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1998

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Faschismus
Rassismus
Neue Rechte
Aus: Antifaschistische Nachrichten  9/1998

"Ostdeutsche Kulturförderung" in Nordrhein-Westfalen

Münster. Mindestens 3,4 Millionen DM gaben staatliche Stellen im vergangenen Jahr für »ostdeutsche Kulturförderung« in NRW aus. Dem sog. »Bund der Vertriebenen« (BDV) in NRW, der kürzlich seine Landesversammlung in der Landesstelle Unna-Massen durchführte, ist dies viel zu wenig. Dabei haben die »Vertriebenen« eigentlich keinen Grund zur Klage. »Zahlreiche Kommunen verlassen sich in der Aussiedlerbetreuung auf den Bund der Vertriebenen«, verkündet das BDV-Organ »Deutscher Ostdienst« (DOD 27.3.1998). So leisteten 1997 270 BDV-Betreuer 39.000 Beratungsstunden für Aussiedler in NRW und dürften dabei sicherlich auch das ein oder andere neue Mitglied geworben haben.

Trotz umfangreicher staatlicher Förderung, viele BDV-Kreisverbände erhalten noch zusätzlich Gelder aus den Kassen der Städte und Gemeinden, beklagen die »Vertriebenen« ihre angeblich »zunehmende Ausgrenzung ... aus allen Bereichen des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens« (DOD). Dabei ist es der »Bund der Vertriebenen« selbst, der sich ausgrenzt. So ehrte der BDV-Landesverband NRW auf seiner Hauptversammlung mit dem BDV-Vizepräsidenten Paul Latussek, dem die »Ernst-Moritz-Arndt-Plakette« verliehen wurde, einen Mann, der zu Jahresbeginn zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden des im rechten Fahrwasser befindlichen »Bund Freier Bürger« (BFB) um die Ex-FDP-Funktionäre Brunner und Kappel gewählt wurde. Latussek, auch BDV-Landesvorsitzender in Thüringen griff auch schon für das von Alt-Nazis gegründete neofaschistische Theorieorgan »Nation und Europa« zur Feder und nahm 1997 an einer Veranstaltung der größten neofaschistischen Kulturvereinigung, der »Gesellschaft für freie Publizistik« teil.

Aber man muß nicht bis Thüringen fahren, dem Partnerverband des BDV-Landesverbandes NRW, um Übergänge zwischen dem Revanchismus und dem Neofaschismus auszumachen. Bei der Wahl seines neuen Landesvorstandes wählte die Landesversammlung des BDV in diesem Jahr erneut die Münsteraner BDV-Kreisvorsitzende Roswi-tha Möller in ihr höchstes Gremium. Dort ist Frau Möller für den »Organisationsbereich« zuständig. Was Frau Möller unter Organisationsarbeit versteht, konnte man im letzten Jahr lesen, als eine ominöse »Interessengemeinschaft für die Wiedervereinigung Gesamtdeutschlands« (IWG) zu einer Großdemonstration am 3. Oktober 1998 in Berlin aufrief. Unterzeichnet wurde der Aufruf zur Demonstration, in dem von »Wiedergewinnung« und »Rückgabe« der »alten, urdeutschen Heimat« im Osten und einer »52-jährigen Okkupation Schlesiens, Pommerns und Ostpreußens« die Rede ist, auch von Roswitha Möller. Die BDV-Funktionärin befindet sich dort in bester Gesellschaft. Unterzeichnet wurde der Aufruf u.a. auch von dem Funktionär der neofaschistischen »Deutschen Liga für Volk und Heimat«, Jürgen Schützinger, dem Ex-»Republikaner« Klaus-Peter Seifert und Horst Zaborowski. Letzterer ist Bundesvorsitzender der offen revanchistischen Kleinpartei »Bund für Gesamtdeutschland«, die auch Kontakte zu Neofaschisten unterhält. Zaborowski war bereits 1996 Gast auf der Jahreshauptversammlung des BDV-Kreisverbandes von Frau Möller und hielt dort eine Rede.

In der Aprilausgabe der »Deutschen Umschau«, der Monatszeitung des mit staatlichen Mitteln unterstützten »Bund der Vertrieben« in NRW, ist Frau Möller gleich mit zwei Anzeigen vertreten. In einem mit Balkenkreuz versehenen Aufruf bezeichnet Möller die Ausstellung »Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944« als ein »öffentliches Ärgernis«. Die Ausstellung diene der »Verunglimpfung und Verhöhnung derer, die guten Glaubens und Gewissens gekämpft haben«, so Möller. Unsere »Männer, Väter und Großväter« waren »keine Verbrecher«, so die BDV-Aktivistin. Gleich daneben hat Frau Möller eine Anzeige für ihren seit März 1945 vermißten Vater, den Wehrmachts-Oberleutnant Marzian, geschaltet.

Eingeleitet wird diese mit einem Zitat aus einem schwülstigen Gedicht von Dieter Vollmer. Vollmer, 1913 in Hamburg geboren, war während des Naziregimes »Abteilungsleiter für Jugendarbeit« in der rassistischen »Nordischen Gesellschaft« und deren Verbindungsmann zu den Ämtern der NS-Reichsjugendführung. In den 50er und 60er Jahren schrieb Vollmer im neofaschistischen Theorieorgan »Nation Europa«, in den 70er Jahren u.a. für das NPD-Blatt »Deutsche Nachrichten«. Noch Anfang der 90er Jahre gehörte Vollmer dem Vorstand des neofaschistischen »Nordischen Ring« an und verfaßte Beiträge z.B. über »Artenschutz und Artbewußtsein« für die Zeitschrift »Deutschland in Geschichte und Gegenwart«, die von dem einschlägig bekannten »Grabert-Verlag« herausgegeben wurde. Soviel zur Organisationsarbeit der BDV-Funktionärin Roswitha Möller.

In diesem Jahr wird die »ostdeutsche Kulturförderung« im »rot«-grün regierten NRW um lediglich 10 % gekürzt. Der BDV bezeichnet dies zwar als den »Einstieg in den endgültigen Ausstieg« aus der staatlichen Förderung, doch davon kann kaum die Rede sein.

Damit es jedoch dazu kommt, werden die Antifaschistinnen und Antifaschisten in NRW die Forderung nach ersatzloser Streichung aller öffentlichen Mittel für revanchistische Politik wieder verstärkt auf die Tagesordnung setzen müssen. Ein Ziel, für das es sich zu streiten lohnt.

hma