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1998

Rubrik
Faschismus
Rassismus
Neue Rechte

CONTRASTE@LINK-N.cl.sub.de

Aus CONTRASTE Nr. 162:

OSTE TALENTE

Hoch im Norden - Ein Tauschring macht Schlagzeilen

Gerade ein Jahr war er alt und hatte doch schon
etwas erreicht, was den anderen gut 150
Tauschringen in der Bundesrepublik bisher versagt
geblieben ist: bundesweite Schlagzeilen. Doch stolz
darauf waren die Mitglieder des Tauschringes Oste
Talente (TOSTA) nicht, denn es handelte sich um
ausgesprochene Negativschlagzeilen, die die
Hauptinitiatoren der Gruppe, Alfred H. Beyer und
seine Frau Sigrid aus Osten, in Verbindung mit der
extremen Rechten brachten.

Volkmar Wölk - Am 18. August 1997 gab es, veranlaßt
durch die Aussagen dreier bisheriger Mitglieder des
Tauschrings, die ersten kritischen Berichte in der
Lokalpresse. Dem größten Teil der Mitglieder waren die
Vorwürfe offenkundig gleichgültig, denn zu einer
Mitgliederversammlung, bei der diese zur Sprache kommen
sollten, erschienen lediglich fünfzehn der rund 80
Mitglieder. Diese allerdings positionierten sich eindeutig:
mit übergroßer Mehrheit wurde der letzte verbliebene der drei
Kritiker ausgeschlossen, in Leserbriefen bekundeten
Mitglieder der Kerngruppe - des faktischen
Vorstandes - lautstark ihre Solidarität mit dem Ehepaar
Beyer.


Besonders Uwe Groß, ehemaliger Kreisvorsitzender
der Grünen in Cuxhaven, der auch als Internet-Kontaktadresse
für den TOSTA dient, stellte sich immer wieder schützend vor
Alfred Beyer. Einerseits bestätigte er
die Vorwürfe, indem er zugab, er selbst habe »von Alfred auf
persönlicher Ebene Artikel der Deutschlandbewegung und über
die umstrittene Wehrmachtsausstellung erhalten«, beteuerte
andererseits aber gleichzeitig, dies habe nichts mit dem
Tauschring zu tun. Die Bösen sind für ihn die Kritiker. Sie hätten unbefugt
Mitgliederlisten mißbraucht, um persönliche politische
Meinungen zu verbreiten - ihre Vorwürfe gegen Beyer
nämlich. Einmal davon abgesehen, daß der Grünen-Funktionär
mit dem Adjektiv »umstritten« für die Ausstellung
»Vernichtungskrieg« des Reemtsma-Instituts
die sprachlichen Vorgaben der extremen Rechten übernimmt,
begibt er sich auch in Punkto Datenschutz auf
sehr dünnes Eis. Einerseits nämlich waren Guthaben
und Miese innerhalb des Tauschringes über die eigene
»Marktzeitung« für jeden einsehbar (so als ob eine
Bank die aktuellen Kontostände der Kunden ins Schaufenster
hängt), andererseits war »aus Datenschutzgründen« (so Sigrid
Beyer) die Öffentlichkeit bei jener
Sitzung ausgeschlossen, bei der über die neofaschistischen
Verbindungen der Beyers gesprochen werden
sollte und statt dessen der letzte Kritiker ausgeschlossen
wurde.


Stutzig war ein Mitglied geworden, als sie im Mai
von Alfred Beyer, einem Bauingenieur und ehemaligen
Lufthansa-Beschäftigten, gebeten wurde, per Computer ein Logo
für die Deutschland-Bewegung zu entwerfen. Sie habe zwar
»Igel im Bauch« gehabt, diesem
Wunsch aber letztlich entsprochen. Erst später habe sie
erfahren, was sich hinter der Deutschland-Bewegung
des »Nationalpazifisten« Alfred Mechtersheimer verberge.


Ein weiteres Mitglied interessierte sich für einen von
Beyer angebotenen Nietzsche-Arbeitskreis. Als
Einführungsmaterial erhielt sie das Buch »Neues Licht über
Zarathustra« des Franzosen Robert Dun. Schnell erkannte sie:
Das Buch ist »rassistisch, undemokratisch
und frauenfeindlich«. Ihre folgenden Recherchen ergaben: Dun
ist ehemaliger Waffen-SSler, Funktionär
in mehreren neuheidnisch-faschistischen Gruppierungen und
»Ritterorden« sowie Autor in zahlreichen einschlägigen
Zeitschriften. Pierre Vial, langjähriger Spitzenfunktionär
des GRECE, bezeichnet ihn als »sicheren Weg- und
Kampfgefährten«. Der deutsche Herausgeber der Schrift, die
Tempelhofgesellschaft des ehemaligen Polizisten und
langjährigen neofaschistischen
Aktivisten Hans-Günter Fröhlich (Bad Homburg), fordert zu dem
Band ausdrücklich: »Nur zu Studienzwecken! Nur zur alleinigen
Kenntnis des Beziehers!« Vorsichtshalber ist jeder Band
nummeriert.

Ein dritter Kritiker wiederum hatte sich Beyers
Aphorismenband »Geld ist Macht - macht nichts« angeschaut,
den dieser unter dem Pseudonym Wieland von
Steindorf (In diesen Kreisen geben die Decknamen fast
immer eine adlige Herkunft vor. Man ist schließlich
die Elite!) veröffentlicht hatte, und dort jede Menge
»rechtschauvinistische Sprüche« gefunden. Ein weiteres
Mitglied schließlich gab an, Beyer auf dessen
Wunsch in die Lüneburger Heide zu einem Treffen des
neofaschistischen und heidnischen Bund der Goden gefahren zu
haben, wo als einer der Referenten der Terrorist Manfred
Roeder auftrat. Aber was ist daran schon
schlimm? Der referiert ja schließlich auch bei der
Führungsakademie der Bundeswehr! Zu allem Überfluß
wurde dann auch noch bekannt, daß die Witwe des Neonazis
Edgar Geiss, Lilo, unter ihrem Geburtsnamen in
der Mitgliedsliste geführt wurde.

Für die Kerngruppe des Tauschrings waren all diese
Vorwürfe belanglos. Die Lokalpresse wurde mit Leserbriefen
bombardiert. »An den Haaren herbeigezogen«
sei das alles. »Wir denken, daß es unzählbare Menschen sind,
denen er geholfen hat. (...) Aber von Rechtsradikalität kann
keine Rede sein, nur weil man an eine
bessere Welt glaubt ohne Umweltgifte, ohne Krieg,
ohne Negativem.« Man habe Beyer als »einen tiefsinnigen,
eigenwilligen Zeitgenossen« kennengelernt,
»dem es ein Anliegen ist, Menschen immer wieder zum
Nachdenken zu bewegen.« Auf den Inhalt der Vorwürfe
wurde durch Beyers UnterstützerInnen, allesamt aus
dem grün-alternativen Spektrum stammend, mit keiner Silbe
eingegangen. Beyer selbst führte die gesamte
Auseinandersetzung in einer ersten Stellungnahme
auf rein materielle Angelegenheiten zurück. Der eigentliche
Anlaß seien Differenzen um Abrechnungsmodalitäten im
Tauschring. Die Vorwürfe seien eine »Sauerei« und grenzten an
»Rufmord«, das Ehepaar überlege sich juristische Schritte.

Nahezu ein Vierteljahr wogte die Auseinandersetzung auf
regionaler Ebene hin und her. Dann begannen auch die
überregionalen Medien, sich für die Vorgänge hoch im Norden
zu interessieren. Nicht nur
»Spiegel« und »Fakt« (MDR), sondern auch die
ARD-»Tagesthemen« kamen zu eindeutigen Einschätzungen: »Der
Hemmoorer Tauschring ist keine rechtsextreme Organisation,
aber für die Verbreitung dieses Gedankenguts ist er geschickt
mißbraucht worden.« Dies
war auch das Ergebnis einer Veranstaltung der örtlichen
Grünen zum Thema, die das Klima vor Ort endgültig zum Kippen
brachte, da die vorgelegten Fakten
zu eindeutig waren.

Beyer war mit Ehefrau Sigrid ebenfalls dort aufgetaucht. Im
Gegensatz zu seinen grün-alternativen VerteidigerInnen, die
der Informationsveranstaltung ihrer ParteifreundInnen lieber
fernblieben. Und Beyer tat
sein möglichstes, die Berechtigung der Vorwürfe zu belegen.
Hatte er im Vorfeld noch behauptet, sich für
Mechtersheimers Deutschland-Bewegung lediglich
»einmal interessiert« zu haben, so gestand er jetzt ein,
im Oktober bei deren Wartburgfest in Eisenach zum
Thema Tauschringe referiert zu haben. Der Posten eines
Regionalbeauftragten für das Weser-Ems-Gebiet
sei ihm »einmal angetragen« worden. Zu dem Vorhalt, daß nicht
irgendein Mensch, der mit der Bewegung nichts zu tun hat,
oder ein beliebiges Mitglied
mit einem solchen Amt betraut wird, schwieg er lieber.
Den alten Ökofaschisten Baldur Springmann bezeichnete er
offen als »meinen Freund«. Zu ihm hat er bereits seit den
achtziger Jahren nachweisbare Kontakte.
Er mag es auch gewesen sein, der Beyers Vortrag über
»positives Denken« beim Bundestreffen der Unabhängigen
Ökologen Deutschlands in Hildesheim 1994 vermittelt hat.

Den gleichen Vortrag hielt er dann wegen des großen Erfolgs
auch bei der Hetendorfer Tagungswoche
des Vereinsklüngels um den Hamburger Neo-Nazianwalt Jürgen
Rieger. Auch der ist schließlich ein alter Bekannter. Sigrid
Beyer gehörte nämlich ebenso wie ihr
geschiedener Ehemann Gerd Rothe lange Jahre der
heidnischen Artgemeinschaft an, die durch Rieger geführt
wird. Bei einem weiteren von Riegers Vereinen,
der rassistischen Gesellschaft für biologische Anthropologie,
Eugenik und Verhaltensforschung, trat sie in
den 80er Jahren als Referentin auf. Daß Sigrid Rothe
nicht nur Riegers heidnische Ansichten teilt sondern
auch die geschichtsrevisionistischen, unterstrich sie
gegenüber einer Lokalzeitung und auch direkt nach der
Veranstaltung der Grünen. Man müsse sich mit dem
Revisionismus auseinandersetzen, so Sigrid Beyer. Ihr
Tip: »Schauen Sie mal ins Internet. Da gibt es viele Sachen,
die genau das Gegenteil sagen.«

Eines kann man den Beyers sicherlich nicht vorwerfen: daß sie
damit hinter dem Berg gehalten hätten,
was für sie die eigentliche ideologische Grundlage des
Tauschrings sein sollte. Das Denken des Sozialdarwinisten und
Eugenik-Befürworters Silvio Gesell nämlich.
Zu den ersten Veranstaltungen des Tauschrings gehörte nämlich
eine, bei der Gesells Denken ausführlich
dargestellt wurde. Sigrid Beyer beklagte sich anschließend
bitterlich über die geringe Beteiligung.

Es hätte eigentlich auch auffallen können, daß in
das Logo des »Tosta« eine Hagal-Rune eingebaut worden war.
Diese Rune symbolisiert in heidnischen Kreisen den Lauf der
Sonne während des Jahres, den ewigen Kreislauf von Werden und
Vergehen. So wie in einem Tauschring Nehmen und Geben sich
auf Dauer
wieder ausgleichen. In der Vergangenheit war die Hagal-Rune
sowohl das Abzeichen der 6. Waffen-SS Gebirgsdivision »Nord«
als auch der heidnischen Nordischen Glaubensbewegung gewesen.

Beyer hatte das Kennzeichen nicht extra für den
Tauschring entwerfen müssen. Er hatte es einfach vom
Burgenring - Europäischer Kulturkreis in Stadt und
Land e.V. übernommen, einem Verein, den er von Ende
1982 bis zur Auflösung Mitte 1987 geleitet hatte. Bereits
damals war auch seine heutige Frau Sigrid mit dabei.
Zielsetzung der Gruppe laut Satzung: »Es soll
gleichgesinnten Menschen die Möglichkeit geboten
werden, sich durch freiwillige, sinnvolle Aufbauarbeit
wieder in die Naturabläufe einzugliedern. Dadurch
soll der bedrängten Natur geholfen und auch dem Menschen die
Möglichkeit verschafft werden, an Körper,
Geist und Seele zu gesunden.« Geplant in diesem Zusammenhang
war auch die Gründung einer »Lebensschule für Jedermann«.
Schon in diesem Verein gab es
Seminare über Gesells Wirtschaftsvorstellungen, damals von
der einschlägig bekannten Gesima Vogel
(»Aufbruch in eine neue Welt«, Hamburg 1990), Kontakte zum
Waerlandbund und zum Verein für das
Deutschtum im Ausland, Teilnahme an Veranstaltungen des
Weltbund zum Schutze des Lebens in Rothenburg an der Wümme
und auch in Vlotho.

Aber nach eigener Aussage hat Alfred Beyer nichts
mit Politik zu tun. Ihn unterstützend Susanne Franzen-Groß,
die Ehefrau des ehemaligen Grünen-Kreisvorsitzenden: »Wir
wollen nachbarschaftliche Beziehungen aufbauen und Waren und
Dienstleistungen miteinander tauschen, und ganz nebenbei entstehen
auch freundschaftliche Beziehungen, und man unterhält sich
auch über Lebensphilosophien und Lebensweisheiten.« Das
unterscheidet einen Tauschring eben
von den üblichen Wirtschaftsbeziehungen: Mit einem
x-beliebigen Handwerker unterhalte ich mich nicht
unbedingt über »Lebensphilosophien«. Aber die Struktur der
Tauschringe begünstigt es nicht nur, daß engere persönliche
Beziehungen unter den Mitgliedern entstehen, sondern macht es
sogar notwendig. Die Struktur ermöglicht aber auch die
Entwicklung von Gruppendruck. Einrichtungen wie die
allgemeine Einsicht in den Kontostand jedes Mitglieds liefern die Handhabe
dazu, da ähnlich wie bei jeder normalen Bank ein bestimmtes
Kreditvolumen nicht überschritten werden
darf. Worte wie »Schmarotzer« sind hier auch in den
offiziellen Veröffentlichungen der Tauschringe schnell
zur Hand. Tauschringe werden so zu einer Form der sozialen
Kontrolle.

Der Tauschring Oste-Talente mag eine Ausnahme
in Hinsicht auf eine offenkundige versuchte Unterwanderung
durch neofaschistische Kräfte sein. Er ist sicher
keine Ausnahme bei der Naivität einer grün-alternativen
Klientel, mit den Infiltrationsversuchen der Gesell-Anhänger
umzugehen. Führende Theoretiker der Freiwirtschaftslehre wie
Georg Otto (Eberholzen) oder
Hans Kühn (Osterode) sind noch immer Mitglieder
von Bündnis 90/Die Grünen, haben dort sogar ihren eigenen
Liberalsozialen Arbeitskreis. Sie wissen aber
auch, daß ihr Tun oftmals mißtrauisch beobachtet
wird. Deshalb wohl auch, trotz aller offenen Bezüge im
Internet, die Anweisung bei einem Tauschringtreffen
in Kassel, Gesells Ideologie zunächst nicht zu sehr in
den Vordergrund zu stellen und eher die praktischen
Aspekte der Arbeit zu betonen. Nach einiger Zeit wird
man ohnehin erkennen, wer für die Ideologie ansprechbar ist
und wer nicht. Die Struktur der Tauschringe ist ein Garant
dafür.

Sowohl die zunehmende Armut als auch die Sehnsucht nach
sozialer Nähe und nicht zuletzt die Suche
nach praktikablen Alternativen zum allgegenwärtigen
Neoliberalismus werden Modelle wie die Tauschringe
zunehmend attraktiv machen. Eine tatsächliche Alternative
sind sie jedoch nicht: gerade der Markt hat in Gesells Lehre
eine gottgleiche Stellung. Auf der Linken
aber sind einige ebenfalls wieder auf der Suche nach
dem berühmten Weg jenseits von Kapitalismus und Sozialismus.
Ein Aufsatz über Tauschringe in der sozialwissenschaftlichen
Zeitschrift »Das Argument« im
Sommer 1997 lief zwar unter der Rahmenüberschrift
»Flattern im Zeitgeist«, nannte aber den Namen Gesells in
diesem Zusammenhang noch nicht einmal.
Ähnlich die »Politische Ökologie« in ihrer Nr. 53 (September/
Oktober 1997), die sich mit dem »Zusammenhang zwischen Geld
und Ökologie« beschäftigte. Zwar
etwas distanziert, aber durchaus freundlich wurden
hier die »freiwirtschaftlichen« Ansätze in der Nachfolge
Gesells debattiert. Unter Einbeziehung seiner Anhänger,
versteht sich. Man ist schließlich ökologisch und
tolerant. Und so durfte auch Helmut Creutz (Aachen)
wieder einmal seine Sicht der Dinge darstellen. Erwähnt
wurde, daß Creutz Mitbegründer der Grünen
war, verschwiegen wurde vorsichtshalber, daß er auch
häufiger Autor in der Zeitschrift des NPD-nahen Deutschen
Arbeitnehmer-Verbandes ist. Schließlich geht es
um Wirtschaftsfragen. Und die haben mit Politik rein
gar nichts zu tun.

Oder?

Aus: Antifaschistische Nachrichten, Köln
AUFGELÖST
Der Tauschring OSte Talente (TOSTA) hat sich am
27.1.98 aufgelöst. Einige der bisherigen Mitglieder
haben mit einigen Interessierten das Netzwerk C&F
gegründet. C&F steht für change and fun (Tauschen
mit Spaß). Nähere Informationen gibt es unter
http://www.cux-land.de/netzwerk der per E-Mail
netzwerk_cuf@privacy1.ohz.north.de