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Rubrik Faschismus Rassismus Neue Rechte |
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Aus CONTRASTE Nr. 162:
OSTE
TALENTE
Hoch im Norden - Ein Tauschring macht Schlagzeilen
Gerade ein Jahr war er alt und hatte doch schon etwas erreicht,
was den anderen gut 150 Tauschringen in der Bundesrepublik bisher versagt
geblieben ist: bundesweite Schlagzeilen. Doch stolz darauf waren die
Mitglieder des Tauschringes Oste Talente (TOSTA) nicht, denn es handelte
sich um ausgesprochene Negativschlagzeilen, die die Hauptinitiatoren
der Gruppe, Alfred H. Beyer und seine Frau Sigrid aus Osten, in Verbindung
mit der extremen Rechten brachten.
Volkmar Wölk - Am 18. August 1997 gab es, veranlaßt
durch die Aussagen dreier bisheriger Mitglieder des Tauschrings, die ersten
kritischen Berichte in der Lokalpresse. Dem größten Teil der
Mitglieder waren die Vorwürfe offenkundig gleichgültig, denn zu
einer Mitgliederversammlung, bei der diese zur Sprache kommen sollten,
erschienen lediglich fünfzehn der rund 80 Mitglieder. Diese allerdings
positionierten sich eindeutig: mit übergroßer Mehrheit wurde der
letzte verbliebene der drei Kritiker ausgeschlossen, in Leserbriefen
bekundeten Mitglieder der Kerngruppe - des faktischen Vorstandes -
lautstark ihre Solidarität mit dem Ehepaar Beyer.
Besonders Uwe Groß, ehemaliger Kreisvorsitzender der Grünen
in Cuxhaven, der auch als Internet-Kontaktadresse für den TOSTA dient,
stellte sich immer wieder schützend vor Alfred Beyer. Einerseits bestätigte
er die Vorwürfe, indem er zugab, er selbst habe »von Alfred auf
persönlicher Ebene Artikel der Deutschlandbewegung und über die
umstrittene Wehrmachtsausstellung erhalten«, beteuerte andererseits
aber gleichzeitig, dies habe nichts mit dem Tauschring zu tun. Die Bösen
sind für ihn die Kritiker. Sie hätten unbefugt Mitgliederlisten
mißbraucht, um persönliche politische Meinungen zu verbreiten -
ihre Vorwürfe gegen Beyer nämlich. Einmal davon abgesehen, daß
der Grünen-Funktionär mit dem Adjektiv »umstritten« für
die Ausstellung »Vernichtungskrieg« des Reemtsma-Instituts
die sprachlichen Vorgaben der extremen Rechten übernimmt, begibt er
sich auch in Punkto Datenschutz auf sehr dünnes Eis. Einerseits nämlich
waren Guthaben und Miese innerhalb des Tauschringes über die eigene
»Marktzeitung« für jeden einsehbar (so als ob eine Bank die
aktuellen Kontostände der Kunden ins Schaufenster hängt),
andererseits war »aus Datenschutzgründen« (so Sigrid Beyer)
die Öffentlichkeit bei jener Sitzung ausgeschlossen, bei der über
die neofaschistischen Verbindungen der Beyers gesprochen werden sollte
und statt dessen der letzte Kritiker ausgeschlossen wurde.
Stutzig war ein Mitglied geworden, als sie im Mai von Alfred Beyer,
einem Bauingenieur und ehemaligen Lufthansa-Beschäftigten, gebeten
wurde, per Computer ein Logo für die Deutschland-Bewegung zu
entwerfen. Sie habe zwar »Igel im Bauch« gehabt, diesem
Wunsch aber letztlich entsprochen. Erst später habe sie erfahren, was
sich hinter der Deutschland-Bewegung des »Nationalpazifisten«
Alfred Mechtersheimer verberge.
Ein weiteres Mitglied interessierte sich für einen von Beyer
angebotenen Nietzsche-Arbeitskreis. Als Einführungsmaterial erhielt
sie das Buch »Neues Licht über Zarathustra« des Franzosen
Robert Dun. Schnell erkannte sie: Das Buch ist »rassistisch,
undemokratisch und frauenfeindlich«. Ihre folgenden Recherchen
ergaben: Dun ist ehemaliger Waffen-SSler, Funktionär in mehreren
neuheidnisch-faschistischen Gruppierungen und »Ritterorden« sowie
Autor in zahlreichen einschlägigen Zeitschriften. Pierre Vial, langjähriger
Spitzenfunktionär des GRECE, bezeichnet ihn als »sicheren Weg-
und Kampfgefährten«. Der deutsche Herausgeber der Schrift, die
Tempelhofgesellschaft des ehemaligen Polizisten und langjährigen
neofaschistischen Aktivisten Hans-Günter Fröhlich (Bad Homburg),
fordert zu dem Band ausdrücklich: »Nur zu Studienzwecken! Nur zur
alleinigen Kenntnis des Beziehers!« Vorsichtshalber ist jeder Band
nummeriert.
Ein dritter Kritiker wiederum hatte sich Beyers Aphorismenband »Geld
ist Macht - macht nichts« angeschaut, den dieser unter dem Pseudonym
Wieland von Steindorf (In diesen Kreisen geben die Decknamen fast
immer eine adlige Herkunft vor. Man ist schließlich die Elite!) veröffentlicht
hatte, und dort jede Menge »rechtschauvinistische Sprüche«
gefunden. Ein weiteres Mitglied schließlich gab an, Beyer auf dessen
Wunsch in die Lüneburger Heide zu einem Treffen des neofaschistischen
und heidnischen Bund der Goden gefahren zu haben, wo als einer der
Referenten der Terrorist Manfred Roeder auftrat. Aber was ist daran schon
schlimm? Der referiert ja schließlich auch bei der Führungsakademie
der Bundeswehr! Zu allem Überfluß wurde dann auch noch bekannt,
daß die Witwe des Neonazis Edgar Geiss, Lilo, unter ihrem
Geburtsnamen in der Mitgliedsliste geführt wurde.
Für die Kerngruppe des Tauschrings waren all diese Vorwürfe
belanglos. Die Lokalpresse wurde mit Leserbriefen bombardiert. »An den
Haaren herbeigezogen« sei das alles. »Wir denken, daß es
unzählbare Menschen sind, denen er geholfen hat. (...) Aber von
Rechtsradikalität kann keine Rede sein, nur weil man an eine
bessere Welt glaubt ohne Umweltgifte, ohne Krieg, ohne Negativem.« Man
habe Beyer als »einen tiefsinnigen, eigenwilligen Zeitgenossen«
kennengelernt, »dem es ein Anliegen ist, Menschen immer wieder zum
Nachdenken zu bewegen.« Auf den Inhalt der Vorwürfe wurde durch
Beyers UnterstützerInnen, allesamt aus dem grün-alternativen
Spektrum stammend, mit keiner Silbe eingegangen. Beyer selbst führte
die gesamte Auseinandersetzung in einer ersten Stellungnahme auf rein
materielle Angelegenheiten zurück. Der eigentliche Anlaß seien
Differenzen um Abrechnungsmodalitäten im Tauschring. Die Vorwürfe
seien eine »Sauerei« und grenzten an »Rufmord«, das
Ehepaar überlege sich juristische Schritte.
Nahezu ein Vierteljahr wogte die Auseinandersetzung auf regionaler
Ebene hin und her. Dann begannen auch die überregionalen Medien, sich
für die Vorgänge hoch im Norden zu interessieren. Nicht nur »Spiegel«
und »Fakt« (MDR), sondern auch die ARD-»Tagesthemen«
kamen zu eindeutigen Einschätzungen: »Der Hemmoorer Tauschring
ist keine rechtsextreme Organisation, aber für die Verbreitung dieses
Gedankenguts ist er geschickt mißbraucht worden.« Dies war
auch das Ergebnis einer Veranstaltung der örtlichen Grünen zum
Thema, die das Klima vor Ort endgültig zum Kippen brachte, da die
vorgelegten Fakten zu eindeutig waren.
Beyer war mit Ehefrau Sigrid ebenfalls dort aufgetaucht. Im Gegensatz
zu seinen grün-alternativen VerteidigerInnen, die der
Informationsveranstaltung ihrer ParteifreundInnen lieber fernblieben. Und
Beyer tat sein möglichstes, die Berechtigung der Vorwürfe zu
belegen. Hatte er im Vorfeld noch behauptet, sich für
Mechtersheimers Deutschland-Bewegung lediglich »einmal interessiert«
zu haben, so gestand er jetzt ein, im Oktober bei deren Wartburgfest in
Eisenach zum Thema Tauschringe referiert zu haben. Der Posten eines
Regionalbeauftragten für das Weser-Ems-Gebiet sei ihm »einmal
angetragen« worden. Zu dem Vorhalt, daß nicht irgendein Mensch,
der mit der Bewegung nichts zu tun hat, oder ein beliebiges Mitglied
mit einem solchen Amt betraut wird, schwieg er lieber. Den alten Ökofaschisten
Baldur Springmann bezeichnete er offen als »meinen Freund«. Zu
ihm hat er bereits seit den achtziger Jahren nachweisbare Kontakte. Er
mag es auch gewesen sein, der Beyers Vortrag über »positives
Denken« beim Bundestreffen der Unabhängigen Ökologen
Deutschlands in Hildesheim 1994 vermittelt hat.
Den gleichen Vortrag hielt er dann wegen des großen Erfolgs
auch bei der Hetendorfer Tagungswoche des Vereinsklüngels um den
Hamburger Neo-Nazianwalt Jürgen Rieger. Auch der ist schließlich
ein alter Bekannter. Sigrid Beyer gehörte nämlich ebenso wie ihr
geschiedener Ehemann Gerd Rothe lange Jahre der heidnischen Artgemeinschaft
an, die durch Rieger geführt wird. Bei einem weiteren von Riegers
Vereinen, der rassistischen Gesellschaft für biologische
Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung, trat sie in den 80er
Jahren als Referentin auf. Daß Sigrid Rothe nicht nur Riegers
heidnische Ansichten teilt sondern auch die geschichtsrevisionistischen,
unterstrich sie gegenüber einer Lokalzeitung und auch direkt nach der
Veranstaltung der Grünen. Man müsse sich mit dem Revisionismus
auseinandersetzen, so Sigrid Beyer. Ihr Tip: »Schauen Sie mal ins
Internet. Da gibt es viele Sachen, die genau das Gegenteil sagen.«
Eines kann man den Beyers sicherlich nicht vorwerfen: daß sie
damit hinter dem Berg gehalten hätten, was für sie die
eigentliche ideologische Grundlage des Tauschrings sein sollte. Das Denken
des Sozialdarwinisten und Eugenik-Befürworters Silvio Gesell nämlich.
Zu den ersten Veranstaltungen des Tauschrings gehörte nämlich
eine, bei der Gesells Denken ausführlich dargestellt wurde. Sigrid
Beyer beklagte sich anschließend bitterlich über die geringe
Beteiligung.
Es hätte eigentlich auch auffallen können, daß in das
Logo des »Tosta« eine Hagal-Rune eingebaut worden war. Diese Rune
symbolisiert in heidnischen Kreisen den Lauf der Sonne während des
Jahres, den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen. So wie in einem
Tauschring Nehmen und Geben sich auf Dauer wieder ausgleichen. In der
Vergangenheit war die Hagal-Rune sowohl das Abzeichen der 6. Waffen-SS
Gebirgsdivision »Nord« als auch der heidnischen Nordischen
Glaubensbewegung gewesen.
Beyer hatte das Kennzeichen nicht extra für den Tauschring
entwerfen müssen. Er hatte es einfach vom Burgenring - Europäischer
Kulturkreis in Stadt und Land e.V. übernommen, einem Verein, den er
von Ende 1982 bis zur Auflösung Mitte 1987 geleitet hatte. Bereits
damals war auch seine heutige Frau Sigrid mit dabei. Zielsetzung der Gruppe
laut Satzung: »Es soll gleichgesinnten Menschen die Möglichkeit
geboten werden, sich durch freiwillige, sinnvolle Aufbauarbeit wieder
in die Naturabläufe einzugliedern. Dadurch soll der bedrängten
Natur geholfen und auch dem Menschen die Möglichkeit verschafft
werden, an Körper, Geist und Seele zu gesunden.« Geplant in
diesem Zusammenhang war auch die Gründung einer »Lebensschule für
Jedermann«. Schon in diesem Verein gab es Seminare über
Gesells Wirtschaftsvorstellungen, damals von der einschlägig bekannten
Gesima Vogel (»Aufbruch in eine neue Welt«, Hamburg 1990),
Kontakte zum Waerlandbund und zum Verein für das Deutschtum im
Ausland, Teilnahme an Veranstaltungen des Weltbund zum Schutze des Lebens
in Rothenburg an der Wümme und auch in Vlotho.
Aber nach eigener Aussage hat Alfred Beyer nichts mit Politik zu tun.
Ihn unterstützend Susanne Franzen-Groß, die Ehefrau des
ehemaligen Grünen-Kreisvorsitzenden: »Wir wollen
nachbarschaftliche Beziehungen aufbauen und Waren und Dienstleistungen
miteinander tauschen, und ganz nebenbei entstehen auch freundschaftliche
Beziehungen, und man unterhält sich auch über Lebensphilosophien
und Lebensweisheiten.« Das unterscheidet einen Tauschring eben
von den üblichen Wirtschaftsbeziehungen: Mit einem x-beliebigen
Handwerker unterhalte ich mich nicht unbedingt über »Lebensphilosophien«.
Aber die Struktur der Tauschringe begünstigt es nicht nur, daß
engere persönliche Beziehungen unter den Mitgliedern entstehen,
sondern macht es sogar notwendig. Die Struktur ermöglicht aber auch
die Entwicklung von Gruppendruck. Einrichtungen wie die allgemeine
Einsicht in den Kontostand jedes Mitglieds liefern die Handhabe dazu, da ähnlich
wie bei jeder normalen Bank ein bestimmtes Kreditvolumen nicht überschritten
werden darf. Worte wie »Schmarotzer« sind hier auch in den
offiziellen Veröffentlichungen der Tauschringe schnell zur Hand.
Tauschringe werden so zu einer Form der sozialen Kontrolle.
Der Tauschring Oste-Talente mag eine Ausnahme in Hinsicht auf eine
offenkundige versuchte Unterwanderung durch neofaschistische Kräfte
sein. Er ist sicher keine Ausnahme bei der Naivität einer grün-alternativen
Klientel, mit den Infiltrationsversuchen der Gesell-Anhänger
umzugehen. Führende Theoretiker der Freiwirtschaftslehre wie Georg
Otto (Eberholzen) oder Hans Kühn (Osterode) sind noch immer Mitglieder
von Bündnis 90/Die Grünen, haben dort sogar ihren eigenen
Liberalsozialen Arbeitskreis. Sie wissen aber auch, daß ihr Tun
oftmals mißtrauisch beobachtet wird. Deshalb wohl auch, trotz aller
offenen Bezüge im Internet, die Anweisung bei einem Tauschringtreffen
in Kassel, Gesells Ideologie zunächst nicht zu sehr in den Vordergrund
zu stellen und eher die praktischen Aspekte der Arbeit zu betonen. Nach
einiger Zeit wird man ohnehin erkennen, wer für die Ideologie
ansprechbar ist und wer nicht. Die Struktur der Tauschringe ist ein Garant
dafür.
Sowohl die zunehmende Armut als auch die Sehnsucht nach sozialer Nähe
und nicht zuletzt die Suche nach praktikablen Alternativen zum allgegenwärtigen
Neoliberalismus werden Modelle wie die Tauschringe zunehmend attraktiv
machen. Eine tatsächliche Alternative sind sie jedoch nicht: gerade
der Markt hat in Gesells Lehre eine gottgleiche Stellung. Auf der Linken
aber sind einige ebenfalls wieder auf der Suche nach dem berühmten Weg
jenseits von Kapitalismus und Sozialismus. Ein Aufsatz über
Tauschringe in der sozialwissenschaftlichen Zeitschrift »Das Argument«
im Sommer 1997 lief zwar unter der Rahmenüberschrift »Flattern
im Zeitgeist«, nannte aber den Namen Gesells in diesem Zusammenhang
noch nicht einmal. Ähnlich die »Politische Ökologie« in
ihrer Nr. 53 (September/ Oktober 1997), die sich mit dem »Zusammenhang
zwischen Geld und Ökologie« beschäftigte. Zwar etwas
distanziert, aber durchaus freundlich wurden hier die »freiwirtschaftlichen«
Ansätze in der Nachfolge Gesells debattiert. Unter Einbeziehung seiner
Anhänger, versteht sich. Man ist schließlich ökologisch und
tolerant. Und so durfte auch Helmut Creutz (Aachen) wieder einmal seine
Sicht der Dinge darstellen. Erwähnt wurde, daß Creutz Mitbegründer
der Grünen war, verschwiegen wurde vorsichtshalber, daß er auch
häufiger Autor in der Zeitschrift des NPD-nahen Deutschen
Arbeitnehmer-Verbandes ist. Schließlich geht es um Wirtschaftsfragen.
Und die haben mit Politik rein gar nichts zu tun.
Oder?
Aus: Antifaschistische Nachrichten, Köln
AUFGELÖST
Der Tauschring OSte Talente (TOSTA) hat sich am 27.1.98 aufgelöst.
Einige der bisherigen Mitglieder haben mit einigen Interessierten das
Netzwerk C&F gegründet. C&F steht für change and fun
(Tauschen mit Spaß). Nähere Informationen gibt es unter
http://www.cux-land.de/netzwerk
der per E-Mail
netzwerk_cuf@privacy1.ohz.north.de
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