzeit einmal dank
deutscher Zerschlagung Jugoslawiens zum "Unabhaengigen Staat" wurde, von
Hitlers Gnaden, versteht sich. Und der besonderen Gnade unseres Frommen No.
XII.

Der Ustascha-Fuehrer Ante Pavelic, in Frankreich und Jugoslawien wegen seiner
Morde zum Tode verurteilt, wurde von unserem Frommen mehrfach in feierlicher
Privataudienz empfangen und mit den besten Wuenschen fuer seine "weitere
Arbeit" verabschiedet, die darin bestand, aus Kroatien ein Schlachthaus fuer
Serben, Juden, Sinti und Roma, fuer alle, die keine Katholiken = Kroaten waren,
zu machen. Fuer die Serben hiess das, "ein Drittel muss katholisch werden, ein
Drittel muss das Land verlassen, ein Drittel muss sterben". Fuer Roms
Oberhirten in Kroatien, den Erzbischof Stepinac, war "es jedoch leicht, die
Hand Gottes in diesem Werk zu erkennen". Die katholische Presse jubelte, sah
"das Kroatien Gottes und Marias wiederauferstehen" und feierte Hitler als
"Kreuzfahrer Gottes".

Aber der katholische Klerus beliess es nicht bei seinem Segen, er legte selbst
Hand an.

Die Ustascha selbst wurde in der erzbischoeflichen Residenz in Zagreb
gegruendet. Die Franziskanerkloester dienten als Waffenlager und als
organisatorisches Rueckgrat der faschistischen Bewegung, die dem Erzbischof
unterstehende "Katholische Aktion" der "Kreuzritter" stellte die
Ustascha-Kader.

Franziskaner und Kreuzritter waren Henker in den massenhaft entstehenden
Konzentrationslagern, davon alleine neun Kinder-KZ. Im Vernichtungslager
Jasenovac, wo ueber 200.000 Serben und Juden ermordet wurden, war der
Franziskaner-Pater Filipovic zeitweise KZ-Kommandant, in dieser Zeit
verantwortlich fuer 40.000 Morde.

Auf solche Grosstaten im Namen des Herrn geht die Suada des Vatikan natuerlich
nicht ein, oder sucht sie als "Versagen" zu entschuldigen. Genauso "versagte"
der Vatikan, als er 1944 vor den heranrueckenden Alliierten Ustascha-Gold im
Wert von 200 Millionen Dollar "in Sicherheit" brachte, es zunaechst zur
Fluchthilfe der Ustaschaverbrecher "anlegte", und schliesslich 1990 mit Zins
und Zinseszins als Milliardengeschenk dem dank Deutschland neu erstandenen
"unabhaengigen" Kroatien zurueckzahlte.

Die blutige Traditionslinie der Katholischen Kirche fuehrte folgerichtig zur
Komplizenschaft des Papstes und seines Bischof Hudal bei der kriminellen Hilfe
fuer die Eichmann, Pavelic und Co., nachdem ausgerechnet die "gottlosen"
Rotarmisten diesen Verbrechen der Diener des roemischen Gottes und seines
"Stellvertreters auf Erden" ein Ende gemacht hatten.

"Ecrasez l'Infame!", dieser Appell Voltaires hatte tausend Gruende, schon vor
zweihundert Jahren; um wieviele mehr nach alledem, was die "Frommen" inzwischen
noch auf ihr blutiges Schuldkonto gehaeuft haben.