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1998

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Dies & das

Mythos Luftbrücke

"Die Amerikaner haben uns damals geholfen und ich bin ihnen heute noch dankbar!", ältere Frau im Berliner Heimatsender 100,6 anläßlich des Clinton-Besuchs am 13./14.5.1998.

Dazu eine abweichende Betrachtung von Karl Müller aus dem Jahre 1988

DIE ZWEI ETAPPEN DER WESTINTEGRATION (*)

Die Ausrichtung des bürgerlich-kapitalistischen Überbau an den Strukturen der BRD (Westzonen) verlief in zwei Etappen, die qualitativ unterschieden sind. In der ersten Etappe, die zeitlich mit der "Blockade" 1948/49 zu sammenfällt, wurde die städtische Infrastruktur, wie sie sich zwischen 1945 und 1948 in der zentralen Stadtver waltung ausdrückte, zerstört. Dieser Vorgang war, abgesehen von dem Propagandarummel ("Kampf um die Freiheit"), der damals wie heute darum entfacht wird, relativ einfach durchzusetzen, weil es keine intakten städtischen ökonomische Strukturen (Sektorenwirtschaft- siehe dazu wi 3/88) gab, deren Zerbrechen spürbare drastische Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Werktätigen gehabt hätte.

Die von den Westallierten ab 20.6.1948 in ihren Zonen durchgesetzte und für Westberlin begonnene Währungsreform, dh. die Entwertung der Reichsmark und Einfüh rung der D-Mark in ihrem Einflußgebiet, entsprach voll der weltpolitischen Konzeption des Beschneidens der sowjetischen Einflußsphären mit dem Ziel eines Zurückdrängens und Schwächens. Dieser Schritt spaltete nicht nur entgültig Deutschland als Wirtschaftsgebiet, sondern bot gerade auch die Möglichkeit, durch Abfließen der entwerteten Reichsmark in die SBZ deren wirtschaftliche Rekonstruktion nachhaltig inflationär zu zersetzen. In diesem Plan war der westberliner Wirtschaftsraum von zentraler Bedeutung, weil hier auf der Ebene der Stadtverwaltung beide Wirtschaftsräume noch punktuell direkt verbunden waren. Diese objektive Situation zwang nun die SU, die Versorgung Westberlins aus den Westzonen, die sie 1945 selber verlangt hatte, zu unterbrechen. In der SBZ und Ostberlin wurde nun die alte Reichsmark - mit Coupons markiert - zum neuen Zahlungsmittel. In Westberlin gab es bis zum 20.3.1949 zwei gültige Währungen: die DM und die SBZ-Währung. Als am 25.5.1949 die Blockade aufgehoben wurde bestand die Stadtverwaltung als Einheit nicht mehr.

Im Sommer 1948 hatte sich die SED-Stadverordneten fraktion für die Währungseinheit in Gesamtberlin ausge sprochen und jegliche Separatwährungen verurteilt. Sie hielt als einzige Partei an der politischen Einheit Berlins fest. Während die bürgerlichen Parteien SPD, CDU und LDPD (spätere FDP) die Spaltung befürworteten. Folge richtig begannen diese, Abteilungen der Stadtverwaltung (z.B. Verkehr, Arbeit, Wirtschaft usw.) in die Westsektoren zu verlegen. Die Westallierten unterstützten tatkräftig diese Spaltungen. Am 10.8.1948 verboten sie jegliche Geldüberweisungen zwischen ihren Sektoren und dem Ostsektor. Dies wurde mit einer neuen Steuererhebung flankiert. Hinzutraten ein eigens in den Westsektoren neu geschaffenes Postscheckamt und ein eigener Postdienst. Am 6.9.1948 demonstrierten tausende von Werktätigen vor der offiziellen Tagungsstätte der Stadverordnetenversammlung in der ostberliner Parochialstraße, um ihren Protest gegen die Spalterpolitik der Stadtregierung Ausdruck zu verleihen. Diese Demo nahmen die bürgerlichen Politiker zum Anlaß, die Versammlung abzubrechen und im britischen Sektor fortzusetzen. Hier beschlossen sie, Vertreter zum Parlamentarischen Rat, der die Gründung des Bonner Separatstaates verfassungsrechtlich vorbereitete, zu entsenden. Gleichzeitig setzten sie für Dezember 1948 Neuwahlen für ganz Berlin an. Am 30.11.1948 reagierten die von den Kommunisten dominierten politischen Kräfte von Gesamtberlin auf diese Spalterpolitik und erklärten in einer "Außerordentlichen Stadtverordnetenversammlung", die von 1616 Delegierten aus Parteien, Betrieben und Massenorganisationen in Ostberlin durchgeführt wurde, die gegenwärtige Stadtregierung für abgesetzt und wählten eine neue Stadtregierung. Dieser Magistrat setzte sich vorwiegend aus Vertretern der SED, aber auch aus Mitgliedern der SPD, CDU, LDPD, FDGB und anderer Verbände zusammen und erklärte sich für Gesamtberlin zuständig.

So wenig wie dieser ostberliner Magistrat real für Gesamtberlin zuständig war, so wenig war es der westberliner, der aus den in den Westsektoren durchgeführten Wahlen am 5.12.1948 hervorging und an denen sich die SED und ihre Nebenorganisationen nicht beteiligten. Der westberliner Magistrat setzte sich aus den drei im westberliner Stadtparlament vertretenen Parteien SPD, CDU und LDPD zusammen und stand unter der politischen Hegemonie der rechten Sozialdemokraten. Wäh rend in dieser Etappe der ostberliner Magistrat seinen gesamtberliner Anspruch praktisch einzulösen versuchte, richtete die westberliner Stadtregierung ihre Politik verstärkt auf die Vollendung der Spaltung der kommunalen Strukturen aus, wodurch entsprechende Reaktionen von östlicher Seite hervorgerufen wurden. Dazu eine kursorischer Überblick über wesentliche Spaltermaßnahmen bis zum Ende der Blockade:

  • 04.12.48 - Gründung der Freien Universität
  • 05.12.48 - Gründung der Sparkasse der Stadt Berlin West / Gründung der Pädagogischen Hochschule
  • 06.12.48 - Spaltung der BEWAG-Verwaltung
  • 20.01.49 - Spaltung des Aufsichtrates der VAB
  • 07.02.49 - Schaffung des separaten westberliner Kammergerichts (höchste juristische Instanz)
  • 20.03.49 - Einführung der DM als alleinige Währung
  • 31.03.49 - Spaltung des kommunalen Sportverbandes
  • 28.04.49 - Sperrung der westberliner Mietkonten der Hausbesitzer aus der SBZ und Ostberlin
  • 19.05.49 - Zustimmung der westberliner Stadtverordnetenversammlung zum GG der BRD

Die Westalliierten arbeiteten diesem Vorgehen mit entsprechenden Anordnungen in ihren Zuständigkeitsbe reichen direkt zu:

  • 11.01.49 - Verbot des Verkaufs von "Ost"briefmarken und der entsprechenden Frankierung in Westberlin
  • 26.01.49 - Verbot der Möbeltransporte zwischen dem West- und Ostsektor
  • 01.02.49 - Spaltung des Gerichtswesens
  • 07.02.49 - Schaffung eines neuen Tarifrechts
  • 12.02.49 - Erlaß einer neuen Zivilprozeßordnung
  • 16.02.49 - Übertragung der "Entnazifizierung" auf den westberliner Magistrat
  • 18.02.49 - Anerkennung der UGO als einzige Gewerkschaft in Westberlin
  • 11.03.49 - Erweiterung der Handlungskompetenzen der westberliner Polizei

Diese Spaltungsmaßnahmen wurden mit üblen Methoden der Kommunistenverfolgung begleitet. So beschloß eine Betriebsversammlung im Siemens-Gerätewerk am 3.3.1949 mit 3.400 bei 12(!!!) Gegenstimmen die Forderung nach Entlassung von Siemensarbeitern, die SED oder FDGB-Mitglieder waren. Dieser reaktionäre Massentrend widerspiegelte deutlich, was das herrschende Machtkartell in der neuen Westberliner Verwaltung vorexerzierte. So ordnete bei jeder Spaltung von Verwaltungorganen der westberliner Magistrat an, daß, wer nach Inkrafttreten der Spaltung weiterhin an seinen alten Arbeitsplatz in Ostberlin ginge, fristlos entlassen sei. Die Alliierten ordneten fristlose Entlassung für Polizisten an, die Lebensmittel in Ostberlin kauften. Sofort nach Beendigung der Blockade wurde seitens der UGO - der Spalterorganisation der rechten Sozialdemokraten in der Arbeiterbewegung - eine der massivsten antikommunistischen Massen kampagnen dieser Zeit initiiert: Der Reichsbahnkrieg

Bereits im März 1949 hatte die UGO auf westberliner Reichsbahndienststellen Betriebsversammlungen durchgeführt, wo die Forderung nach 100 prozentiger Entlohnung in Westmark von der Reichbahndirektion gefordert wurde, die unter östlicher Verwaltung stand und natürlich so, wie die Widersprüche lagen, kein Interesse hatte, die Spaltung dadurch weiter zu vertiefen. Diese Kampagne war insofern perfide eingefädelt, weil für den durch die Blockade abgesunkenen Lebenstandard gerade die Westmächte und der eigene Magistrat verantwortlich waren. Und so wurde diese Not umgemünzt in die scheinbar gerechte Forderung nach Gleichstellung zu den in Ostberlin leben den Reichbahnern, obwohl klar war, daß die Reichsbahn im Westen an in Ost verkauften Fahrkarten festhielt und so auch über keine Westmarkeinnahmen verfügte. Darüberhinaus konnte ja jeder Westberliner damals von öst licher Seite ungehindert in Ostberlin Waren zu ungeheuer günstigen Preisen einkaufen, was wiederum von den Westbehörden mit drastischen Strafen (u.a. Entlassung aus dem öffentlichen Dienst) geahndet wurde. Während seit der Währungsreform westberliner Kapitalisten ungehindert nur 10 Prozent der Löhne in Westmark ausgezahlt und diese Waren zu harter Westmark auf gesicherten Märkten verkauft hatten, so daß Superprofite eingetrichen wurden, richteten nun der westberliner Medien apparat, die UGO und die politischen Parteien ihr gesam tes Propagandafeuer auf die "kommunistischen Ausbeuter" in der Reichbahndirektion.

Am 21.5.1949 traten in den Westsektoren von insge samt 15.000 westberliner Beschäftigten 11.500 in den unbefristeten Vollstreik. Um 10.00 ruhte der gesamte Berliner Reichsbahnverkehr. Die UGO konzentrierte sich da bei auf die S-Bahn, die damals noch durch ganz Berlin als Ringbahn verkehrte. Sie besetzte den zentralen, im Westen gelegenen Bahnhof Westkreuz, die Anschlußstellen zu den Fernbahnen: Bhf.Zoo, sowie die Bahnhöfe Wannsee, Schöneberg, Neukölln, Hermannstr. und Tempelhof. Damit brach auch der Verkehr in Ostberlin und in die SBZ zusammen. Für die östlichen Behörden war dieser Streik damit kein Arbeitskampf mehr, sondern der kaschierte politische Versuch, das Wirtschaftleben Ostberlins massiv zu stören, wobei Westberlin als Brückenkopf benutzt wurde. Folglich setzten die östlichen Behörden auch ihre Bahnpolizei und Gruppen von SED- und FDJ- Mitgliedern ein, um den "Streik" abzuwürgen. Da sich die Auseinandersetzungen sozusagen vor den Augen der westberliner Bevölkerung abspielten, griffen Teile, aufgeputscht von der antikommunistischen Propaganda, in die Auseinandersetzungen auf den Bahnhöfen ein. Am 22.5.49 wechselte der Charlottenburger S-Bahnhof viermal den "Besitzer" und sieben Personen wurden lebensgefährlich verletzt. Am selben Tage wälzte eine 1000köpfige Menge Zementblöcke auf die Nordbahnstrecken in die SBZ, worauf die Bahnpolizei das Feuer eröffnete. Insgesamt wurden jedoch alle Westbahnhöfe im Laufe des Tages von der östlichen Bahnpolizei zurückerobert. Am 23.5.49 erklärte der westberliner Senat, daß er seine Polizei zum Schutz der Bevölkerung gegen die Ostbehörden einsetzen werde. Am selben Tage ordneten die Westalliierten an, daß für arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen bei der Reichsbahn nur das westberliner Arbeitsgreicht zuständig sei. Diese offiziellen Verlautbarungen, die einem Freibrief gleichkamen, ermutigten die UGO und Teile der Bevölkerung am selben Tage, den von der östlichen Bahnpolizei besetzten Bahnhof Zoo zurückzuerobern. Bei Lynchversuchen machten nun die Bahnpolizisten von der Schußwaffe Gebrauch und töteten eine 15jährigen Westberliner. Daraufhin wurden am 24.5.49 alle Bahnhöfe in Westberlin von der westberliner Polizei besetzt. Am 30.5.49 stellten die Westalliierten mit Genugtuung fest, daß die immer noch andauernde Besetzung der Bahnhöfe durch die westberliner Polizei, "Ruhe und öffentliche Ordnung" gewährleiste. Während die Polizei durch Besetzung der Bahnhöfe den "Streik" sicherstellte, stimmten am 2.6.1949 die UGO- Mitglieder für die weitere Fortsetzung, obwohl die Reichsbahndirektion sich bereit erklärt hatte 60 Prozent des Lohnes in Westmark zu zahlen und die restlichen 40 Prozent durch besondere Lebensmittelzuteilungen auszugleichen. Tags darauf griffen die Westallierten ein und verhandelten mit dem sowjetischen Stadtkommandanten - allerdings erfolglos - über die Beilegung des Streiks. Wenige Tage später erklärten die Westallierten, sie würden in den Interzonenverkehr eingreifen, wenn der Streik nicht zugunsten der UGO entschieden würde. Mit dieser massiven Unterstützung im Rücken erneuerten die UGO-Leute am 14.6.1949 durch Urabstimmung die Fortsetzung des Streiks für 100 Prozent Westlohn. Als sich aber abzuzeich nen begann, daß östlicherseits wirklich kein finanzieller Verhandlungsspielraum gegeben war, griffen die Westalliierten erneut ein. Sie bestellten sich die UGO-Führung zur Aussprache.

Am 28.6.1949 zog sich die Westpolizei von den Bahnhöfen zurück und die westberliner Reichbahner nahmen die Arbeit bei 60prozentiger Westentlohnung wieder auf.

Der plötzliche Abbruch des UGO-"Streiks" machte dann auch deutlich, was mit dem Reichsbahnkrieg von den Herrschenden in Westberlin durchgesetzt werden sollte:

1. Die weitere Isolierung revolutionärer und kommunistischer Positionen in Westberlin.

2. Die umfassende Verankerung der Akzeptanz, sich den Westalliierten und dem Senat bei der Spaltung in allem unterzuordnen.

In der zweiten Hälfte der ersten Etappe - also ungefähr im Zeitraum Frühsommer 1949 bis 1950 - wurden die ersten Maßnahmen zur Konsolidierung und Anpassung der staatlichen und ökonomischen Strukturen Westberlins an die der BRD durchgeführt.

Im Mai und Juni 1949 übertrugen die Westalliierten - bis auf wenige von ihnen als zentral erachtete Bereiche - die "Staatsgewalt" auf den Westberliner Magistrat. Gleichzeitig ergriffen sie Maßnahmen zur kapitalistischen Re konstruktion der westberliner Wirtschaft. Im Juli und August 1949 genehmigten die Westallierten die Errichtung von Bundesbehörden in Westberlin, verboten Betriebsver lagerungen, führten eine Untersuchung über die Leitungsfähigkeit der westberliner Industrie durch und lie ßen die ersten Privatbanken (Industriebank AG und Berliner Diskontobank) wieder zu. Im Dezember 1949 wurde zur Verbesserung der Anlagebedingungen des US-Kapitals in Westberlin die US-amerikanische Handelskammer errichtet. Gleichzeitig verpflichteten die Westalliierten den Magistrat die "Altkonten" zu vergüten. Dadurch sollte das während der 1945 erfolgten Schließung der Banken eingefrorene Geldkapital zu einem Investitionsschub auf privater Grundlage freigesetzt werden. Im Januar 1950 wurde der Beraterausschuß für die Vergabe von ERP- Mitteln (dazu siehe "ERP-Eldorada" weiter unten) an die westberliner Wirtschaft eingesetzt.

Parallel zu diesen Maßnahmen der Westalliierten erließ der Magistrat eine Reihe von Gesetzen und Verord nungen, die die kapitalistische "Freizügigkeit" inbezug auf den bürgerlichen Staatsapparat wieder herstellte: So im Juli 1949 das Gesetz über die Gewerbefreiheit und die Einrichtung eines Patentamtes. Ferner das zur BRD wortgleiche Gesetz über die Wertpapierbereinigung. Am 31. Juli 1949 spaltete der westberliner Magistrat die letzte bestehende gesamtberliner Verwaltung, nämlich die BVG. Im November 1949 als jeder vierte westberliner Werktätige arbeitslos war, hob der westberliner Magistrat die bis her bestehende Festschreibung der Lohnhöhe auf. Im Dezember 1949 beschloß der West-Magistrat, daß zivile Rechtstreitigkeiten (Schulden, Vertragsverletzungen usw.) aus der DDR vor westberliner Gerichten nicht mehr verhandelt werden, wenn der westberliner Schuldner dies nicht will.

Die zweite Etappe der Westintegration, die bis ca. 1953 dauerte, war im wesentlichen bestimmt durch die Übernahme von Bundesgesetzen und durch die Unterstellung Westberlins unter das Grundgesetz. Wenn auch formaljuristisch betrachtet Westberlin kein Teil der BRD wurde und auch heute nicht ist, so wurde es dies de facto und in weiten Teilen de jure in dieser zweiten Etappe. Zu dieser zweiten Etappe verhielt sich die erste wie eine notwendige innere Voraussetzung. Dh. die Überbaustrukturen wurden innerhalb von 1 1/2 Jahren (1948/50) in Westberlin so zugerichtet, das sie unter das Dach des BRD-Staates paßten.

Die zweite Etappe wurde mit zwei zeitgleichen Entscheidungen eingeleitet, die in ihrer Unmittelbarkeit die Rekonstruktion kapitalistischer Verwertungsbedingungen auf der Ebene des Überbaus widerspiegeln. Am 1. Juli 1950 eröffnete die Industrie und Handelskammer als offi zielles westberliner Interessenorgan der Bourgeoisie, wäh rend sich am selben Tage die westberliner Arbeiterklasse, wie sie sich durch die reaktionäre UGO repräsentiert fühlte, als DGB-Landesbezirk formierte. Am 5.8.1950 re vidierte das westberliner Stadtparlament die Verfassung vom 22.4.1948, um den rechtlichen Rahmen der Unterstel lung Westberlins unter das Staatsgefüge der BRD festzu schreiben. Die Westallierten intervenierten gegen die Grundgesetzbindung im Artikel 1 und suspendierten sie auf der Ebene des Verfassungsrechts, um sich so jede "völkerrechtliche" Interventionsmöglichkeit offen zu las sen. Im September des selben Jahres wurde der Berliner Landeshaushalt der Kontrolle des Bundesrechnungshof unterstellt und ein Tarifvertragsgesetz verabschiedet, daß sich voll am BRD-Vorbild orientierte. Ebenfalls im Sep tember wurde die sogenannte Rechtseinheit mit der BRD ind Sachen Zivil- und Strafprozeßordnung hergestellt. Im Oktober 1950 wurde eine Handwerkskammer für West berlin installiert, nachdem in den Jahren zuvor die alte ge samtberliner Kammer vom Westen her gespalten worden war. Im Dezember 1950 gründete der Dachverband der bundesrepublikanischen Kapitalisten (BDA) einen west berliner Landesbezirk. Im März 1951 übernahm die BRD die Vertretung Westberlins gegenüber dem Ausland. Im selben Monat wurde die westberliner Kripo dem BKA unterstellt.

Im Januar 1952 erfolgte mit dem sogenannten III. Überleitungsgesetz die entgültige Einbindung des gesam ten staatlichen und finanziellen Überbaus Westberlins in die BRD. Dieses Gesetz zwang und zwingt das westberli ner Parlament, jedes in der BRD erlassene Gesetz (sofern die Westalliierten keine Vorbehalte äußern) zu überneh men. Verweigert Westberlin eine Gesetzesübernahme, so schrieb das III.Überleitungsgesetz vor, daß Westberlin keine Bundesmittel mehr erhält. Im März 1952 wurde das Landesarbeitsamt der Bundesanstalt für Arbeit unterstellt. Seit Mai des selben Jahres wurde Westberlin automatisch in internationale Verträge der BRD miteinbezogen. Im Juli 1952 wurde in Westberlin das Berufsbeamtentum nach BRD-Muster wieder eingeführt. Im selben Monat wurde die einheitliche Sozialversicherungsstruktur aufge löst und das BRD-Versicherungswesen eingeführt. Am 19.7.1952 wurde in der BRD das reaktionäre Betriebsver fassungsgesetz erlassen, das dann auch in Westberlin Gültigkeit erlangte. Im September 1952 trat das Bundesver waltungsgerichtsgesetz, welches das Verhältnis des Bür gers zum Staatsapparat regelt, in Kraft. Die Übernahme des bundesrepublikanischen Arbeitsgerichts- und Sozial gerichtsgesetzes schlossen 1953 diese zweite Etappe der Westintegration ab.

(*) Der Text wurde erstmalig im "westberliner info" 4-88 veröffentlich. Er war Teil der Serie "Westberliner Wirtschaft". Wenn nicht anders zitiert, stammen alle folgenden Zahlen, Daten, Fakten und Zitate aus: Berlin - Ringen um Einheit und Aufbau, Bd.3, Bd.4, Bd.5, Hrg.: Senat v. Berlin, 1962, 1968, 1971