Mao Werke

 

Kapitel 1

|209| WIE MAN DEN KRIEG STUDIERT

1.DIE GESETZE DES KRIEGES ENTWICKELN SICH

Die Gesetze des Krieges sind Probleme, die jeder, der einen Krieg leitet, studieren und lösen muß.

Die Gesetze des revolutionären Krieges sind Probleme, die jeder, der einen revolutionären Krieg leitet, studieren und lösen muß.

Die Gesetze des revolutionären Krieges in China sind Probleme, die jeder, der den revolutionären Krieg in China leitet, studieren und lösen muß.

Wir führen jetzt einen Krieg, unser Krieg ist ein revolutionärer Krieg, unser revolutionärer Krieg wird in China, einem halbkolonialen und halbfeudalen Land, geführt. Deshalb müssen wir nicht nur die allgemeinen Gesetze des Krieges, sondern auch die spezifischen Gesetze des revolutionären Krieges und die noch spezifischeren Gesetze des revolutionären Krieges in China studieren.

|210| Wenn man, womit immer man sich beschäftigt, die näheren Umstände der betreffenden Sache, ihren Charakter, ihren Zusammen. hang mit anderen Dingen nicht begriffen hat, dann kennt man, wie jedermann weiß, auch nicht die Gesetze dieser Sache, weiß nicht, wie an sie heranzugehen, kann sie nicht erfolgreich bewältigen.

Kriege, die es seit dem Entstehen des Privateigentums und der Klassen gibt, sind die höchste Kampfform, die bei der Lösung der Widersprüche zwischen Klassen, Nationen, Staaten oder politischen Gruppen angewendet wird, sobald diese Widersprüche eine bestimmte Entwicklungsstufe erreicht haben. Wenn man die näheren Umstände des Krieges, seinen Charakter und seinen Zusammenhang mit anderen Dingen nicht begriffen hat, kennt man auch nicht seine Gesetze, weiß man nicht, wie ihn zu leiten, ist man nicht imstande, ihn zu gewinnen.

Ein revolutionärer Krieg, d. h. ein revolutionärer Klassenkrieg oder ein revolutionärer nationaler Krieg, weist neben den Umständen und Charaktermerkmalen, die dem Krieg im allgemeinen zukommen, seine spezifischen Umstände und Charakterzüge auf. Deshalb wird er nicht nur von den allgemeinen Gesetzen des Krieges, sondern auch von gewissen spezifischen Gesetzen regiert, die ihm eigen sind. Ohne seine spezifischen Umstände und Charakterzüge begriffen zu haben, ohne seine spezifischen Gesetze zu verstehen, ist man nicht in der Lage, einen solchen Krieg zu leiten und ihn siegreich auszufechten.

Ein revolutionärer Krieg in China - sei es ein Bürgerkrieg, sei es ein nationaler Krieg - wird im spezifischen Milieu Chinas geführt, und im Vergleich zum Krieg im allgemeinen sowie zum revolutionären Krieg schlechthin verläuft er unter seinen spezifischen Umständen und hat seinen spezifischen Charakter. Deshalb hat der revolutionäre Krieg in China neben den allgemeinen Gesetzen des Krieges und neben den für alle revolutionären Kriege gemeingültigen Gesetzen auch seine eigenen spezifischen Gesetze. Versteht man diese nicht, dann ist man auch nicht imstande, einen revolutionären Krieg in China zu gewinnen.

|211| Daher müssen wir sowohl die allgemeinen Gesetze des Krieges als auch die Gesetze des revolutionären Krieges und schließlich auch die Gesetze des revolutionären Krieges in China studieren.

Manche Leute vertreten eine falsche Ansicht, die von uns längst verworfen wurde; diese Leute sagen, es genüge, die allgemeinen Gesetze des Krieges zu studieren, oder, konkret gesprochen, sich an die militärischen Vorschriften zu halten, die von der reaktionären chinesischen Regierung beziehungsweise von den reaktionären chinesischen Militärakademien herausgegeben wurden. Sie begreifen nicht, daß diese Vorschriften lediglich die allgemeinen Gesetze des Krieges darlegen und überdies samt und sonders von ausländischen Quellen abgeschrieben sind; wenn wir sie einfach Wort für Wort abschrieben und uns ihrer ohne die geringste Änderung in Form und Inhalt bedienten, wäre es das gleiche wie "die Füße beschneiden, damit sie in die Stiefel passen", und das würde zu einer Niederlage führen. Ihr Argument lautet: Warum müssen wir auf das verzichten, was früher mit Blut erkauft worden ist? Sie begreifen nicht, daß wir zwar die mit Blut erkauften Erfahrungen der Vergangenheit hochhalten sollen, daß wir jedoch auch jene Erfahrungen schätzen müssen, für die wir mit eigenem Blut bezahlt haben.

Von manchen Leuten wird eine andere falsche Ansicht vertreten, die wir auch längst verworfen haben; diese Leute sagen, es genüge, wenn man die Erfahrungen des revolutionären Krieges in Rußland studiert, oder, konkret gesprochen, sich an die Gesetze, nach denen der Bürgerkrieg in der Sowjetunion geführt wurde, und an die von den Militärinstitutionen der Sowjetunion herausgegebenen militärischen Vorschriften hält. Sie begreifen nicht, daß in diesen Gesetzen und Vorschriften die Besonderheiten des sowjetischen Bürgerkriegs und der sowjetischen Roten Armee ihren Niederschlag gefunden haben; wenn wir sie einfach Wort für Wort kopierten und uns nach ihnen richteten, ohne irgendwelche Änderungen zu gestatten, dann wäre es wiederum das gleiche wie "die Füße beschneiden, damit sie in die Stiefel passen", und das würde ebenfalls zu einer Niederlage führen. Diese Leute argumentieren so: Wir führen einen revolutionären Krieg, wie er in der Sowjetunion geführt wurde; die Sowjetunion hat in ihrem Krieg gesiegt, wie kann es für uns eine andere Möglichkeit geben, als dem Beispiel der Sowjetunion zu folgen? Sie begreifen nicht, daß wir die Kriegserfahrungen der Sowjetunion zwar besonders hochschätzen sollen, weil es die Erfahrungen eines revolutionären Krieges in der jüngsten Zeit sind, die unter der Führung Lenins und
|212| Stalins erworben wurden; wir müssen aber auch noch die Erfahrungen des revolutionären Krieges in China schätzen, weil die chinesische Revolution und die chinesische Rote Armee sehr viele eigene Besonderheiten haben.

Es gibt noch eine Art von Leuten, die wieder eine andere falsche Ansicht vertreten, welche wir gleichfalls längst verworfen haben; sie sagen, die Erfahrungen des Nordfeldzugs von 1926/27 seien die wertvollsten, aus denen müßten wir lernen, oder, konkret gesprochen, wir müßten es lernen, ebenso wie die Armee des Nordfeldzugs unaufhaltsam schnurstracks vorzustürmen und die großen Städte einzunehmen. Sie begreifen nicht, daß man die Erfahrungen des Nordfeldzugs studieren soll, sie aber nicht mechanisch kopieren darf, da die Bedingungen, unter denen wir heute den Krieg führen, anders sind als die damaligen. Wir dürfen vom Nordfeldzug nur das übernehmen, was wir noch unter den heutigen Bedingungen verwerten können, und wir müssen gemäß den gegenwärtigen Umständen etwas Eigenes ausarbeiten.

Daraus folgt, daß die verschiedenen Gesetze, nach denen die jeweiligen Kriege geführt werden, durch die verschiedenen Umstände dieser Kriege - die Verschiedenheit der Zeit, des Ortes und des Charakters - bestimmt werden. Was die Bedingung der Zeit betrifft, entwickeln sich sowohl der Krieg als auch die Gesetze der Kriegführung; jede Geschichtsepoche hat ihre Besonderheiten, und so haben denn auch die Gesetze des Krieges jeweils ihre Besonderheiten, können daher nicht mechanisch von einer Epoche auf eine andere übertragen werden. Was den Charakter des Krieges anbelangt, so hat sowohl der revolutionäre als auch der konterrevolutionäre Krieg jeweils seine Besonderheiten, desgleichen die sie regierenden Gesetze, und was für den einen gilt, darf nicht mechanisch auf den anderen übertragen werden. Was die Bedingung des Ortes betrifft, so hat jeder Staat und jede Nation, vor allem jeder große Staat und jede große Nation, seine beziehungsweise ihre eigenen Besonderheiten, und so haben denn auch die Gesetze des Krieges für jeden Staat und jede Nation ihre Besonderheiten und können ebensowenig mechanisch von einem Land auf das andere übertragen werden. Wenn wir die Gesetze der Kriegführung an Kriegen studieren, die in verschiedenen historischen Epochen stattfinden, verschiedenen Charakter haben, in verschiedenen Ländern beziehungsweise von verschiedenen Nationen geführt werden, dann müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die jeweiligen Besonderheiten dieser Gesetze und auf ihre Entwicklung
|213| konzentrieren, dann müssen wir ein mechanisches Herangehen an das Problem des Krieges bekämpfen.

Damit ist es aber noch nicht genug. Ein Kommandeur macht Fortschritte und entwickelt sich, wenn er zuerst nur eine kleine Truppeneinheit befehligen kann, später aber schon einen großen Gruppenverband. Ferner ist es auch nicht gleichgültig, ob dies in einer einzigen Gegend geschieht oder aber in vielen Gegenden. Wenn der Kommandeur, der zuerst bloß in einer ihm wohlbekannten Gegend zu operieren versteht, in der Folge lernt, in verschiedenen Gegenden die Kriegshandlungen zu leiten, dann hat er wiederum Fortschritte gemacht und sich entwickelt. Da sich Technik, Taktik und Strategie sowohl beim Feind wie bei uns entwickeln, sind die Verhältnisse in den einzelnen Stadien ein und desselben Krieges untereinander ungleich. Wenn nun der Befehlshaber, der auf einer niedrigen Entwicklungsstufe das Kommando zu führen wußte, auch später, auf einer höheren Stufe, imstande ist, die Truppen zu kommandieren, dann hat er noch größere Fortschritte gemacht, sich noch weiter entwickelt. Lediglich fähig sein, eine bestimmte Truppeneinheit in einer bestimmten Örtlichkeit, auf einer bestimmten Entwicklungsstufe des Krieges zu befehligen, heißt keine Fortschritte machen, sich nicht entwickeln. Es gibt Menschen, die sich mit einer einzigen Fähigkeit oder einem eng begrenzten Blickfeld zufriedengeben, aber keine weiteren Fortschritte machen; obwohl sie für die Revolution an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit eine gewisse Rolle spielen können, fällt ihnen doch keine große Rolle zu. Wir brauchen militärische Führer, die eine große Rolle spielen können. Alle Gesetze der Kriegführung entwickeln sich gemäß der Entwicklung der Geschichte und der Entwicklung des Krieges; nichts bleibt unveränderlich.

2. DAS ZIEL DES KRIEGES IST DIE ABSCHAFFUNG DES KRIEGES

Der Krieg, dieser Moloch, der die Menschen sich gegenseitig abschlachten läßt, wird mit der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft letzten Endes aus der Welt geschafft werden, und zwar in nicht allzu ferner Zukunft. Es gibt aber nur ein Mittel zur Abschaffung des Krieges: Man muß den Krieg mit dem Krieg bekämpfen, dem konterrevolutionären Krieg den revolutionären Krieg, dem konterrevolutionären nationalen Krieg den revolutionären nationalen Krieg, dem konterrevolutionären Klassenkrieg den revolu-
|214| tionären Klassenkrieg entgegensetzen. In der Geschichte gibt es nur zwei Arten von Kriegen: gerechte und ungerechte. Wir sind für die gerechten Kriege und gegen die ungerechten. Alle konterrevolutionären Kriege sind ungerecht, alle revolutionären Kriege sind gerecht. Die Ära der Kriege im Leben der Menschheit wird durch unsere Hände ihr Ende finden, und zweifellos ist der Krieg, den wir jetzt führen, ein Teil des letzten Ringens. Ebenso steht außer Zweifel, daß der Krieg, dem wir uns gegenübersehen, einen Teil des größten und erbarmungslosesten Krieges bilden wird. Uns bedroht der größte und erbarmungsloseste aller ungerechten konterrevolutionären Kriege, und wenn wir nicht das Banner des gerechten Krieges entfalten, wird der Großteil der Menschheit ins Unheil gestürzt werden. Das Banner des gerechten Krieges der Menschheit ist das Banner der Rettung der Menschheit. Das Banner des gerechten Krieges Chinas ist das Banner der Rettung Chinas. Der Krieg, den die überwältigende Mehrheit der Menschheit und die überwältigende Mehrheit der Chinesen führt, ist zweifellos ein gerechter Krieg, ist ein höchst erhabenes und ruhmreiches Werk zur Rettung der Menschheit und Chinas, ist die Brücke zu einer neuen Ära der Weltgeschichte. Von dem Zeitpunkt an, da die menschliche Gesellschaft in ihrer fortschreitenden Entwicklung zur Aufhebung der Klassen und des Staates gelangt, wird es auch keinerlei Kriege mehr geben, weder konterrevolutionäre noch revolutionäre, weder ungerechte noch gerechte, und für die Menschheit wird dann das Zeitalter des ewigen Friedens anbrechen. Wenn wir die Gesetze des revolutionären Krieges studieren, so gehen wir von dem Bestreben aus, alle Kriege abzuschaffen, und das ist die Trennungslinie, die uns Kommunisten von allen Ausbeuterklassen scheidet.

3. DIE STRATEGIE IST DIE LEHRE VON DEN GESETZEN DES KRIEGES IN SEINER GESAMTHEIT

Wird ein Krieg geführt, so gibt es stets eine Gesamtsituation des Krieges. Die Gesamtsituation eines Krieges kann die ganze Welt umfassen, sie kann sich auf ein einzelnes Land erstrecken, sie kann auch auf ein selbständiges Partisanengebiet oder eine größere selbständige Operationsrichtung beschränkt sein. Jede Situation, in der es notwendig ist, die verschiedenen Seiten und die einzelnen Stadien in Betracht zu ziehen, heißt Gesamtsituation des Krieges.

|215| Aufgabe der Strategie ist es, jene Gesetze der Kriegführung zu studieren, welche die Gesamtsituation des Krieges bestimmen. Das Studium jener Gesetze der Kriegführung, die eine Teilsituation bestimmen, ist Aufgabe der operativen Kunst und der Taktik.

Warum ist es notwendig für Kommandeure, die operative bzw. taktische Kampfhandlungen leiten, bis zu einem gewissen Grade die Gesetze der Strategie zu verstehen? Weil man das, was für die Teilsituation gilt, besser anwenden kann, wenn man das für die Gesamtsituation Gültige erfaßt hat, und weil der Teil dem Ganzen untergeordnet ist. Die Ansicht, wonach der strategische Sieg allein durch taktische Erfolge entschieden werde, ist falsch, denn dabei wird übersehen, daß Sieg oder Niederlage in einem Krieg hauptsächlich und vor allem davon abhängt, ob die Gesamtsituation und die einzelnen Stadien gehörig in Betracht gezogen werden. Enthält die Berücksichtigung der Gesamtsituation und der einzelnen Stadien ernste Mängel oder Fehler, dann wird der Krieg unweigerlich verlorengehen. Man sagt: "Ein unvorsichtiger Zug verdirbt die ganze Partie." Die Rede ist hier von einem Zug, der die Gesamtsituation betrifft, d. h. von einem Zug, der für das Ganze von entscheidender Bedeutung ist, nicht aber von einem Zug, der einen Teilcharakter trägt, also für das Ganze keine entscheidende Bedeutung hat. Wie beim Schach, so im Krieg.

Das Ganze kann jedoch von den Teilen nicht getrennt werden und unabhängig von ihnen existieren, es setzt sich vielmehr aus allen seinen Teilen zusammen. Manchmal können gewisse Teile zerstört werden oder eine Niederlage erleiden, ohne daß dadurch das Ganze ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen würde; der Grund dafür liegt dann darin, daß die betreffenden Teile für das Ganze nicht entscheidend sind. Im Krieg kommt es oft vor, daß taktische oder operative Niederlagen oder Mißerfolge nicht zur Verschlechterung der Gesamtsituation des Krieges führen, weil sie eben nicht von entscheidender Bedeutung sind. Wenn aber von den Schlachten, die die Gesamtsituation des Krieges bilden, die meisten oder ein bis zwei Schlachten von entscheidender Bedeutung mit einer Niederlage~ enden, dann tritt sofort in der Gesamtsituation eine Wende ein. Die erwähnten "meisten" oder "ein bis zwei" Schlachten - das ist es eben, was die Entscheidung bringt. Die Kriegsgeschichte kennt Fälle, wo eine einzige verlorene Schlacht nach einer ganzen Reihe von Siegen alle erzielten Erfolge zunichte gemacht hat, und es gab auch Fälle, da nach vielen Niederlagen eine einzige gewonnene Schlacht eine neue Situation eingeleitet hat. In allen diesen Fällen trugen die "ganze Reihe
|216| von Siegen" und die "vielen Niederlagen" nur Teilcharakter und spielten in bezug auf die Gesamtsituation keine entscheidende Rolle, während die "einzige verlorene Schlacht" beziehungsweise die "einzige gewonnene Schlacht" entscheidend war. Aus all dem erhellt, von welcher Bedeutung es ist, die Gesamtsituation in Betracht zu ziehen. Am wichtigsten ist es für denjenigen, der das Kommando der militärischen Operationen in ihrer Gesamtheit führt, die Gesamtsituation des Krieges im Auge zu behalten. Für ihn kommt es vor allem darauf an, daß er sich entsprechend den Umständen mit der Gruppierung der Truppenteile und Verbände, mit den Beziehungen zwischen den einzelnen Schlachten, zwischen den verschiedenen Stadien des Krieges sowie zwischen der eigenen und der gegnerischen Aktivität in ihrer Gesamtheit befaßt. Das alles sind wichtigste Fragen, die größte Anstrengungen erfordern. Wenn man all das aus den Augen verliert und sich statt dessen mit zweitrangigen Fragen abgibt, dann sind Rückschläge kaum zu vermeiden.

Was wir von den Beziehungen zwischen dem Ganzen und den Teilen gesagt haben, gilt nicht nur für die Beziehungen zwischen Strategie und operativer Kunst, sondern auch für die Beziehungen zwischen operativer Kunst und Taktik. Als ein praktisches Beispiel dafür können die Beziehungen dienen, die zwischen den Aktionen einer Division und jenen ihrer Regimenter und Bataillone oder zwischen den Aktionen einer Kompanie und jenen ihrer Züge und Gruppen bestehen. Jeder Truppenführer - auf welcher Ebene er auch immer das Kommando führt - hat sein Hauptaugenmerk auf keine anderen Probleme oder Aktionen zu konzentrieren als auf jene, die für die Gesamtsituation in seinem Befehlsbereich von größter Wichtigkeit und wahrhaft entscheidender Bedeutung sind.

Was wichtig und von entscheidender Bedeutung ist, darf nicht nach der Situation im allgemeinen oder in der Abstraktion, sondern muß nach den konkreten Umständen bestimmt werden. Bei den Kampfhandlungen muß man Stoßrichtung und Angriffspunkt je nach der Lage des Gegners, den Geländeverhältnissen und der Stärke der eigenen Kräfte im gegebenen Augenblick wählen. Man muß darauf achten, daß sich die Kämpfer in Gegenden, die reich an Nahrungsmitteln sind, nicht überessen, und daß sie in Gegenden, wo Nahrungsmittel knapp sind, nicht hungern. In weißen Gebieten kann schon allein das Durchsickern einer einzigen Information zur Niederlage im nächstfolgenden Gefecht führen, während in roten Gebieten das Durchsickern von Informationen häufig nicht so schwerwiegende
|217| Folgen hat. An manchen Schlachten müssen die höheren Kommandeure persönlich teilnehmen, in anderen Fällen ist das unnötig. Das Wichtigste für eine Militärschule ist die Auswahl des Schulleiters und der Lehrkräfte sowie die Festlegung der Richtlinien für die Ausbildung. Bei einer Massenversammlung muß das Hauptaugenmerk darauf gerichtet werden, daß eine starke Beteiligung gesichert wird und passende Losungen aufgestellt werden usw. Mit einem Wort, unser Prinzip ist es, die Aufmerksamkeit auf die wichtigen Kettenglieder zu konzentrieren, von denen die Gesamtsituation abhängt.

Die Gesetze, die die Gesamtsituation des Krieges regieren, können nur durch intensives Nachdenken erlernt werden. Weil das, was für die Gesamtsituation gilt, mit den Augen nicht wahrnehmbar ist, lernt man es auf keinem anderen Weg begreifen als durch intensives Nachdenken. Da sich aber ein Ganzes aus einzelnen Teilen zusammensetzt, können jene, die in den einzelnen Teilsituationen bewandert sind und über operative und taktische Erfahrungen verfügen, die höheren Zusammenhänge verstehen - vorausgesetzt, daß sie gewillt sind, darüber ernsthaft nachzudenken. Bei den strategischen Problemen geht es darum, folgendes zu berücksichtigen: die Beziehungen zwischen dem Feind und uns; die Beziehungen zwischen den einzelnen Operationen oder den verschiedenen Phasen der Kampfhandlungen; jene Teile, die für die Gesamtsituation von Belang (von entscheidender Bedeutung) sind; die in der allgemeinen Situation enthaltenen Besonderheiten; die Beziehungen zwischen Front und Hinterland; die Unterschiede und Zusammenhänge zwischen Verlusten und Ersatz, zwischen Kampf und Ruhepause, zwischen Konzentration und Auflockerung, zwischen Angriff und Verteidigung, zwischen Vormarsch und Rückzug, zwischen Verstecken und Demaskieren, zwischen Hauptangriff und Unterstützungsangriff, zwischen Stoß und Bindungsaktion, zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung des Kommandos, zwischen langwierigem Krieg und Krieg mit rascher Entscheidung, zwischen Stellungskrieg und Bewegungskrieg, zwischen den eigenen Truppen und den befreundeten Truppen, zwischen der einen und der anderen Waffengattung, zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, zwischen Funktionären und Mannschaften, zwischen Altgedienten und Rekruten, zwischen Funktionären auf höheren und Funktionären auf niedrigeren Ebenen, zwischen alten Kadern und neuen Kadern, zwischen roten Gebieten und weißen Gebieten, zwischen alten und neuen roten Gebieten, zwischen Zentralbereich und Randgebiet, zwischen warmem und
|218| kaltem Wetter, zwischen Sieg und Niederlage, zwischen großen Truppenverbänden und kleinen Einheiten, zwischen regulärer Armee und Partisanenabteilungen, zwischen Vernichtung des Gegners und Gewinnung der Massen, zwischen der Vergrößerung der Roten Armee und ihrer Festigung, zwischen militärischer Tätigkeit und politischer Arbeit, zwischen früheren und gegenwärtigen Aufgaben, zwischen gegenwärtigen und künftigen Aufgaben, zwischen Aufgaben unter diesen und Aufgaben unter jenen Bedingungen, zwischen stabiler und beweglicher Frontlinie, zwischen Bürgerkrieg und nationalem Krieg, zwischen dieser und jener historischen Epoche usw. das sind Dinge, die sich der unmittelbaren Beobachtung entziehen, aber durch intensives Nachdenken sämtlich geklärt, erfaßt und gemeistert werden können. Das heißt; man kann alle wichtigen Fragen, die den Krieg oder die Kriegführung betreffen, auf die höhere Ebene der Grundsätzlichkeit heben und sie so lösen. Dieses Ziel zu erreichen ist unsere Aufgabe beim Studium der strategischen Probleme.

4. DIE HAUPTSACHE IST, DASS MAN ZU LERNEN VERSTEHT

Wozu wurde die Rote Armee organisiert? Um mit ihrer Hilfe den Feind zu besiegen. Wozu studieren wir die Gesetze des Krieges? Um sie im Krieg anzuwenden.

Lernen ist keine leichte Sache, und die praktische Anwendung ist noch schwieriger. Viele Leute wirken zwar gleichermaßen eindrucksvoll, wenn sie im Hörsaal oder in Büchern die Militärwissenschaft darlegen; wenn sie aber aufs Schlachtfeld kommen, dann siegen die einen, während die anderen unterliegen. Das ist sowohl durch die Kriegsgeschichte als auch durch unsere eigenen Kriegserfahrungen bestätigt worden.

Wo liegt denn der Schlüssel dazu?

Es ist nicht realistisch zu verlangen, daß die Generale stets siegreich seien; solche Generale hat es seit alters nur sehr wenige gegeben. Wir brauchen mutige und kluge Generale, die im Verlauf des Krieges in der Regel siegen, d. h. Generale, die Weisheit und Tapferkeit in sich vereinen. Um über diese beiden Eigenschaften zu verfügen, muß man sich eine Methode zu eigen machen, der man sich sowohl beim Studium als auch bei der Anwendung des Erlernten zu bedienen hat.

Was ist das für eine Methode? Sie besteht darin, sich sowohl mit der Lage des Gegners als auch mit der eigenen Lage allseitig vertraut
|219| zu machen, die Gesetze, die das Handeln der beiden Seiten bestimmen, zu ermitteln und sie bei unseren eigenen Aktionen anzuwenden.

In den militärischen Vorschriften vieler Länder wird sowohl auf die Notwendigkeit, "die Grundsätze je nach der Lage elastisch anzuwenden", als auch auf die Maßnahmen hingewiesen, die im Falle einer Schlappe zu ergreifen sind. Der erste Hinweis warnt die Kommandeure davor, durch eine starre Anwendung der Grundsätze subjektive Fehler zu begehen; der zweite gibt ihnen Verhaltensmaßregeln für den Fall, daß sie subjektive Fehler begangen haben oder daß unvorhergesehene und unabwendbare Änderungen in der objektiven Lage eingetreten sind.

Warum kommen subjektive Fehler vor? Weil die Disposition und die Kampfleitung im Krieg oder im Gefecht den gegebenen Bedingungen von Zeit und Ort nicht entsprochen haben, weil die subjektive Leitung mit den realen objektiven Umständen nicht übereingestimmt hat, ihnen nicht angepaßt war, oder anders ausgedrückt, weil der Widerspruch zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven nicht gelöst worden ist. Eine solche Situation ist bei jeder Angelegenheit schwer zu vermeiden, aber manche werden besser, manche schlechter damit fertig. Und wie wir verlangen, daß jede Angelegenheit relativ gut erledigt wird, so verlangen wir auch, daß im Krieg mehr Siege erfochten oder, anders gesagt, weniger Niederlagen erlitten werden. Der Schlüssel liegt hier darin, daß das Subjektive mit dem Objektiven bestens in 'Übereinstimmung gebracht wird.

Nehmen wir ein Beispiel aus der Taktik. Wenn als Angriffspunkt die eine Flanke des Gegners gewählt wird und sich dort tatsächlich dessen schwacher Punkt befindet, der Angriff daher erfolgreich ist, so besagt dies, daß das Subjektive mit dem Objektiven übereingestimmt hat, d. h. also die Angaben der Aufklärung, deren Beurteilung durch den Befehlshaber und dessen Entschluß der tatsächlichen Lage des Gegners und seiner Aufstellung entsprochen haben. Wäre der Angriff gegen die andere Flanke oder gegen das Zentrum der gegnerischen Stellung vorgetragen worden, der Angriff hier auf eine starke Gegenwehr gestoßen und ins Stocken geraten, dann hätte dies eben bedeutet, daß eine solche Übereinstimmung nicht vorhanden war. Wird der Augenblick des Angriffs richtig gewählt, erfolgt der Einsatz der Reserven weder zu spät noch zu früh und verlaufen auch alle anderen Maßnahmen und Kampfhandlungen günstig für uns und ungünstig für den Gegner, dann hat im ganzen Verlauf des Gefechts
|220| die subjektive Kampfleitung mit der objektiven Situation völlig übereingestimmt. Eine solche völlige Übereinstimmung gibt es in einem Krieg oder in einem Gefecht äußerst selten; denn in einem Krieg oder einem Gefecht sind die beiden kämpfenden Seiten Gruppen lebendiger Menschen, die bewaffnet sind und ihre Geheimnisse voreinander wahren; hier steht die Sache ganz anders als bei unbelebten Dingen oder Angelegenheiten des Alltags. Nichtsdestoweniger ist die Grundlage für einen Sieg allein dann schon gegeben, wenn die Kampfleitung im großen und ganzen, d. h. hinsichtlich der entscheidenden Elemente, den Umständen entspricht.

Die richtigen Dispositionen des Truppenführers ergeben sich aus seinem richtigen Entschluß, dieser wieder aus seiner richtigen Beurteilung der Lage, und sein richtiges Urteil beruht auf der erforderlichen gründlichen Aufklärung, auf der Erwägung der durch diese Aufklärung gewonnenen mannigfaltigen Angaben in ihrem Zusammenhang. Der Truppenführer bedient sich aller möglichen und notwendigen Mittel der Aufklärung, überlegt alle durch sie gesammelten Angaben über die Lage des Gegners, wobei er die Spreu vom Weizen sondert, das Falsche ausmerzt und das Wahre behält, vom einen zum anderen fortschreitet, von der Oberfläche in den Kern eindringt; dann vergleicht er diese Angaben mit der eigenen Lage, studiert das Verhältnis der beiden Seiten zueinander und deren Wechselbeziehungen, gelangt dadurch zu einem Urteil, faßt seinen Entschluß und arbeitet seinen Plan aus. Das ist ein ganzer Prozeß, durch den der Befehlshaber eine Erkenntnis der Umstände gewinnt, ehe er einen strategischen, operativen oder taktischen Plan entwirft. Nachlässige Befehlshaber werden das nicht tun; sie bauen ihre militärischen Pläne auf ihrem Wunschdenken auf, daher sind diese Pläne utopisch und entsprechen nicht der Realität. Unbesonnene Befehlshaber, die sich nur von ihrem Enthusiasmus leiten lassen, gehen unweigerlich dem Gegner auf den Leim, lassen sich durch oberflächliche oder einseitige Angaben über die Lage des Gegners verführen, werden von unverantwortlichen Vorschlägen ihrer Untergebenen beeinflußt, die weder auf einer wirklichen Kenntnis noch auf einer wohldurchdachten Auffassung beruhen, und rennen sich daher unvermeidlich die Köpfe ein, eben weil sie nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, daß jeder militärische Plan auf der unerläßlichen Aufklärung sowie auf der sorgfältigen Überlegung der Situation der gegnerischen und der eigenen Seite und der Wechselbeziehungen zwischen beiden aufgebaut sein muß.

|221| Der Prozeß der Erkenntnis der Situation geht nicht nur vor der Aufstellung eines militärischen Planes vor sich, sondern auch nachher. Im Verlauf der Durchführung des Planes - vom Augenblick an, da er in die Tat umgesetzt wird, bis zur Beendigung der Operation geht ein weiterer Prozeß der Exkenntnis der Situation vor sich, nämlich der Prozeß der Realisierung des Planes. In diesem Prozeß muß erneut überprüft werden, ob das, was im vorhergegangenen Prozeß getan worden ist, der tatsächlichen Situation entspricht oder nicht. Wenn der Plan der Situation nicht oder nicht in vollem Umfang entspricht, dann muß man auf Grund der neuen Kenntnisse eine neue Beurteilung vornehmen, einen neuen Entschluß fassen und den gefaßten Plan so abändern, daß er den neuen Umständen entspricht. Teilweise Abänderungen gibt es fast bei jeder Operation; es kommt auch zuweilen vor, daß ein Plan völlig geändert wird. Unbesonnene Leute, die kein Verständnis für Abänderungen haben oder zu solchen nicht bereit sind, handeln blindlings, werden sich letzten Endes unweigerlich den Kopf einrennen.

Das oben Gesagte bezieht sich auf eine strategische Aktion, eine Schlacht oder ein Gefecht. Ein erfahrener Befehlshaber wird, falls er bescheiden zu lernen bereit ist, imstande sein, sich mit den Besonderheiten seiner eigenen Truppen (Kommandeure, Kämpfer, Waffen, Versorgung usw. sowie all dies zusammengenommen), den Besonderheiten der gegnerischen Truppen (ebenso Kommandeure, Kämpfer, Waffen, Versorgung usw. und das alles zusammengenommen) und allen anderen den Krieg betreffenden politischen, ökonomischen, geographischen, klimatischen und sonstigen Bedingungen gründlich vertraut zu machen; ein solcher Befehlshaber wird dann bei der Leitung eines Krieges oder einer Kampfhandlung seiner Sache verhältnismäßig sicher sein und eher Siege erringen können. Das ergibt sich daraus, daß er nach einer längeren Zeitspanne die gegnerische wie die eigene Situation erkannt, die Gesetze des Handelns ermittelt und den Widerspruch zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven gelöst hat. Dieser Erkenntnisprozeß ist außerordentlich wichtig; ohne eine solche lange Erfahrung ist es schwer, die Gesetze des Krieges in seiner Gesamtheit zu begreifen und zu beherrschen. Ein Anfänger oder jemand, der nur auf dem Papier Krieg zu führen versteht, kann kein wirklich fähiger Befehlshaber auf höherer Ebene sein; um ein solcher zu werden, muß man im Verlauf des Krieges selbst lernen.

Alle militärischen Gesetze oder Theorien von grundsätzlichem Charakter sind Verallgemeinerungen der Erfahrungen früherer Kriege,
|222| die von unseren Vorgängern oder Zeitgenossen vorgenommen wurden. Diese mit Blut erkauften Lehren früherer Kriege, die uns als Erbe hinterlassen worden sind, müssen wir nachdrücklich studieren. Das ist die eine Sache. Es gibt aber noch eine andere Sache, nämlich diese Schlußfolgerungen an Hand der eigenen Erfahrung zu überprüfen, davon das Nützliche zu übernehmen, das Nutzlose zu verwerfen, das, was uns eigen ist, hinzuzufügen. Letzteres ist ungemein wichtig, da wir anderenfalls nicht imstande sind, einen Krieg zu leiten.

Lesen ist Lernen, aber die praktische Anwendung ist auch Lernen, und zwar eine noch wichtigere Art des Lernens. Das Kriegführen durch den Krieg selbst erlernen - das ist unsere Hauptmethode. Wer keine Gelegenheit hatte, eine Schule zu besuchen, kann gleichfalls das Kriegführen erlernen, nämlich im Krieg selbst. Ein revolutionärer Krieg ist Sache der Volksmassen; meistens ist es so, daß man nicht zuerst lernt, um dann zu handeln, sondern zuerst handelt und dabei lernt; Handeln heißt eben schon Lernen. Zwischen einem Zivilisten und einem Soldaten besteht ein Abstand, doch ist dieser nicht die Große Mauer, er kann rasch überwunden werden, und die Methode zur Überwindung dieses Abstands ist die Teilnahme an der Revolution, am Krieg. Wenn wir sagen, daß Lernen und Anwenden des Gelernten nicht leicht sei, so meinen wir, daß es schwer ist, etwas gründlich zu lernen und das Erlernte mit Geschick anzuwenden. Wenn wir sagen, daß Zivilisten rasch Soldaten werden können, so meinen wir, daß es nicht schwer ist, die Schwelle zu überschreiten. Um die beiden Aussagen zusammenzufügen, könnte man das alte chinesische Sprichwort heranziehen: "Für Menschen starken Willens gibt es auf der Welt nichts Schwieriges." Die Schwelle zu überschreiten ist also nicht schwer, und auch Meisterschaft zu erlangen ist möglich, wenn man einen starken Willen hat und zu lernen versteht.

Die militärischen Gesetze sind - ebenso wie die Gesetze, die alle anderen Dinge regieren - eine Widerspiegelung der objektiven Wirklichkeit [1] in unserem Gehirn; alles, was außerhalb unseres Bewußtseins existiert, ist objektive Realität. Daher gehören zu den Objekten des Studiums und der Erkenntnis sowohl die Lage des Gegners als auch unsere eigene Situation, müssen diese beiden Seiten als Objekte der Untersuchung betrachtet werden, während lediglich unser Gehirn (das Denken) das untersuchende Subjekt ist. Es gibt Leute, die sich selbst gut kennen, ihren Feind aber schlecht; es gibt wieder andere Leute, bei denen es umgekehrt ist. Weder diese noch jene sind imstande, das Problem des Studiums und der Anwendung der Gesetze des
|223| Krieges zu bewältigen. Der große Militärwissenschaftler des chinesischen Altertums Sun Wu-dsi [2] sagte in seinem Buch: "Kennst du den Feind und kennst du dich selbst - hundert Schlachten ohne Schlappe." Der Inhalt dieses Ausspruchs bezieht sich auf beide Phasen: auf das Lernen und auf die Anwendung des Gelernten, auf die Erkenntnis der Entwicklungsgesetze der objektiven Realität und auf die diesen Gesetzen entsprechende Festlegung der eigenen Aktionen zur Überwindung des gegebenen Feindes: Wir dürfen diesen Ausspruch nicht geringschätzen.

Der Krieg ist die höchste Form des Kampfes zwischen einzelnen Nationen, Staaten, Klassen oder politischen Gruppen; alle Gesetze des Krieges werden von den kriegführenden Nationen, Staaten, Klassen oder politischen Gruppen benutzt, um den Sieg zu erringen. Es steht außer Frage, daß Sieg oder Niederlage in einem Krieg in der Hauptsache durch die militärischen, politischen, wirtschaftliche Einnahmen und Naturbedingungen bestimmt wird, unter denen die beiden Seiten den Krieg führen. Doch damit nicht genug. Der Ausgang des Krieges wird auch durch die jeweilige subjektive Fähigkeit bestimmt, die Kriegshandlungen zu leiten. Ein Stratege kann nicht trachten, den Krieg zu gewinnen, indem er sich über die durch die materiellen Bedingungen gezogenen Grenzen hinwegsetzt; doch innerhalb dieser Grenzen kann und muß er den Sieg anstreben. Die Aktionsbühne eines Strategen ruht auf den Pfeilern der objektiven materiellen Bedingungen, doch auf diesen Brettern kann er eine Menge klangreicher und farbenprächtiger, kraftvoller und majestätischer Stücke inszenieren. Auf der gegebenen objektiven materiellen Basis, d. h. unter den gegebenen militärischen, politischen, wirtschaftlichen und Naturbedingungen, müssen daher die Führer unserer Roten Armee alle ihre Fähigkeiten aufbieten und die ganze Armee mit sich führen, um die nationalen und die Klassenfeinde zu zerschlagen und diese schlechte Welt zu verändern. Hier ist der Platz, wo sich unsere subjektive Fähigkeit zur Führung entfalten kann und muß. Wir werden keinem Kommandeur der Roten Armee gestatten, zu einem blindwütig um sich schlagenden Draufgänger zu werden; wir müssen vielmehr jeden Kommandeur dazu ermuntern, ein kühner Held mit klarem Kopf zu werden, der sowohl eine alles überwindende Tapferkeit als auch die Fähigkeit besitzt, bei allen Veränderungen und Neuentwicklungen während des ganzen Krieges Herr der Situation zu bleiben. Im Ozean des Krieges schwimmend, darf der Kommandeur nicht untergehen, er muß vielmehr mit abgemessenen Stößen sicher ans andere Ufer gelangen. Die Gesetze der Kriegführung meistern heißt eben die Kunst beherrschen, im Ozean des Krieges zu schwimmen.

Soviel über unsere Methode.

 

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