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1998

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Abs.: M.WEGE@JPBERLIN.de

Abschlußerklärung des 5. bundesweiten Jugendumweltkongresses vom 28.12.­3.1. in Münster

Über 700 Jugendliche aus der Jugendumweltbewegung haben sich eine Woche lang in Münster getroffen, um nach "Neuen Wegen für Stadt und Land" zu suchen. Dabei haben wir festgestellt, daß es viele Ideen gibt, etwas zu tun. Nicht nur die Zensur unseres Programmes durch das Umweltbundesamt hat uns allerdings gezeigt, daß diese Ideen nicht mehr ausreichen. In diesem Land werden die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft immer weiter in Frage gestellt. Dieses Jahr sind Bundestagswahlen. Wir, die teilweise in diesem Jahr erstmals wahlberechtigten Jugendlichen, fragen uns, wie wir Staat und Politik noch Glaubwürdigkeit schenken sollen, wenn diese größtenteils an der schrittweisen Demontage unser Zukunft beteiligt sind.

Ungebremste Globalisierungsprozesse schränken den Handlungsspielraum nationaler Regierungen immer weiter ein. Die Politik akzeptiert und fördert teilweise diese Prozesse. Es stellt sich daher für viele Menschen die Frage, welchen Sinn es macht, Politik durch Wahlen zu legitimieren, wenn diese langfristig gesehen kaum Entscheidungsspielraum hat.

Demokratie

Demokratische Grund- und Mitbestimmungsrechte sind in den letzten Jahren immer weiter eingeschränkt worden. Dort, wo Bürgerbeteiligung die Politik angeblich behindert, wird sie einfach abgeschafft (z.B. Verkehrsplanung, Atomgesetz). Immer noch fehlt es an Mitbestimmungs- und Gestaltungsrechten an Schulen und Universitäten. Viele Jugendliche dürfen nicht wählen und werden, wenn doch, meistens nur in Wahlkampfzeiten um ihre Meinung gefragt.

Bildung

Der freie Zugang zur Bildung ist die Grundvoraussetzung für Entfaltung und Mitgestaltung in einer demokratischen Gesellschaft. Mittel für Schulen, Universitäten und sonstige Bildungseinrichtungen werden gekürzt. Die Interessen der Betroffenen werden denen der Wirtschaft untergeordnet. Es fehlt eine gezielte Förderung der Entwicklung zu kritischen, verantwortungsbewußten, eigenständigen und sozial kompetenten Menschen. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn die Betroffenen über Strukturen und Inhalte in den Bildungseinrichtungen selbst bestimmen können.

Soziale Gerechtigkeit

Eine demokratische Gesellschaft muß allen BürgerInnen die gleichen Chancen geben, sich frei zu entwickeln und sich in die Gesellschaft einzubringen. Durch die Kürzung von sozialen Leistungen und Förderungsprogrammen zum Ausgleich bestehender Chancenungleichheiten (z.B. BAFÖG) entsteht ein Klima der Kälte und Ausgrenzung. Nur eine soziale Grundsicherung für alle kann dieses Klima ändern. Allein eine grundlegende Umverteilung der Einkommen kann dies bewirken.

Umweltpolitik

Wir warten immer noch auf die längst überfällige ökologische Wende.

Energie

Wir fordern den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie und eine begleitende Ökologiesierung und Dezentralisierung der Energieversorgung. Atomkraft bedroht uns täglich durch immer noch laufende, störanfällige AKWs und durch die immer noch ungeklärte Entsorgung. Diese wird sich auch nicht mit dem Durchknüppeln weiterer Castortransporte lösen lassen. Statt dessen fordern wir eine konsequente Förderung regenerativer Energien.

Verkehr

Unabkömmlich ist eine Wende in der Verkehrspolitik. Es muß ein Schwerpunkt auf menschen- und umweltverträgliche Mobilität (ÖPNV, Fahrrad, Fußgänger, usw.) gesetzt werden.

Gentechnik

Wir lehnen den Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich ab. Auch in anderen Einsatzgebieten halten wir sie zumindest für bedenklich.

Ökologische Steuerreform

Zur Umsetzung der oben genannten Ziele ist eine sozialverträgliche Ökologische Steuerreform notwendig.

Unser Appell

Alle Menschen sind aufgefordert, die grundlegenden Probleme unserer Gesellschaft endlich anzuerkennen. Staat und Politik sollen in Auseinandersetzung mit der Bevölkerung Lösungen entwickeln und umsetzen. Nur so kann ihre volle Glaubwürdigkeit wiederhergestellt werden. Und nur so können sie erreichen, daß diejenigen, die starke Zweifel am Sinn des Wählens haben oder gar nicht mehr wählen, überzeugt werden, sich wieder in die Gesellschaft einzubringen.

Wir fordern daher, daß Staat und Politik

  • die Ursachen falscher Politik bekämpfen und nicht deren Auswirkungen (Obdachlose, Castor-Widerstand)
  • das reichlich vorhandene Geld gerecht verteilen, statt die Schere zwischen arm und reich sich immer weiter öffnen zu lassen
  • sich der fortschreitenden Globalisierung entgegenzustellen, anstatt sich ihr zu unterwerfen. Dies soll aber eine solidarische, kooperative internationale Zusammenarbeit nicht ausschließen

Wo die Politik nicht handelt, werden wir uns einsetzen und querstellen!