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1997

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1.Mai
Aufruf zur oppositionellen Demo am 1. Mai 1997 um 10.15 Uhr in Göttingen am DGB-Gewerkschaftshaus (Obere Maschstraße 10)

Heraus zum internationalen Kampftag der Arbeiterklasse!

Für das Recht auf Arbeit und Ausbildung!

Für den 6-Stundentag bei vollem Lohn- und Personalausgleich jetzt sofort!

Für die Einheit aller Arbeiterinnen und Arbeiter im Kampf gegen Kabinett und Kapital!

Schafft unabhängige Kampf- und Streikkomitees als wirksame Kampforgane aller Beschäftigten in einem Betrieb oder einer Verwaltung!

Für die Abschaffung des rassistischen Ausländerrechts!

Kampf den deutschen EU-Plänen

Beteiligt Euch an der Demonstration zum Internationalen Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse am Donnerstag, den 1. Mai 1997 um 10.15 Uhr am DGB-Gewerkschaftshaus (Obere Maschstraße 10).

Das Bündnis gegen Arbeiterinnen und Arbeiter geht weiter!

Beteiligt daran sind nicht nur das Kapital und seine politischen Sachverwalter in den verschiedenen Regierungen, die:

  • Kürzungen bei Kranken und Gesunden im Rahmen der sogenannten "Gesundheitsreform" vornehmen und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einschränken wollen.
  • die Löhne und Gehälter kürzen.
  • die sogenannten Lohnnebenkosten senken. Da diese sogenannten Lohnnebenkosten (u.a. Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber) aber nichts anderes als verstaatlichter Lohn sind, führt ihre Senkung letztendlich zu Lohn- oder Gehaltskürzung.
  • mit ihrer "Steuerreform" dafür sorgen, daß die Besteuerung für das Kapital und die Reichen noch weiter gesenkt werden und gleichzeitig die Massensteuern und die Steuern der Lohnabhängigen noch höher angesetzt werden.
  • mit Privatisierung von bisher öffentlichen Betrieben für profitable Kapitalanlagen für das Kapital sorgen und den Kunden höhere Kosten oder Gebühren und für die Beschäftigten niedrigere Bezahlung und schlechtere Arbeitsbedingungen bereiten.
  • die Arbeitslosigkeit auf das Rekordniveau von mindestens sieben Millionen fehlenden Arbeitsplätzen getrieben haben. Und daß diese schon jetzt ungeheuer hohe Zahl der Arbeitslosen - auch in einer kapitalistischen Metropole wie der BRD - noch weiter steigen wird, zeigen u.a. Studien der Internationalen Arbeitsorganisation der UNO (IAO). Diese Studien sagen voraus, daß im nächsten Jahrtausend nur noch 1/5 der arbeitsfähigen Bevölkerung für die Kapitalverwertung gebraucht werden. Mit anderen Worten: Mehr als 80 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung wird mehr oder weniger arbeitslos sein! So bestätigt selbst die UNO die Analysen von Karl Marx, der bereits 1867 im ersten Band des Kapitals schreibt: "Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee [der Arbeitslosen ...] Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Überbevölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschichte der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Pauperismus." (Karl Marx, Das Kapital. I. Band, MEW 23, S. 673-674)

DGB-Gewerkschaften sind immer mit dabei!

Diese Politik wird nicht nur von Regierung und Kapital durchgesetzt. Auch die DGB-Gewerkschaften haben ihre besondere Rolle in diesem System. Sie sollen den Widerstand gegen diese Gewalttaten des Kapitals in legale, tarifvertragliche und reformistische Bahnen lenken, dem Widerstand die Spitze abbrechen und letztendlich in das System des Kapitalismus integrieren: Auch "linke" Parteien spielen in den Landesregierungen und kommunalen Verwaltungen letztendlich immer die Rolle der regionalen Sparkommissare der Kohlregierung, versuchen ihre erbärmliche Rolle dadurch zu vertuschen, indem sie behaupten, "Schlimmeres

verhindert zu haben". Doch viele kleine Übel, die schrittweise kommen und beruhigen sollen ("So schlimm wird es nicht kommen!" oder "Das kann ich mir gerade noch leisten!") sind letztlich nicht besser als ein großer Einschnitt.

Der "Kampf" um die volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

Die Rolle, die die DGB-Gewerkschaften in diesem System auszufüllen haben, wird ganz deutlich, wenn wir uns die Auseinandersetzung um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ansehen. Nachdem die Bundesregierung dem Kapital mit dem neuen Entgeltfortzahlungsgesetz die Möglichkeit gegeben hatte, die Lohnfortzahlung für Kranke auf 80 Prozent abzusenken, gingen die DGB-Fürsten daran, die Lohnfortzahlung in den Manteltarifverträgen abzusichern, anstatt diesen politischen Angriff von Kabinett und Kapital mit politischen Mitteln zu bekämpfen. Es wurde kein gemeinsamer, politischer Kampf aller Kolleginnen und Kollegen um die volle Lohnfortzahlung mit (Warn-)Streiks, Aktionen während der Arbeitszeit, Demonstrationen in allen Städten ... organisiert, wie es viele Kolleginnen und Kollegen an der Basis forderten. Und als dann die Basis im Oktober in spontanen Streiks und Aktionen (in der Metallindustrie, bei Daimler-Benz, mit den Resolutionen in vielen Betriebs- und Gewerkschafsversammlungen), praktisch vorführten, wie man sich wirksam zur Wehr setzt, mußten diese Aktionen zunächst aufgegriffen werden, damit die DGB-Bürokraten die Leitung dieser Aktionen innehaben, um sie anschließend in die ruhigen Bahnen der Tarifverhandlungen (der niedersächsischen Metallindustrie) zu lenken.

Daß also keine einheitliche Verteidigung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zustande kam, liegt nicht in der mangelnden Kampfbereitschaft der Arbeiter und Angestellten. Denn die haben ihre Kampfbereitschaft eindrucksvoll in den spontanen Oktober-Aktionen unter Beweis gestellt. Doch diese Aktionen wurden von der Gewerkschaftsbürokratie in den verschiedenen Verhandlungsrunden den "Kompromissen" geopfert: Obwohl viele Basisgliederungen ihre Gewerkschaftsspitzen aufforderten, keine Zugeständnisse (wie etwa beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder der Berechnungsgrundlage der Lohnfortzahlung) zu machen. Trotzdem schloß die IG Chemie für die Kautschuk-Industrie die 90 Prozent Lohnfortzahlung ab, die IG Metall nahm Verschlechterungen bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld, sowie der Berechnungsgrundlage hin und die Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten schloß Haustarifverträge zwischen 90 und 100 Prozent Lohnfortzahlung bei Krankheit ab.Dabei fragte sich niemand aus der Gewerkschaftsführung ernsthaft, warum die Arbeitenden überhaupt krank werden. Warum ein Drittel der Bevölkerung vor Erreichung des Rentenalters stirbt? Warum die Hetze und der Streß in allen Betrieben in den letzten Jahren deutlich größer und härter geworden ist? Warum die Überstunden immer weiter und weiter steigen? Was das in z.B. 10 Jahren für ein Leben sein soll, wenn aus denjenigen, die noch Arbeit haben, jeden Tag noch etwas mehr herausgepreßt wird?

Schaffen wir unabhängige Kampf- und Streikkomitees in den Betrieben und Verwaltungen!

Diese Auseinandersetzung zeigt, daß jeder Verzicht auf den Kampf gegen die Angriffe der Regierenden und des Kapitals für die Lohnabhängigen immer weitere Verarmung, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, längere Arbeitszeiten bei niedrigeren Löhnen, wachsende Arbeitslosigkeit und Entrechtung bedeutet. Der konkrete Kampf gegen die verstärkte Ausbeutung durch die Kapitalisten war, ist und wird die einzige Möglichkeit für uns Lohnabhängige sein, sich gegen diese Angriffe effektiv zu wehren und unsere Forderungen durchzusetzen. Der Streik ist das wichtigste Kampfmittel dafür. So sind im Grunde auch jetzt gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen die einzige Möglichkeit, den Sozial-, Demokratieabbau und Lohnraub durch Regierung und Kapital zu stoppen. Da diese aber zur Zeit nicht mit diesen Gewerkschaftsvorständen eingeleitet werden können, ist es die Aufgabe der Basis in den Betrieben und Verwaltungen den Kampf aufzunehmen. Dafür ist es notwendig, ein unabhängiges Organ in den Betrieben und Verwaltungen zu schaffen, das von der ganzen Belegschaft gewählt wird (unabhängig ob gewerkschaftlich organisiert oder nicht), um einen konkreten Streik oder eine konkrete Kampfaufgabe zu organisieren, koordinieren und zu leiten. Dabei ist es wichtig, daß dieses Komitee der Belegschaft über jeden Schritt, den es einleitet, Rechenschaft ablegt, jederzeit abwählbar und an die Beschlüsse der Belegschaft absolut gebunden ist. Nur so kann verhindert werden, daß sich neue Co-Manager oder würdige Nachfolger der Gewerkschaftsbürokratie herausbilden, die mit den Kapitalisten gemeinsame Sache machen.Diese Forderung nach eigenständigen Kampf-/Streikkomitees bedeutet nicht, sich gegen gewerkschaftliche Organisierung zu stellen oder für einen Gewerkschaftsaustritt zu sein. Sondern sie meint vielmehr, gleichzeitig innerhalb der DGB-Gewerkschaften dafür zu kämpfen, daß diese wieder Kampf- und Solidaritätsorganisationen der Lohnabhängigen werden und sich nicht endgültig in Verbände der Co-Manager und der Betriebsgefolgschaft verwandeln, wie unter anderem das neue DGB-Grundsatzprogramm zeigt.

Das einzig wirksame Mittel in Händen der Beschäftigten, das die Möglichkeit bietet der Offensive des Kapitals und seiner Helfershelfer Einhalt zu gebieten, ist die Gründung von solchen unabhängigen Kampf-/Streikkomittees in den Betrieben und Verwaltungen. Dies macht z.B. der entschlossene Kampf der Kaliarbeiter in Bischofferode deutlich. Gegen den erklärten Willen ihrer Gewerkschaft, besetzten sie ihr von der Schließung bedrohtes Werk und verliehen ihren Forderungen mit einem Hungerstreik Nachdruck. So konnten sie wenigstens Reformforderungen durchsetzen und - was wichtiger ist - sie zeigten, daß es organisatorisch möglich ist, auch gegen die Gewerkschaftsführung und ihre faulen Kompromisse, die angeblich "Schlimmeres verhindern", einen konkreten Kampf zu führen.

Klassenkampf statt Vaterland!

Das sogenannte "Bündnis für Arbeit" der Gewerkschaftsvorstände mit den Jobkillern aus Kabinett und Kapital richtet sich im wesentlichen gegen die Arbeiterinnen und Arbeiter in andern Ländern sowie die nichtdeutschen Kolleginnen und Kollegen hier in der BRD (wie der Vorschlag des IG-Metall-Chef Zwickels für "Ausländerquoten", um den "deutschen Arbeitsmarkt zu entlasten und den sozialen Sprengstoff zu entschärfen" Focus 5/97, S. 71).

Letztendlich richtet es sich auch gegen alle Arbeiterinnen und Arbeiter in der BRD. Denn mit dem (standort-) nationalistischen und rassistischen "Bündnis für Arbeit" soll letztendlich nur Lohnverzicht durchgesetzt werden. Aber Lohnverzicht ist im Kapitalismus eben kein solidarisches Verhalten für mehr Arbeitsplätze, sondern nur eine Niederlage der Lohnabhängigen im Verteilungskampf mit dem Kapital. Denn ob höhere Gewinne investiert und damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden, ist keine Frage des guten Willens derer, die auf einen Teil ihres bisherigen Lohnes verzichten. Hierfür ist im Kapitalismus vielmehr die Rentabilität weiterer Investitionen entscheidend. Denn Arbeit, die den ernährt, der sie verrichtet und dem nützt, der ihr Produkt gebrauchen kann, findet im Kapitalismus einfach nicht statt, solange sie nicht einem Dritten - dem Kapitalisten - nützt, der diese Arbeit einsetzt, um aus seinem Vermögen ein noch größeres Vermögen zu machen. Und so haben die enorm gestiegenen Gewinne in den letzten zwei Jahrzehnten kaum zusätzliche Investitionen bewirkt und letztendlich nur die Möglichkeit geschaffen, durch Rationalisierung und Arbeitsverdichtung noch mehr Arbeitsplätze zu vernichten.Folglich muß unser Kampf nicht nur gegen die einzelnen Kapitalisten und Konzerne geführt werden. Unser Kampf muß gegen das gesamte imperialistische Herrschaftssystem gehen: Gegen den imperialistischen deutschen Staatsapparat, dessen Vorherrschaft in der Europäischen Union und Griff zur Weltmacht, gegen die Konzerne, Kapitalisten und ihre Helfershelfer innerhalb der Arbeiterbewegung, die DGB-Fürsten.

Der Hauptfeind steht im eigenen Land! (Karl Liebknecht, Illegales Flugblatt 1915)

V.i.S.d.P.: Karl Müller, Theodor-Heuß-Str. 15, 37075 Göttingen

Dieser Aufruf wird unterstützt von: ATIF - Förderation der Arbeiterinnen und Arbeiter aus der Türkei, Naturfreundejugend Göttingen, Rote Jugend Göttingen, Deutscher Freidenker-Verband Göttingen, YDG - Neue demokratische Jugend Göttingen, Rebell Göttingen, Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands Göttingen