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1998
Rubrik
Faschismus
Rassismus
Neue Rechte |
16.
mai findet in wien wieder einmal ein burschenschafterkommers statt.
diesmal im andenken an die 1848er revolution.
das buendnis antinationaler gruppen (bang!) hat dazu eine
gegenveranstaltung geplant:
KATZENMUSIK GEGEN STAAT UND PATRIARCHAT!
Antifaschistisches RAVEolutionaeres Ringspektakel
Treffpunkt: 18h Rampe vor der Uni Wien, Karl Lueger Ring 1
Spektakel: 19h Heldentor am Ring (vor der Hofburg, wo der Kommers stattfinden wird) um
21h: Spaziergang vorbei an den Burschenschafter-Buden
mehr infos auch unter: http://bang.oeh.net mail: bang@oeh.net,
mail: BANG!, c/o OEH GRUWI, PF 101, 1096 WienDer text vom flugi:
Wider das gegenrevolutionäre Übel
Die Methode hat System: Faschisten nennen sich Arbeiterpartei und Diktatoren Demokraten,
große Männer geben sich als Anwälte der "kleinen Leute" und Patriarchen
engagiert in Sachen Frauenrechte, Staatsrassisten reden von Menschenrechten und
Reaktionäre machen auf Revolutionäre.
Gerade Jubiläen bilden willkommene Anlässe für derartige ideologische
Selbstdarstellungen. 1998 haben wir es mit einer derartigen Gelegenheit zu
tun: Die rechten bis rechtsextremen Burschenschaften samt dazugehörender freiheitlicher
Partei feiern sich als Erben der Revolution von 1848. Die Selbstverständlichkeit, mit
welcher die Inszenierung über die Bühne geht, wollen wir - AntifaschistInnen aus
unterschiedlichen Zusammenhängen - nicht hinnehmen. Als Bündnis antinationaler Gruppen
(BANG!) haben wir daher vor einiger Zeit damit begonnen, Interventions- und
Widerstandsmöglichlichkeiten auszuloten. Dabei geht es uns nicht darum, mit den
JubilarInnen um das richtige Geschichtsbild zu streiten. Propaganda ist nicht widerlegbar,
sie kann höchstens eingedämmt werden.
Gegen den Kommers!
Am 16. Mai wollen sich auf Einladung der zur "ARGE 1848"
zusammengeschlossenen national-freiheitlichen Studentenverbindungen
schmissige Germanomanen aus allen deutschen Gauen in der Wiener Hofburg versammeln. Auf
einem "Revolutions-Kommers", der nur den Höhepunkt burschenschaftlicher
Aktivitäten in diesem Gedenkjahr darstellt, werden sich honorige "Alte Herren"
aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gemeinsam mit ihren Söhnen und Nachfahren im
Geiste als Erben des bürgerlichen und deutschnationalen Aufstandes von 1848 abfeiern. Als
Gäste willkommen: Gattinnen und Töchter.
Warum präsentieren sich ausgerechnet Rechtsextremisten, Reaktionäre und Sozialdemagogen
so vehement als "48er", als Nachkommen der Vorkämpfer für demokratische,
bürgerliche Freiheiten? Zum einen gehorcht der Rückgriff auf die liberalen Regungen des
Bürgertums der notwendigen Selbststilisierung als Demokraten. Bei den Deutschnationalen
fällt diese deswegen so heftig aus, weil rund 80 Jahre später mit der NSDAP nicht gerade
eine Gralshüterin der Demokratie dieses Milieu fast vollständig aufgesogen hat. Das
burschenschaftliche Gedenken an 1848 stellt also den Versuch dar, die eigene Geschichte
vom Makel des Nationalsozialismus zu befreien. Gleichzeitig erlaubt es der
nationalistische Charakter des Aufstandes, im Andenken an 1848 die großdeutsche Idee zum
Ausdruck zu bringen. Während etwa die Wiener Burschenschaft Bruna Sudetia noch 1971 vom
"Anschluß" als Verwirklichung des "Traum(es) der Deutschen Burschenschaft
vom großen Reiche aller Deutschen" schrieb, übt mann sich heute in taktischer
Zurückhaltung. Die 38er feiern sich als 48er und der Pangermanismus gibt sich
demokratisch.
Etwa bei Andreas Mölzer, wenn er schreibt: "Das Parlament in der Frankfurter
Paulskirche war das einzige, frei gewählte gesamtdeutsche Parlament der Geschichte, bis
1848 und seit 1848."
Im permanenten Vergleich von Metternichscher Diktatur und NS- Verbotsgesetz,
Verhetzungsparagraphen, Anschlußverbot und "politisch- korrektem Tugendterror"
liegt eine weitere Besonderheit der national- freiheitlichen 1848er-Rezeption. Im Verweis
auf die mangelnde "Freiheit der Wissenschaft" beklagen sich Rassisten, daß sie
nicht mehr Schädel vermessen dürfen, Holocaustleugner, daß sie mit ihren
"Erkenntnissen" hinterm Berg halten müssen. Hetzer geben sich als Gehetzte,
Meinungsführer als Oppositionelle - Täter als Opfer eben. Die rechtsextreme Behauptung
einer "linken Meinungsführerschaft" ist zwar angesichts etwa der rassistischen
"Ausländergesetze" perfid, sie hat dennoch System.
Nationaler "Sozialismus"
Ähnliches gilt für die Selbstdarstellung freiheitlicher Kader als "Anwälte
der kleinen Leute". Der Wiener FPÖ-Chef und Burschenschafter Pawkowicz griff dabei
schon am "Millieniums-Kommers" auf 1848 zurück: Damals hätten
"national-freiheitliche Intellektuelle und Arbeiter gemeinsam gekämpft." In
Wahrheit war - von einer kleinen radikaldemokratischen, kommunistischen Minderheit
abgesehen - davon wenig zu merken. Sobald vom Kaiser (dessen Enthauptung in Österreich
nie auf der Tagesordnung stand!) das Versprechen einer Verfassung und der Gewährung
bürgerlicher Freiheitsrechte gegeben worden war und ein Weitertreiben der politischen zur
sozialen Revolution drohte, war von einem gemeinsamen Kampf nicht mehr viel zu merken. Das
ohnehin stets untertänige Bürgertum (und kurz darauf ein Großteil der
revoltierenden Studenten) schloß angesichts der aufkommenden
ArbeiterInnenbewegung rasch einen Kompromiß mit der alten Herrschaft. Als etwa die
"Nationalgarde", aufgestellt zum Schutz des Eigentums, im August 1848
revoltierende Wiener ArbeiterInnen niedermetzelte, stand die
"Akademische Legion" in abwartender Neutralität abseits. Die Mehrzahl der
Studenten hatte damals wichtigeres zu tun: die Einigung eines großdeutschen Reiches. Dort
wo die soziale Frage gestellt wurde, propagierten sie volksgemeinschaftliche, ständische
Lösungen. Der romantische Antikapitalismus der Burschenschaften kann höchstens als
Ressentiment gegen die Moderne bezeichnet werden. Und als solches war und ist er
durchsetzt von Antisemitismus.
Burschenschaften: Wegbereiter des Faschismus
Auch vom Makel Auschwitz will mann sich im ideologischen Rückgriff auf
bürgerliche Emanzipationsforderungen befreien. Da den deutschnationalen
Korporationen, die in Österreich seit dem Ende der 1850er Jahre aktiv sind, eine
herausragende Rolle im organisierten Antisemitismus zukommt, sind sie angehalten, sich als
Vorkämpfer für die politische Gleichberechtigung unabhängig von der Konfession
darzustellen. Daß die bürgerlichen Revolutionäre, die für die Emanzipation der Juden
stritten, gerade nicht in burschenschaftlicher Tradition stehen, wird dabei naturgemäß
verschwiegen.
Denn die Burschenschaften wurden gegründet als Reaktion gegen Aufklärung und
französische Revolutionsimporte. Die Frontstellung gegen die Emanzipationsforderungen der
Juden, ArbeiterInnen und Frauen zieht sich wie ein brauner Faden durch die Geschichte der
Korporationen.
In den antinapoleonischen "Befreiungskriegen" (1813-15), in welchen sich der
deutsche, völkische Nationalismus ausbildete, verteidigten die Untertanen die alte
Ordnung gegen die französische "Fremdherrschaft". Neben dem Christen- bzw.
Gottkaisertum stellte die auf Jahn und Arndt zurückgehende völkische Ideologie jenen
Kitt dar, der das antizivilisatorische Bündnis aus Fürsten und (vor allem bäuerlichen)
Massen zusammenhielt. Die unter französischer Herrschaft aus dem Ghetto befreiten Juden
und Jüdinnen wurden als fünfte Kolonne Frankreichs identifiziert. Die aufkommende
deutsche Idee
vom Einheitsstaat, der nicht als Nation politisch hergestellt, sondern einer
natürlichen Wesenheit "Volk" erwachse, war von Anfang an verbunden mit der
Abgrenzung von Feinden: im inneren die Juden und Jüdinnen, im äußeren Frankreich, wobei
die Grenzen verschwammen. Gleichzeitig erwuchs insbesondere unter der akademischen Jugend
aus der enttäuschten Hoffnung auf staatliche Einigung des deutschen "Volkes"
nach 1815 jenes rebellische Ressentiment gegen die adelige Obrigkeit, das bis heute mit
revolutionärem Freiheitsdrang verwechselt wird. Diese kollektive Enttäuschung der
Studenten, die in "Freikorps" gegen die französischen Truppen gezogen waren und
sich danach in Burschenschaften organisierten, verschaffte sich 1817 am Wartburgfest
erstmals Luft. Das Treffen im Andenken an die Schlacht bei Leipzig und die Lutherische
Reformation gipfelte in der ersten deutschen Bücherverbrennung. Bei dieser kommt die
spezifische Verbindung von romantischem Freiheitsdrang, nationalem Einigungswunsch und
völkischem
Reinheitswahn zum Ausdruck. Denn verbrannt wurden nicht nur Symbole und Schriften der
verhaßten Diktatur, sondern auch bürgerlich-liberale Schriften und Saul Aschers
"Germanomanie". Als die Burschenschafter die Schrift, mit welcher Ascher vor dem
Wüten der Völkischen warnte, ins Feuer warfen, riefen sie: "Wehe über die Juden,
so da festhalten an ihrem Judentum und wollen über unser Volkstum und Deutschtum
schmähen und spotten." Geradezu mit prophetischem Weitblick warnte Heinrich Heine
angesichts dieser symbolischen Ermordung: "Dies war ein Vorspiel nur; dort wo man
Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen." Mehrheitlich war die frühe
Burschenschafterbewegung also geprägt von militanten Abwehrhaltungen gegenüber
bürgerlichen Emanzipationsforderungen, die als "undeutsch"
("französisch" oder "jüdisch") denunziert und mit romantischen
Vorstellungen der ständisch strukturierten, christlich-patriarchalen
"Volksgemeinschaft" kontrastiert wurden. Heine gehörte zu den wenigen, welche
die deutsche Fusion von nationaler Revolution und antisemitischem Pogrom früh erkannten.
Schon 1823 schrieb er, daß er überall ein Revolutionär wäre, nur nicht in
Deutschland, wo bei deren Sieg "einige tausend jüdische Hälse" abgeschnitten
werden würden.
Entgegen aller korporierten Legenden war der Antisemitismus von Anfang an fixer
Bestandteil burschenschaftlicher Agitation. Ausgehend von der
Denunziation der Juden als feige und waffen- bzw. wehrunfähig wurde ihnen die
Satisfaktionsfähigkeit abgesprochen. Bereits die 1815 gegründete Jenaer Urburschenschaft
nahm in ihre Verfassung den Passus auf, daß "nur ein Deutscher und Christ"
Mitglied werden dürfe. Bei der Vereinigung der bereits bestehenden Burschenschaften
stritt mann 1818 um den "Arierparagraphen".
Dieser fand 1820 beim geheimen Burschentag in Dresden eine Mehrheit, wobei sich zunächst
nicht alle Burschenschaften an diesen Beschluß hielten. Daß er 1831 wieder
zurückgenommen wurde, ist Ausdruck einer Kräfteverschiebung.
Denn neben der völkischen Gruppe existierten tatsächlich demokratisch-
jakobinische Positionen. Diese erhielten unter dem Eindruck der Pariser
Julirevolution von 1830 Aufwind. Jahn und seine Germanomanen sahen darin zurecht ein
Abrücken von den Idealen der Urburschenschaft. Sie wetterten gegen die
"Verjudung" und "Verwälschung" der Bewegung, die am Vorabend der 48er
Revolution tief gespalten war.
Nach dem Scheitern der Revolution, das gleichbedeutend ist mit der
endgültigen Niederlage demokratischer Positionen innerhalb der
Burschenschaften, gewann die völkische Richtung, die 1848 im Abseits war, wieder
Oberhand. Nun stimmte mann ein in den Chor der Reaktion, welche die Revolution von Anfang
an als "jüdisch" denunziert hatte.
Kaderschmiede für ein "Herrenvolk von Untertanen"
Daß das Scheitern der bürgerlichen Revolutionen in Deutschland und
Österreich in ursächlichem Verhältnis zum Aufkommen des Faschismus steht, wurde oft
betont. Daß aber gerade die selbsternannten Erben der 48er Revolutionäre auch in
struktureller Hinsicht hier vorbereitend wirkten, ist weniger bekannt.
Im nun gebildeten Bündnis zwischen Bürgertum und Adel kam den Korporationen
zentrale Bedeutung zu: Sie stellten jenen sozialen Ort dar, in welchem die
angehenden Eliten ausgebildet wurden. Über die Burschenschaften (und das
Militär) konnten Bürger Angehörige der besseren, satisfaktionsfähigen
Gesellschaft werden. In einer Unmenge von starren Riten, einem klar
festgelegten System von Über- und Unterordnung, paramilitärischen und
gewaltförmigen Handlungen (wie der "Mensur") wurde in dieser "Schule der
Nation" jene autoritäre Charakterstruktur zukünftiger Mörder und
Schreibtischtäter ausgebildet, die Norbert Elias als "menschlichen Habitus
ohne Mitleid" bezeichnete. Die völkische Ideologie verband sich hier mit dem
soldatischen Männerbild zur umfassenden Weltanschauung, die sich gegenüber allem als
"schwach" und "minderwertig" Identifizierten mit Verachtung abhob.
Das militärische Ich des Männerbundes, definiert durch Sekundärtugenden wie Härte,
Gehorsam, Wehr- und Ehrhaftigkeit, kontrastiert mit "Verweichlichung",
"Verweiblichung" und "Verjudung", war also auch strukturell mit
Demokratisierung und Emanzipation unvereinbar.
Ab den 1870er Jahren erfuhr die antiemanzipatorische Ideologie der
Burschenschaften eine Radikalisierung. Dies betrifft vor allem den
Antisemitismus: Eine nach der anderen Verbindung stellte sich auf den
"Rassestandpunkt" und führte Jahrzehnte vor den "Nürnberger
Rassegesetzen" der Nazis "Arierparagraphen" ein. In Österreich waren am
Ende des Jahrhunderts alle Burschenschaften "judenrein". Auch auf den
Hochschulen kämpften die Burschenschaften für die Durchsetzung ihrer antisemitischen
Prinzipien und forderten einen Numerus Clausus für jüdische HörerInnen. Fast täglich
griffen sie unter dem duldenden Auge weiter Teile der Professorenschaft die "Feinde
des Deutschtums" (i.e. jüdische, ausländische und marxistische Studenten) an und
versuchten, sie von der Universität zu vertreiben.
Gleichzeitig erfolgte zur Jahrhundertwende, als Frauen auf die Universitäten
und in den Staat drängten, eine offensive Deutung der männerbündischen
Praxis über die Grenzen der Korporationen hinaus. Die Männerbundideologie als
theoretische Vornewegverteidigung patriarchalen Besitzstandes setzte Staat mit
Männlichkeit gleich. In zahllosen antifeministischen Schriften wurde der
"Nachweis" erbracht, daß es die Männer sind, die mit einem
"Geselligkeitstrieb" ausgestattet sind und daher als einzige gesellschaftliche
bzw. staatliche Ordnungen begründen können. Frauen wurde hier ein "Familien-"
oder "Geschlechtstrieb" attestiert, welcher nur zur Ausbildung
verwandtschaftlicher Gemeinschaften ausreiche. Neben den Juden, von denen ebenfalls
behauptet wurde, sie wären nicht zur Staatsbildung (i.e. Männerbundbildung) fähig,
wurde so eine zweite gesellschaftliche Gruppe aus dem öffentlich-politischen Leben
ausgeschlossen. Bis 1918 stemmten sich die Korporationen vehement gegen Demokratisierung
und die sozialen Forderungen der ArbeiterInnenbewegung. Danach wurden sie neben anderen
(soldatischen) Männerbünden zur gelebten Antithese des demokratischen Staates, der als
"Herrschaft der Minderwertigen" denunziert wurde. Auch unmittelbar politisch
standen die Korporationen an der Wiege der republikfeindlichen Kräfte in der Ersten
Republik. An der Niederschlagung der Rätebewegung waren sie genauso
führend beteiligt wie am Kapp-Putsch und an Hitlers "Marsch auf die
Feldherrenhalle" in München. Der Nationalsozialismus hat gerade in
Österreich personell wie ideologisch seinen Ausgang von den Universitäten.
Der "Anschluß" von 1938 wurde hier schon in den späten 20er Jahren
vollzogen.
Männerbünde zerschlagen!
Wenn wir heute gegen das burschenschaftliche Unwesen mobilisieren, dann tun wir dies nicht
nur aufgrund der rechtsextremen Traditionen, die den "Bruch" von 1945 beinahe
unbeschadet überstanden haben, sondern auch angesichts der sozialen und
HERRschaftsstabilisierenden Funktion, welche Korporationen als männliche
Solidargemeinschaften zukommt. Nicht nur die deutschnationalen Verbindungen bilden
Seilschaften in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft und organisieren im Alltag den
Ausschluß von Frauen. Strukturell wie inhaltlich stehen alle Studentverbindungen
exemplarisch für Antifeminismus und Frauenfeindlichkeit. Sie kultivieren bis heute ein
gewaltförmiges, elitäres
Denken, das auf Kategorien wie "Stärke" und "Durchsetzungsvermögen"
basiert.
Daneben betreiben sie über die Grenzen des Männderbundes hinaus eine
Militarisierung der Gesellschaft. So wie wir unsere Aufmerksamkeit aber auch auf
informelle Männerbünde lenken sollten, dürfen wir unsere Oppositon gegen den nationalen
Wahn nicht verkürzen: Der Kampf gegen das völkische Prinzip verleitet, die historische
Alternative (die Nation als politische Gemeinschaft der Staatsbürger) hochzuhalten.
Zunächst basiert auch sie auf einem Mythos: Statt der gemeinsamen Abstammung wird hier
die Gleichheit behauptet. Als Ideologie des kapitalistischen Marktes meint Gleichheit die
Vergleichbarkeit von Warenbesitzern. Dieses Nationsverständnis der bürgerlichen
Revolution hat daneben den Ausschluß der Frauen vorausgesetzt. Als Staatsbürger und
Rechtssubjekte galten nur Männer, die einzig zu Trägern der damit verbunden
Rechte wurden. Dahinter steht die Trennung des Lebens in eine private und
eine öffentliche, politische Sphäre und - damit verbunden - die Zuordnung
der Geschlechter. Frauen hatten sich auf das Private zu beschränken, während Männer als
öffentlich-politische Akteure die Nation oder den Staat bildeten.
Die Aufnahme der Frauen in den Staat wurde in jahrzehntelangen
Auseinandersetzungen erkämpft. Doch auch der formaldemokratische Sozialstaat ist nicht
geschlechtsneutral, wie das die modernen Patriarchen dauernd von sich behaupten. Jenseits
dem Andauern männerbündischer Politikformen und männlicher Dominanz in den staatlichen
(ideologischen wie Repressions-) Apparaten stellt er jene Form dar, in welcher die soziale
Ungleichheit der Geschlechter verwaltet wird. Gleich der politischen Ungleichheit beruht
auch diese auf der Trennung und Hierarchisierung der beiden Sphären Für uns stellt die
Nation (samt der dazugehörenden "Identität") keinen leeren Begriff dar, der
mit fortschrittlichen Inhalten gefüllt und gegen die Rechte gewendet werden könnte. Die
nationale Rede ist vielmehr jene beliebte ideologische Form, in welcher das Schweigen
über Geschlechter- und Klassenunterdrückung organisiert wird. Sie harmonisiert die
Gegensätze im Inneren und schafft einen neuen - das Ausland bzw. die "Fremden".
Das Gerede vom "linken" Nationalismus ist ein Widerspruch in sich: Links, so wie
wir es verstehen, meint Kampf gegen Staat und Patriarchat, Nation(alismus) stabilisiert
beide Herrschaftsformen.
Darum: Die Nation, ob österreichisch, deutsch oder sonstwie
genannt, überlassen wir der Rechten. Die Linke ist antinational, oder sie ist keine.
PS: 16. Mai 1998, 18 Uhr, Uni-Rampe: Auftakt zum raveolutionären
antifaschistischen Ringspektaktel |