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1997

Rubrik
80 Jahre
Oktoberrevolution

Vortrag und Diskussion der Hans Beimler Gesellschaft

zum 80. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution

Freitag, 7. November 19.30 Uhr

im Volkshaus der Türkei Göttingen (Bürgerstraße 13, neben der Voigtschule)

Referent: Rolf Vellay (Datteln)

Der Referent, Rolf Vellay, ist 1927 als Sohn einer Offiziers- und Grundbesitzerfamilie in Schlesien geboren. Mit 17 Jahren wurde er noch 1944 freiwillig Soldat. Von 1947 bis 1949 arbeitete er als Volontär und Redakteur bei einer Tageszeitung in Straubing. Nach kurzer Tätigkeit als freier Journalist studierte er 1950 bis 1952 an der "Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft" in Wilhelmshaven u.a. bei Professor Wolfgang Abendroth. Seit 1953 arbeitet er im Ruhrgebiet als Bergmann unter Tage. Im gleichen Jahr wird er in die KPD aufgenommen. Bis in die Illegalität unter dem Adenauer-Regime wird er mehrmals verhaftet und verbringt insgesamt ein Jahr im Gefängnis. In den folgenden Jahren ist er in der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit engagiert und lange Jahre Betriebsratsmitglied einer Bergbau-Spezialgesellschaft bis zum Ausscheiden aus dem Bergbau im Jahre 1977. Rolf Vellay ist heute parteipolitisch nicht organisiert und versteht sich als Marxist-Leninist.Mit seiner Broschüre "Mehr Sozialismus mit Gorbatschow?" veröffentlichte Rolf Vellay die erste fundierte Analyse des konterrevolutionären Charakters der "Perestroika-und Glasnost"-Politik.

80. Yildönümünde Büyük Sosyalist Ekim Devrimi

80. Jahrestag der Großen sozialistischen Oktoberrevolution

Heute, 80 Jahre nachdem sich die Arbeiterinnen, Arbeiter und Bauern in Rußland gegen Ausbeutung und Unterdrückung erhoben und die Kapitalisten und Großgrundbesitzer gestürzt haben, ist ihr damals neuer Staat, die Sowjetmacht der ArbeiterInnen und Bauern, die Diktatur des Proletariats zerschlagen. Ideologie und Geschichtsschreibung der Herrschenden stellt den Kapitalismus als "beste aller denkbaren Gesellschaftsformen" dar und propagiert das "Ende der Geschichte". Doch es gibt weder Ende noch Stillstand der Geschichte. Deshalb bleiben die Fragen: Wie wurde der Kapitalismus in Rußland und später auch in anderen Ländern gestürzt? Was bleibt heute von den Erfahrungen und Kämpfen der sozialistischen Sowjetunion?

Tage, die die Welt erschütterten

Am 6. November 1917 - dem 24. Oktober der alten russischen Zeitrechnung - treten die Petrograder Arbeiterinnen, Arbeiter, Soldaten und Matrosen unter der Parole der Bolschewiki "Brot, Land und Frieden!" in den bewaffneten Aufstand, um die bürgerliche Provisorische Regierung des Sozialrevolutionärs Kerenski, die das Volk unterdrückt und den imperialistischen Krieg weiterführen will, zu stürzen. Auf Befehl des Revolutionären Militärkomitees, das vom Zentralkomitee der bolschewistischen Partei geleitet wird, besetzen die bewaffneten Gruppen von ArbeiterInnen und Soldaten - die Roten Garden - innerhalb weniger Stunden die strategisch wichtigen Punkte der damaligen Hauptstadt Rußlands. Am Abend des 7. Novembers geben die Schüsse des Panzerkreuzers Aurora das Signal zum Sturm auf das Petrograder Winterpalais, dem letzten Zufluchtsort der bürgerlichen Regierung: "Im Dunkel der Nacht, durch blassen, nebelhaften Rauch hindurch, nur beleuchtet vom Licht der Laternen und den feurigen Blitzen der Schüsse, kamen aus allen angrenzenden Straßen und hinter den nächsten Ecken die Ketten von Rotgardisten, Matrosen und Soldaten wie schreckliche, unheildrohende Schatten hervor. ... In der Luft stand, das unaufhörliche trockene Knattern der Maschinengewehre und Karabiner übertönend, ein ununterbrochen sieghaftes "Hurra", ein gewaltiges, mitreißendes, die ganze verschiedenartige Masse zusammenschweißendes "Hurra". Ein Augenblick - und die Barrikaden, ihre Verteidiger und die Angreifer verschmolzen zu einer dunklen Masse, kochend wie ein Vulkan, und im nächsten Moment erdröhnte der Siegesschrei bereits auf der anderen Seite der Barrikaden. Der Menschenstrom überflutete die Freitreppe, die Eingänge, die Treppen des Palastes." [Augenzeugenbericht von N.I. Podwoiski 1]

Die Mitglieder der Provisorischen Regierung werden verhaftet, der alte Staatsapparat zerschlagen und durch die neue Macht, die Räte (Sowjets) der Arbeiterinnen, Arbeiter, Soldaten und Bauern ersetzt. Die große militärische und politische Überlegenheit der revolutionären Kräfte, ihre feste Massenverankerung und die erfolgreiche Leitung der Bolschewiki sichert den vollständigen Sieg des Oktoberaufstandes in Petrograd. Die 650 Delegierten des II. Sowjetkongreßes in Petrograd beschließen auf Antrag W.I. Lenins: "Gestützt auf den Willen der gewaltigen Mehrheit der Arbeiter, Soldaten und Bauern ... nimmt der Kongreß die Macht in seine Hände. ... Der Kongreß beschließt: Die ganze Macht geht allerorts an die Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten über, die eine wirkliche revolutionäre Ordnung zu gewährleisten haben." [2] Am Abend des 8. November beschließt der Kongreß das "Dekret über den Frieden", mit dem allen kriegführenden Völkern und Regierungen ein sofortiger und demokratischer Frieden ohne Annexion und Kontributionen angeboten wird. Weitere Maßnahme ist das "Dekret über den Grund und Boden", mit welchem sofort über 150 Millionen Hektar Land aus dem Eigentum der Großgrundbesitzer an Genossenschaften und Kleinbauern übergehen. Es beginnt eine neue Epoche im Kampf der unterdrückten Klassen und Völker der ganzen Welt, Hammer und Sichel werden das Wappen für ein Sechstel der Erde. Die Existenz der sozialistischen Sowjetunion gibt der internationalenArbeiterInnenbewegung und den unterdrückten Völkern in den verschiedenen Ländern wesentlichen Inhalt und Auftrieb. Die siegreiche Oktoberrevolution zeigt der Arbeiterklasse, daß ihr Kampf erfolgreich sein kann und daß er nicht mehr nur um Veränderungen innerhalb des Kapitalismus geführt wird, sondern um die Eroberung der gesamten politischen Macht.

Erster Sieg der Arbeiterklasse über den Kapitalismus

Die Macht der Arbeiterklasse - Die Partei Neuen Typs

"Zwischen dem Erscheinen des Kommunistischen Manifestes und dem russischen Oktobersturz liegen fast siebzig Jahre des proletarischen Klassenkampfes. Eine Reihe von Volksrevolutionen fand in den verschiedensten Ländern statt. ... [Pariser Kommune 1871, russische Revolution von 1905, russische Februarrevolution von 1917]. Zum ersten Mal hat das Proletariat am 7. November 1917 nicht nur eine weltgeschichtliche Sekunde lang, sondern für Dauer die Macht ergriffen. Zum ersten Male hat das Proletariat nicht nur eine Schlacht, sondern einen ganzen Krieg ... gegen die Ausbeuter der ganzen Welt gewonnen ..., zum ersten Male [nahm es] die Macht in die Hände [.. und wandte sie] rücksichtslos gegen ihre Feinde [an]." [3] Diese neue Sowjetmacht nutzen die Arbeiterinnen, Arbeiter und Bauern, um die Industrie und die Banken zu verstaatlichen, die landwirtschaftliche Produktion auszubauen und Ende der zwanziger Jahre zu kollektivieren, den Achtstundentag gesetzlich einzuführen, das kulturelle Niveau zu heben, insbesondere die Bevölkerung des Landes vollständig zu alphabetisieren. Wesentlich ist dabei, daß die Mehrheit der Bevölkerung auf dem Land in bäuerlichen Verhältnissen lebt und daß die Sowjetunion ein flächenmäßig großer Vielvölkerstaat ist.

Revolution und Konterrevolution

Nach dem Sieg der Oktoberrevolution greift die Konterrevolution mit dem Bürgerkrieg der UdSSR und der Interventionen der verschiedenen imperialistischen Staaten die junge Sowjetmacht mehrfach kriegerisch an. Unter großen Verlusten und bei fast völliger Zerstörung der ohnehin schwachen Industrie wehren die Arbeiterinnen, Arbeiter und Bauern der Roten Armee diese mit Waffengewalt ab. In den folgenden 20 Jahren wird eine sozialistische Industrie aufgebaut. Diese ist die Grundlage für den entscheidenden militärischen Beitrag der UdSSR zur Befreiung Europas vom deutschen Faschismus. Dieser industrielle Sprung vom Anfang der 20er Jahre bis Anfang der 40er Jahre ist bis heute eine einmalige ökonomische Leistung. Sie beeindruckte und beängstigte die imperialistischen Herrscher dieser Welt und ist unverändert Beleg der höheren Effektivität der sozialistischen Wirtschaft in dieser Phase. Heute besteht weder die UdSSR, noch ein starkes sozialistisches Lager, die Diktatur des Proletariats ist beseitigt worden. Hieraus ergibt sich dringender Diskussionsbedarf: Warum ist es der Konterrevolution gelungen, die sozialistischen Staaten zu liquidieren? Hat J.W. Stalin den Untergang der Sowjetunion eingeläutet, die Revolution "verraten" oder heißt heute "Zurück zu Stalin!" vorwärts für die kommunistische Bewegung? Gibt es einen entscheidenen Bruch oder Verrat? Welcher Weg kann zu einem neuen Anlauf zur Beseitigung der kapitalistischen Lohnarbeit führen?

[1] in: E.N. Golikow , Geschichte der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, Berlin, 1962, S. 321-322

[2] LW 26, S. 237

[3] Ernst Thälmann, Der 7. November - eine neue Geschichtsepoche. In: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 1, S. 267