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1997

Rubrik
1.Mai

Abs.: N.BRAUNS@LINK-M.de

1.Mai in München:
DGB billigt Polizeiprovokation gegen Kurden

War es nur dem erheblichen Druck der Gewerkschaftsbasis zu verdanken, daß der Münchner DGB wieder eine offizielle Maidemonstration durchführte, so war der massenhafte Andrang wütender Kolleginnen, die gegen die Kohlregierung auf die Straße gingen, den Gewerkschaftsbürokraten eindeutig zuviel. Zuerst wurde die Demonstration im offiziellen Programmheft des DGB zum 1.Mai einfach verschwiegen. Dann ignorierten die Veranstalter, die herbeiströmenden Massen auf der zentralen Kundgebung. Nachdem der Veranstaltungsleiter über Lautsprecher sämtliche "Würden"-Träger der Stadt begrüßte, forderten Demonstranten auch ein Wort der Begrüßung an die wartende KundgebungsteilnehmerInnen. "Darauf bin ich nicht vorbereitet." lautete der dreiste Kommentar des Bürokraten. Zu einer solchen Ignoranz paßt auch das nun geschilderte Verhalten der DGB-Veranstaltungsleitung gegenüber ausländischen KollegInnen.

Erstmals seit einigen Jahren erschien wieder eine größere Gruppe KurdInnen auf der Demonstration. Das war der Polizei offensichtlich zuviel und so griffen Staatsschützer am Marienplatz zu und nahmen drei kurdische Kollegen fest. Ihnen wurde vorgeworfen, kurzfristig die kurdische Fahne gezeigt zu haben. Während zwei nach kurzem freikamen, wurde der Asylbewerber Ibrahim zur erkennungsdienstlichen Behandlung geschleppt. In der selben Zeit überfiel die Augsburger Polizei seine Wohnung und durchwühlte sie.

Gegen diese Provokation einer Gewerkschaftskundgebung riefen Mitglieder des RSB mit einem Megaphon zu einer spontanen Demonstration zur Polizeiwache auf. Leider ist dies schon Tradition, nachdem auch im letzten Jahr die Polizei sich erdreistete, einen kurdischen Kollegen auf der Maikundgebung zu greifen, wogegen unverzüglich ein erfolgreicher Protestmarsch organisiert wurde. Dieses Jahr beteiligten sich knapp 150 Mitglieder sozialistischer Organisationen an dem Protest. Fahnen von PDS, DKP und der türkischen ÖDP wehten. Ein Fronttransparent forderte: "Weg mit dem Verbot der PKK". Vor der Polizeiwache gab es kurze Redebeiträge gegen das PKK-Verbot und türkische Genossen sangen "Bir Mayis", das traditionelle Kampflied der türkischen Revolutionäre zum 1.Mai. Dann gingen wir zurück zum Fest des DGB um, so ein Redner "den Bürokraten dort mal in den Arsch zu treten, damit sie was für ihren kurdischen Kollegen tun".

VertreterInnen der Informationsstelle MESOPOTAMIA und des "Bündnisses gegen Rassismus" forderten die DGB-Veranstaltungsleitung auf, offiziell gegen die Polizeiprovokation zu protestieren und die Freilassung des kurdischen Kollegen zu verlangen. Die Äußerungen der Bürokraten waren jedoch entlarvend: "Wir kümmern uns nur um soziale Belange. Ausländerprobleme gehen uns nicht an." "Der Kurde ist wohl kriminell, sonst wäre er nicht verhaftet worden." "Das ist immer ein Problem mit diesen Kurden, die hier Unfrieden auf unseren Kundgebungen stiften." Am positivsten war noch die Reaktion der stellvertretenden Veranstalterin: "Ihr überschätzt die Macht des DGB." Keinem der BürokratInnen war bewußt, das es sich hier um eine gezielte Polizeiprovokation zur Einschüchterung ausländischer KollegInnen handelte, um einen Versuch, die ArbeiterInnen zu spalten und uns damit alle zu schwächen. Schließlich war die inoffizielle Begründung des DGB für den Verzicht auf die Maidemo im letzten Jahr, es könnten Kurden kommen.

Die Münchner Gewerkschaftsführung sollte sich ein Beispiel an ihren KollegInnen in Hannover nehmen. Als dort die Polizei kurdisch-türkische DemonstrantInnen auf der Maidemonstration angriff, ging die hannoversche DGB-Chefin Helga Christensen auf die EmigrantInnen zu und entschuldigte sich für das Verhalten der Polizei, das sie "als Gewerkschafterin und Deutsche zutiefst beschäme". Die IG-Metall Hannover fordert disziplinarische Maßnahmen gegen die Polizeieinsatzleitung. Es sollte sich endlich auch in München die Erkenntnis durchsetzen, daß Rassismus, Ausländergesetze und Organisationsverbote zur Schwächung der Arbeiterbewegung führen und entschieden bekämpft werden müssen.

NiB