Mao Werke

 

VIERZEHN GROSSE ERRUNGENSCHAFTEN

Die meisten Kritiker der Bauernvereinigungen behaupten, daß diese viele schlimme Dinge angerichtet hätten. Ich habe oben bereits darauf hingewiesen, daß die Handlungsweise der Bauern, die den Tuhao und Liäschen Schläge versetzen, durchaus revolutionär ist und daß es nichts daran auszusetzen gibt. Die Bauern haben sehr viel geleistet, und um auf die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu antworten, müssen wir alle ihre Handlungen genau und systematisch untersuchen, um zu erkennen, was sie wirklich getan haben. Ich habe die verschiedenen Formen der Tätigkeit der Bauern in den vergangenen Monaten in einzelne Kategorien gruppiert; insgesamt sind es die folgenden vierzehn großen Errungenschaften, die sie unter der Führung ihrer Vereinigungen erzielt haben:

  1. DIE ORGANISIERUNG DER BAUERN IN BAUERNVEREINIGUNGEN

Das ist die erste große Errungenschaft der Bauern. Solche Kreise wie Hsiangtan, Hsianghsiang und Hengschan, wo fast alle Bauern organisiert sind und wo es kaum einen "entlegenen Winkel" gibt, in dem sich die Bauern nicht erhoben hätten, nehmen den ersten Platz ein. In manchen Kreisen, wie in Yiyang und Huajung, ist das Gros der Bauern von den Organisationen erfaßt, und nur ein kleiner Teil von ihnen ist noch unorganisiert; diese Kreise stehen an zweiter Stelle. Den dritten Platz nehmen solche Kreise wie Tschengbu und Lingling ein, wo erst ein kleiner Teil der Bauern organisiert ist und die Mehrzahl noch außerhalb der Organisationen steht. An vierter Stelle folgt Westhunan, das von Yüan Dsu-Ming [12] kontrolliert wird

 |35| und von der Agitation über die Bauernvereinigung bisher nicht erreicht worden ist; dort sind die Bauern in vielen Kreisen überhaupt nicht organisiert. Grob gesagt, sind die Kreise in Mittelhunan, mit Tschangscha als Zentrum, organisatorisch am weitesten fortgeschritten, während Südhunan in dieser Beziehung an zweiter Stelle folgt und im Westen der Provinz die Organisierung erst beginnt. Nach Angaben der Provinz-Bauernvereinigung vom November vorigen Jahres gab es in 37 von den 75 Kreisen Hunans Organisationen mit insgesamt 1 367 727 Mitgliedern. Von diesen Mitgliedern wurde etwa eine Million im Oktober und November vorigen Jahres, als die Macht der Bauernvereinigungen stürmisch anwuchs, organisiert, während bis September die Mitgliederzahl nur 300 000 bis 400 000 betragen hatte. In den weiteren zwei Monaten, die seither verstrichen sind, im Dezember und Januar, erfuhr die Bauernbewegung eine gewaltige Entwicklung. Bis Ende Januar dürfte die Zahl der Mitglieder auf mindestens zwei Millionen angewachsen sein. Da eine Familie in der Regel nur eine Person als Mitglied eintragen läßt und im Durchschnitt fünf Köpfe zählt, muß die von den Vereinigungen erfaßte Bauernmasse etwa zehn Millionen betragen. Dieses erstaunliche und immer raschere Wachstum war die Ursache dafür, daß die Tuhao und Liäschen sowie die korrupten Beamten isoliert wurden, daß die Öffentlichkeit bestürzt wahrnahm, wie eine neue Welt an die Stelle der alten trat, daß sich im Dorf eine große Revolution vollzog. Das ist die erste große Errungenschaft, die die Bauern unter der Führung ihrer Vereinigungen erzielt haben.

2. DER POLITISCHE SCHLAG GEGEN DIE GRUNDHERREN

 Sobald die Bauern ihre Organisationen hatten, war ihre erste Tat, das politische Prestige der Grundherrenklasse, insbesondere der Tuhao und Liäschen, zu zerschlagen, das heißt die Macht der Grundherren in der dörflichen Gesellschaft zu stürzen und die der Bauern aufzurichten. Das ist ein äußerst ernster und wichtiger Kampf. Es ist der zentrale Kampf in der zweiten Periode, in der Periode der revolutionären Aktionen. Wenn man diesen Kampf nicht siegreich besteht, kann man auch im wirtschaftlichen Kampf um die Herabsetzung des Pachtzinses und der Darlehenszinsen, um Grund und Boden sowie andere Produktionsmittel usw. nicht siegen. In vielen Gegenden von Hunan wie in den Kreisen Hsianghsiang, Hengschan und Hsiang-

|36| tan ist dies natürlich kein Problem, da die Macht der Grundherren dort restlos gestürzt ist und die Bauern die alleinige Macht in ihren Händen haben. Doch in Kreisen wie Liling gibt es manche Orte (zum Beispiel in den westlichen und südlichen Distrikten von Liling), wo die Macht der Grundherren zwar schwächer zu sein scheint als die Macht der Bauern, mit dieser aber in Wirklichkeit insgeheim rivalisiert, weil kein scharfer politischer Kampf geführt wurde. In solchen Gegenden ist es noch zu früh zu sagen, daß die Bauern politisch gesiegt hätten; sie müssen dort den politischen Kampf verschärfen, bis die Macht der Grundherren völlig zerschlagen ist. Die Methoden, deren sich die Bauern bedienen, um den Grundherren politische Schläge zu versetzen, sind im allgemeinen folgende:

Rechnungskontrolle. Die Tuhao und Liäschen pflegten, wenn sie die örtlichen öffentlichen Mittel verwalteten, sich an diesen zu vergreifen, und ihre Buchführung war nicht in Ordnung. Nun haben die Bauern die Gelegenheit von Bücherkontrollen benutzt, um viele Tuhao und Liäschen anzuprangern und zu entmachten. In zahlreichen Orten wurden Revisionsausschüsse gebildet, mit dem ausdrücklichen Zweck, die Tuhao und Liäschen zur Rechenschaft zu ziehen, und beim bloßen Anblick eines solchen Ausschusses schlottern denen schon die Beine. Eine solche Kampagne wurde in breitem Ausmaß in allen jenen Kreisen durchgeführt, wo sich die Bauernbewegung entfaltete; ihre Bedeutung liegt nicht so sehr darin, unterschlagene Gelder zurückzuerhalten, als vielmehr darin, die Verbrechen der Tuhao und Liäschen in die Öffentlichkeit zu tragen und damit die Tuhao und Liäschen von ihren politischen und sozialen Positionen zu stürzen.

Geldbußen. Die Bauern haben ein System von Geldstrafen ausgearbeitet, mit denen Verbrechen und Vergehen folgender Art geahndet werden: Unterschlagungen, die bei der Bücherprüfung ans Licht kamen; Brutalitäten gegenüber den Bauern, die in der Vergangenheit begangen wurden; Wühltätigkeit gegen die Bauernvereinigung in der Gegenwart; Verstöße gegen das Verbot der Hasardspiele und Weigerung, die Opiumpfeifen abzuliefern. Ein bei derartigen Verbrechen oder Vergehen ertappter Tuhao oder Liäschen hat dann soundso viel Strafe zu zahlen, wobei die Summe der Geldbuße von einigen Dutzend bis zu Tausenden Yüan beträgt. Natürlich sind jene, die von den Bauern mit Geldstrafen belegt wurden, völlig diskreditiert.

Eintreibung von "Spenden". Gewissenlose reiche Grundherren werden zur Leistung von Beiträgen angehalten, die zur Unterstützung

|37| von Armen, für die Organisierung von Genossenschaften oder bäuerlichen Darlehenskassen und für andere Zwecke verwendet werden. Diese Zwangsspenden sind zwar eine mildere Form als die Geldbußen, bedeuten aber auch eine Bestrafung. Um sich Ungelegenheiten zu ersparen, leisten viele Grundherren freiwillige Beiträge für die Bauernvereinigungen.

Kleine Verhöre. Wenn jemand den Bauernvereinigungen durch Wort oder Tat Schaden zufügt, sein Vergehen aber nicht sehr ins Gewicht fällt, sammeln sich die Bauern zu einem Haufen, dringen in das Haus des Übeltäters ein und nehmen ihn ein wenig ins Verhör. In der Regel lassen sie dann von ihm ab, nachdem er sich schriftlich verpflichtet hat, "Ruhe zu geben", also in Zukunft eine Schädigung des Rufes der Bauernvereinigung in Worten oder Taten zu unterlassen.

Große Demonstrationen. Eine große Menschenmenge wird versammelt und zu einer Demonstration gegen die den Bauernvereinigungen feindlich gesinnten Tuhao und Liäschen geführt; die Demonstranten halten auf deren Besitzungen Mahlzeit, wobei meistens die Schweine und die Getreidevorräte des betreffenden Herrn herhalten müssen. Solche Vorkommnisse sind nicht selten. Kürzlich demonstrierten auf diese Weise 15 000 Bauern in Madjiaho, Kreis Hsiangtan, gegen sechs Liäschen. Die ganze Geschichte dauerte vier Tage, und in dieser Zeit wurden mehr als 130 Schweine geschlachtet und verspeist. Zum Abschluß einer solchen Demonstration werden gewöhnlich noch Geldbußen verhängt.

Mit hohem Hut durchs Dorf führen. Das ist ein sehr häufig angewandtes Verfahren. Man setzt einem Tuhao oder Liäschen einen hohen Papierhut mit der Aufschrift "Tuhao Soundso" oder "Liäschen Soundso" auf. Dann wird er, umringt von einer großen Volksmenge, an einem Strick durch den Ort geführt. Manchmal werden dabei Gongs geschlagen und Fahnen geschwenkt, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung zu erregen. Vor einer derartigen Bestrafung zittern die Tuhao und Liäschen am meisten. Wem man einmal den hohen Hut aufgesetzt hat, der hat für immer sein Gesicht verloren und traut sich nicht mehr, den Kopf zu heben. Deshalb ziehen es die Reichen zumeist vor, mit einer Geldbuße belegt zu werden, anstatt den hohen Hut zu tragen. Wenn aber die Bauern darauf beharren, müssen sie ihn sich aufsetzen lassen. Sehr gewitzt handelte die Bauernvereinigung einer Gemeinde: Sie ließ einen Liäschen festnehmen und verkündete, daß ihm noch am selben Tag der Hut aufgesetzt werden würde. Dem Liäschen wurde vor Angst schwarz vor den Augen. Dann aber

|38| beschloß die Bauernvereinigung, ihn an diesem Tag noch nicht anzuprangern. Sie überlegte nämlich, der Liäschen könnte, würde man ihm gleich den Hut aufsetzen, trotzig werden und seine Angst vor Strafe ablegen; es wäre daher besser, ihn nach Hause gehen zu lassen und die Bestrafung an irgendeinem anderen Tag vorzunehmen. Da der Liäschen nicht wußte, wann ihm der Hut aufgesetzt werden würde, wurde er von einer quälenden Ungewißheit geplagt, hatte Tag und Nacht keine Ruhe mehr.

Ins Kreisgefängnis werfen. Das ist eine schwerere Bestrafung als das Hutaufsetzen. Man verhaftet einen Tuhao oder Liäschen und schickt ihn ins Kreisgefängnis. Dort wird er eingesperrt, und der Kreisvorsteher wird verpflichtet, ihn abzuurteilen und zu bestrafen. Mit der Gefängnishaft ist es nicht mehr so wie ehemals. Früher haben die Schenschi die Bauern eingesperrt, jetzt werden sie von den Bauern ins Gefängnis geworfen.

Austreibung. Die Bauern sind nicht geneigt, die schlimmsten Verbrecher unter den Tuhao und Liäschen aus dem Dorf zu jagen, sondern sie trachten danach, sie zu verhaften oder hinzurichten. Aus Angst, sie könnten verhaftet oder hingerichtet werden, suchen solche Tuhao und Liäschen das Weite. In jenen Kreisen, wo sich die Bauernbewegung gut entwickelt hat, sind fast alle prominenten Tuhao und Liäschen geflüchtet, und dies kommt einer Austreibung gleich. Die Prominentesten von ihnen flohen nach Schanghai, weniger Prominente nach Hankou, drittrangige nach Tschangscha und viertrangige nach der jeweiligen Kreisstadt. Von all diesen geflüchteten Tuhao und Liäschen befinden sich die in Schanghai gelandeten noch am meisten in Sicherheit. Von den Leuten, die nach Hankou geflohen sind, wurden manche, wie die drei Liäschen aus Huajung, schließlich aufgegriffen und in ihre Heimatorte zurückgebracht. jene, die nach Tschangscha geflüchtet sind, schweben in noch größerer Gefahr, denn sie können jederzeit von Studenten gefaßt werden, die aus ihren Landkreisen stammen und hier in der Hauptstadt der Provinz studieren; ich sah selbst in Tschangscha, wie zwei dieser Leute eingefangen wurden. In den Kreisstädten haben nur die Tuhao und Liäschen der letzten Kategorie Zuflucht gesucht, und die Bauern, die dort überall ihre Augen und Ohren haben, können sie leicht aufspüren. Die Schuld an den Finanzschwierigkeiten der Provinzregierung von Hunan haben die dortigen Finanzbehörden den Bauern in die Schuhe geschoben, mit der Begründung, daß diese die Reichen vertrieben hätten und daher die Aufbringung von Geldmitteln nicht leicht sei - auch

|39| daraus ersieht man, wie verhaßt die Tuhao und Liäschen in ihren Heimatorten sind.

Erschießungen. Die durch dieses von den Bauern gemeinsam mit anderen Bevölkerungsteilen angewandte Mittel Betroffenen sind ausnahmslos sehr prominente Tuhao und Liäschen. So wurden beispielsweise auf Betreiben der Bauern und anderer Kreise der Bevölkerung Yang Dschi-dsö im Kreis Ninghsiang, Dschou Djia-gan im Kreis Yüäyang und Fu Dao-nan und Sun Bo-dschu im Kreis Huajung von den Behörden erschossen. Im Kreis Hsiangtan haben die Bauern und andere Bevölkerungsschichten den Kreisvorsteher gezwungen, ihnen den im Gefängnis sitzenden Yän Jung-tjiu auszuliefern, den die Bauern dann selbst hinrichteten. Im Kreis Ninghsiang haben die Bauern Liu Dschao mit eigenen Händen erschlagen. Peng Dschi-fan (Kreis Liling) sowie Dschou Tiän-djüä und Tsao Yün (Kreis Yiyang) erwarten jetzt das Urteil des "Sondertribunals zur Aburteilung der Tuhao und Liäschen" und sehen ihrer Hinrichtung entgegen. Die Erschießung eines solchen prominenten Tuhao oder Liäschen wühlt den ganzen Kreis auf und ist ein sehr wirksames Mittel zur Ausrottung der letzten Reste des feudalen Spuks. jeder Kreis besitzt solche prominente Tuhao und Liäschen, manche zählen ihrer mehrere Dutzend, während es in anderen wenigstens einige Exemplare davon gibt; und es ist auch die einzig wirksame Methode zur Unterdrückung der Reaktionäre, wenn man in jedem Kreis zumindest einige der ärgsten Schurken hinrichtet. Als die Tuhao und Liäschen auf der Höhe ihrer Macht waren, haben sie buchstäblich, ohne mit der Wimper zu zucken, Bauern abgeschlachtet. In dem Marktflecken Hsinkang, Kreis Tschangscha, war Ho Mai-tjüan, der zehn Jahre lang die dortige Heimwehr befehligte, persönlich verantwortlich für die Niedermetzelung von fast eintausend ausgepowerten Bauern, was er beschönigend als "Banditenliquidierung" bezeichnete. In meinem Heimatkreis Hsiangtan haben die Heimwehrkommandeure des Marktfleckens Yintiän, Tang Djün-yän und Luo Schu-lin, seit 1913 also im Laufe von 14 Jahren, mehr als 50 Personen ermordet und vier weitere lebendig begraben. Die ersten Opfer waren zwei völlig unschuldige Bettler. "Mit der Liquidierung der beiden Bettelbrüder eröffnen wir das Geschäft!" rief Tang Djün-yän, und zwei Menschenleben wurden ausgelöscht. Mit solcher Grausamkeit regierten die Tuhao und Liäschen in früheren Tagen, so sah der weiße Terror aus, den sie auf dem Lande verbreiteten, und jetzt haben sich die Bauern erhoben, ein paar Tuhao und Liäschen erschossen und üben ein wenig Terror zur

|40| Unterdrückung der Konterrevolution aus. Soll man den Bauern einen Vorwurf daraus machen?

3. DER ÖKONOMISCHE SCHLAG GEGEN DIE GRUNDHERREN

Das Verbot, Reis auszuführen, zu verteuern und zu Spekulationszwecken zu horten. Das ist eine große Errungenschaft der Bauern von Hunan in ihrem ökonomischen Kampf während der letzten Monate. Seit Oktober vorigen Jahres verhindern die armen Bauern, daß die Grundherren und Großbauern Reis ausführen, verbieten ihnen, die Reispreise zu erhöhen und Reis zu Spekulationszwecken zu horten. Das Ergebnis ist, daß die armen Bauern ihr Ziel voll und ganz erreicht haben: Der Reisabfluß ist zum Stillstand gekommen, die Preise sind beträchtlich gesunken, und die spekulative Hortung hat völlig aufgehört.

Das Verbot, den Pachtzins und die Kaution für den Boden {5} zu erhöhen; Agitation für deren Senkung. Im Juli und August vorigen Jahres, als die Bauernvereinigungen noch schwach waren, kündigten die Grundherren nach der alten Manier rücksichtslosester Ausbeutung ihren Pächtern nacheinander an, daß sie den Pachtzins und die Kaution für Pachtgrund erhöhen würden. Aber im Oktober, als die Bauernvereinigungen, bedeutend angewachsen und erstarkt, einmütig gegen die Erhöhung von Pacht und Kaution auftraten, wagten es die Grundherren nicht mehr, darüber auch nur ein Wort zu verlieren. Ab November, seitdem die Macht der Bauern die der Grundherren überwog, gingen die Bauern einen Schritt weiter und begannen für die Senkung von Pacht und Kaution zu agitieren. "Wie schade", sagten da die Bauern, "daß die Bauernvereinigungen noch nicht stark waren, als wir im vergangenen Herbst die Pacht bezahlt haben, sonst wäre sie schon damals gesenkt worden." Die Bauern betreiben jetzt eine breite Agitation für die Reduktion des in diesem Herbst fälligen Pachtzinses, und die Grundherren erkundigen sich schon, wie diese Reduktion vor sich gehen wird. Was die Senkung der Kaution betrifft, so wird sie im Kreis Hengschan und in einigen anderen Kreisen bereits durchgeführt.

Das Verbot der Pachtkündigung. Im Juli und August vorigen Jahres gab es noch zahlreiche Fälle von Kündigung der Pachtverträge durch die Grundherren und Verpachtung des betreffenden Bodens an andere. Doch seit Oktober wagt es niemand mehr, einen Pacht

|40| vertrag zu lösen. jetzt kann von einer Pachtkündigung und Neuverpachtung an andere überhaupt nicht mehr die Rede sein; nur das Problem einer Auflösung des Pachtverhältnisses in Fällen, da der Grundherr den Boden selbst bearbeiten will, ist noch nicht ganz gelöst. In manchen Orten wird auch dies von den Bauern nicht gestattet. In anderen Orten darf der Pachtvertrag für einen Boden, den der Grundherr selbst bearbeiten will, gekündigt werden, doch entsteht dann das Problem der Arbeitslosigkeit unter den Pächtern. Dieses Problem hat vorläufig noch keine einheitliche Lösung gefunden.

Senkung der Darlebenszinsen. Im Kreis Anhua fand eine generelle Reduktion der Zinsen für Darlehen statt, und auch in anderen Kreisen wurden die Zinsen gesenkt. Wo aber die Bauernvereinigungen stark sind, befürchten die Grundherren eine "Kommunisierung" des Geldes und verweigern rundweg weitere Darlehen, so daß das Geldverleihen im Dorf praktisch aufgehört hat. Wenn man jetzt von Senkung der Zinsen spricht, so gilt das nur für alte Darlehen. Für diese wurde nicht nur der Prozentsatz gesenkt, sondern dem Gläubiger wurde auch nicht mehr gestattet, die Schuldner zur Rückzahlung der Darlehenssumme zu zwingen. Die armen Bauern sagen: "Ich kann nichts dafür. In diesem Jahr gab es eine Mißernte, im nächsten Jahr bezahl' ich's schon!"

4.STURZ DER FEUDALEN HERRSCHAFT DER TUHAO UND LIÄSCHEN-VERNICHTUNG DER"DU" UND"TUAN" [13]

Die alten politischen Machtorgane in den "Du" und "Tuan" (d. h. in den Distrikten und Gemeinden), insbesondere auf der Ebene des "Du", also des unmittelbar dem Kreis unterstellten Distriktes, waren fast ausschließlich in den Händen der Tuhao und Liäschen. Die Behörden des "Du" übten die Herrschaft über eine Bevölkerung von 10 000 bis 50 000 oder 60 000 Personen aus, besaßen ihre eigene bewaffnete Exekutivgewalt wie die Heimwehren, eigene fiskalische Befugnisse wie das Recht, eine Pro-Mu-Steuer [14] einzuheben, eine eigene Justiz wie z. B. die Vollmacht, Bauern nach Belieben zu arretieren, zu inhaftieren, zu verhören und zu bestrafen. Die Liäschen, die in diesen Machtorganen saßen, waren richtige Dorfkönige. Ihnen gegenüber galten den Bauern die Regierenden wie der Präsident der Republik, der Militärgouverneur der Provinz [15] und der Kreisvorsteher nicht viel. jene Dorfkönige bedeuteten für die Bauern die wahre

|42| "Obrigkeit"; sie brauchten sich nur zu räuspern, und die Bauern wußten, daß sie sehr auf der Hut sein mußten. jetzt ist infolge der Erhebung auf dem Lande die Macht der Grundherrenklasse überall gebrochen, und hierauf wurden natürlich auch die in den Händen der Tuhao und Liäschen befindlichen ländlichen Verwaltungsorgane gestürzt. Die Vorsteher der "Du" und "Tuan" haben sich sämtlich vor dem Volk verkrochen, wagen es nicht, die Nase aus der Haustür zu stecken, und überlassen alle lokalen Angelegenheiten den Bauernvereinigungen. Wendet sich jemand mit einem Anliegen an sie, dann sagen sie ihm:

"Mich geht das nichts an."

Wenn im Gespräch die Rede auf solche Vorsteher kommt, sagen die Bauern voll Zorn:

" Diese Halunken! Sie haben ausgespielt!"

Der Ausdruck "ausgespielt" charakterisiert treffend die Lage der alten Verwaltungsorgane in jenen ländlichen Gegenden, über die der Sturm der Revolution hinweggebraust ist.

5. STURZ DER BEWAFFNETEN KRÄFTE DER GRUNDHERREN UND SCHAFFUNG DER BEWAFFNETEN KRÄFTE DER BAUERN

Die Zahl der Bewaffneten, die den Grundherren unterstanden, war in Mittelhunan kleiner als im westlichen und südlichen Teil der Provinz. Wenn man im Durchschnitt 600 Gewehre je Kreis rechnet, so würde das in allen 75 Kreisen insgesamt 45 000 Gewehre ergeben; in Wirklichkeit dürften es noch mehr sein. In Mittel- und Südhunan, wo die Bauernbewegung gut entwickelt ist, konnten die Grundherren mit den Bauern nicht fertig werden, weil die Erhebung der Bauern von einer so gewaltigen Stärke war, und die bewaffneten Kräfte der Grundherren haben größtenteils vor den Bauernvereinigungen kapituliert und sind auf die Seite der Bauern übergegangen; solche Beispiele finden sich unter anderen in den Kreisen Ninghsiang, Pingdjiang, Liuyang, Tschangscha, Liling, Hsiangtan, Hsianghsiang, Anhua, Hengschan und Hengyang. Ein kleiner Teil dieser bewaffneten Kräfte nimmt eine neutrale Haltung ein, neigt aber zur Kapitulation, wie z. B. im Kreis Baotiing. Ein anderer kleiner Teil - beispielsweise in den Kreisen Yidschang, Linwu und Djiaho - ist den Bauernvereinigungen gegenüber feindlich eingestellt, wird aber gegenwärtig von den Bauern angegriffen und dürfte in der nächsten Zeit

|43| vernichtet werden. Die den Händen der reaktionären Grundherren entrissenen bewaffneten Kräfte werden zu "ständigen Hofwehren" [16] reorganisiert und den neuen Selbstverwaltungsorganen im Dorfe - den politischen Machtorganen der Bauern - unterstellt. Die Übernahme dieser alten bewaffneten Kräfte ist die eine Seite der Schaffung der bewaffneten Kräfte der Bauern. Ihre andere Seite, die einen neuen Weg darstellt, ist die Bildung von Lanzenabteilungen der Bauernvereinigungen. Solche Lanzen - es sind dies lange Schäfte mit zweischneidigen Klingen an der Spitze - gibt es allein im Kreis Hsianghsiang 100 000 In anderen Kreisen wie beispielsweise Hsiangtan, Hengschan, Liling und Tschangscha gibt es je 70 000 bis 80 000 bzw. 50 000 bis 60 000 oder 30 000 bis 40 000 Lanzen. In allen von der Bauernbewegung erfaßten Kreisen wächst rasch die Zahl der Lanzenabteilungen. Die mit solchen Waffen ausgerüsteten Bauern bilden "nichtständige Hofwehren". Die Macht dieser Masse von Lanzenträgern ist größer als die der obenerwähnten alten bewaffneten Kräfte; sie ist eine neuentstandene bewaffnete Gewalt, deren bloßer Anblick alle Tuhao und Liäschen zittern macht. Die revolutionären Behörden in Hunan sollten dafür Sorge tragen, daß sich diese Einrichtung wirklich auf die mehr als 20 Millionen Bauern in den 75 Kreisen ausdehnt, daß jeder Bauer, sei er jung an Jahren, sei er mittleren Alters, eine Lanze besitzt, und sie sollten den Ausbau dieser Formationen nicht etwa einschränken, weil die Lanzen jemanden in Furcht versetzen könnten. Wer beim Anblick der Lanzen erschrickt, ist fürwahr ein Feigling! Nur die Tuhao und Liäschen fürchten sie, aber kein Revolutionär darf vor ihnen Angst haben.

6. STURZ DER POLITISCHEN MACHT DES KREISVORSTEHERS UND SEINER BÜTTEL

Daß eine Kreisverwaltung erst gesäubert werden kann, wenn die Bauern sich erheben, wurde schon in Haifeng, Provinz Kuangtung, bewiesen. Diesmal ist insbesondere Hunan ein anschaulicher Beweis. In einem Kreis, wo sich die Macht in den Händen der Tuhao und Liäschen befindet, ist der Kreisvorsteher fast ausnahmslos ein korruptes Element, wer immer es auch sei. In den Kreisen, wo sich die Bauern erhoben haben, ist die Verwaltung, wer immer an ihrer Spitze steht, sauber. In den Kreisen, in denen ich weilte, haben die Kreisvorsteher in jeder Angelegenheit vorher die Meinung der

|44| Bauernvereinigung einzuholen. In den Kreisen, wo die Macht der Bauern sehr stark ist, wirkt das Wort der Vereinigung Wunder. Verlangt sie die Verhaftung eines Tuhao oder Liäschen am Morgen, dann wagt es der Kreisvorsteher nicht, bis Mittag zu warten; fordert sie die Verhaftung zu Mittag, dann wird er den Vollzug nicht bis zum Nachmittag hinausschieben. Als die Macht der Bauern auf dem Lande erst im Begriffe war, sich fühlbar zu machen, arbeitete der Kreisvorsteher noch mit den Tuhao und Liäschen gegen die Bauern zusammen. Als die Bauernmacht angewachsen und der Macht der Grundherren gleichgekommen war, versuchte der Kreisvorsteher, sich mit den einen wie mit den anderen gut zu stellen: Was ihm die Bauernvereinigungen sagten, wurde von ihm teils angenommen, teils abgelehnt. Wenn ich oben davon sprach, daß das Wort der Bauernvereinigungen "Wunder wirkt", so bezieht sich das auf die Zeit nach der völligen Zerschlagung der Macht der Grundherren durch die Bauernmacht. Die gegenwärtige politische Lage in solchen Kreisen wie Hsianghsiang, Hsiangtan, Liling und Hengschan ist folgende:

1.Alle Angelegenheiten werden von einem Rat entschieden, der sich aus dem Kreisvorsteher und Vertretern der revolutionären Massenorganisationen Zusammensetzt. Die Ratssitzungen werden vom Kreisvorsteher einberufen und finden in seinen Amtsräumen statt. In einigen Kreisen heißen diese Gremien "Vereinigter Rat der Massenorganisationen und der lokalen Behörden", in anderen "Rat für Kreisangelegenheiten". Außer dem Kreisvorsteher gehören ihnen Vertreter der Bauernvereinigung, des Gewerkschaftsbundes, der Kaufleutevereinigung, des Frauenbundes, des Verbandes der Schullehrer und -angestellten, der Schülervereinigung des Kreises und der Kreisleitung der Kuomintang [17] an. In solchen Ratssitzungen wird der Kreisvorsteher von der Meinung der Massenorganisationen beeinflußt und fügt sich unweigerlich deren Willen. Infolgedessen sollte in Hunan die Einführung eines demokratischen Komiteesystems der Kreisverwaltung kein Problem sein. Die derzeitigen Kreisbehörden sind sowohl der Form wie dem Wesen nach bereits ziemlich demokratisch. Diese Lage hat sich erst in den letzten zwei bis drei Monaten herausgebildet, also nachdem die Bauernschaft überall auf dem Lande sich erhoben und die Macht der Tuhao und Liäschen gestürzt hatte. Sie hat sich daraus ergeben, daß jetzt die Kreisvorsteher, die ihre alte Stütze zertrümmert sahen und, um ihre Posten zu behalten, einer neuen Stütze bedurften, um die Gunst der Massenorganisationen zu werben begannen.

|45| 2. Die Gerichtsbeamten haben nichts mehr zu tun. Das Justizwesen in Hunan ist nach wie vor so organisiert, daß der Kreisvorsteher auch für Gerichtsfälle zuständig ist und ihm dabei ein Gerichtsbeamter zur Seite steht. Der Kreisvorsteher und seine Gehilfen pflegten sich an der Einhebung von Steuern und Abgaben, an der Bereitstellung von Menschen für die Armee sowie durch Rechtsverdrehungen und Erpressungen bei der Betreibung von Zivil- und Strafsachen zu bereichern; besonders die letztere Einkommensquelle war die beständigste und zuverlässigste. In den letzten Monaten verschwanden mit dem Sturz der Tuhao und Liäschen sämtliche Winkeladvokaten.

Überdies werden jetzt alle großen und kleinen Angelegenheiten der Bauern im Rahmen der Bauernvereinigungen auf verschiedener Ebene entschieden. So kommt es, daß die Gerichtsbeamten der Kreisverwaltung einfach nichts zu tun haben. Ein Gerichtsbeamter von Hsianghsiang sagte mir: "Als es keine Bauernvereinigungen gab, gingen bei den Kreisbehörden im Tagesdurchschnitt 60 Zivil- oder Strafsachen ein; jetzt sind es durchschnittlich nur noch vier bis fünf pro Tag." Die Geldbeutel des Kreisvorstehers und seiner Gehilfen müssen daher leer bleiben.

3. Wachtruppen, Polizisten und Büttel haben sich verkrochen und wagen es nicht mehr, ihrem Erpressungsgeschäft in den Dörfern nachzugeben. Früher fürchteten die Dorfbewohner die Städter, jetzt aber haben die Städter vor den Dorfbewohnern Angst. Insbesondere die von den Kreisverwaltungen gefütterte widerliche Meute der Polizisten, Stadtwächter und Büttel fürchtet, ins Dorf hinauszufahren, oder wagt es dort nicht mehr, ihre Erpressungen zu betreiben. Beim bloßen Anblick der Bauernlanzen beben sie vor Angst.

7. STURZ DER SIPPENGEWALT DES AHNENTEMPELS UND DER SIPPENÄLTESTEN, STURZ DER RELIGIÖSEN GEWALT DER STADTGÖTTER UND DER LOKALEN GOTTHEITEN, STURZ DER GATTENGEWALT DES EHEMANNES

Die Männer Chinas werden gewöhnlich von drei systematisch gegliederten Gewalten beherrscht: erstens vom staatlichen System, das sich von der Zentralregierung über die Provinz- und Kreisbehörden bis zu den Gemeindeverwaltungen aufgliedert (politische Gewalt); zweitens vom Sippensystem, das vom zentralen Ahnentempel über die Tempel der Sippenzweige bis zu den Familienvorständen hinunterreicht (Sippengewalt); drittens vom übernatürlichen System, das

|46| in der Unterweltshierarchie vom Höllenfürsten bis zu den Schutzgöttern der Städte und den lokalen Gottheiten und in der himmlischen Hierarchie vom Himmelskaiser bis zu den mannigfaltigen Göttern und Geistern absteigt (religiöse Gewalt). Die Frauen werden außer von diesen drei Gewaltensystemen auch noch von ihren Ehemännern beherrscht (Gattengewalt). Diese vier Gewalten - politische Gewalt, Sippengewalt, religiöse Gewalt und Gattengewalt - bilden die Verkörperung der Gesamtheit der feudal-patriarchalischen Ideologie und des feudal-patriarchalischen Systems; das sind die vier dicken Stricke, mit denen das chinesische Volk, insbesondere die Bauernschaft, gefesselt ist. Oben wurde geschildert, wie die Bauern die politische Macht der Grundherren auf dem Lande gestürzt haben. Die politische Gewalt der Grundherren ist das Rückgrat aller anderen Gewaltensysteme. Sobald diese Gewalt gestürzt ist, beginnen auch die Gewalten der Sippe, der Religion und des Ehegatten zu wanken. Wo die Bauernvereinigung mächtig ist, wagen es die Sippenältesten und die Verwalter der Tempelfonds nicht mehr, jene, die ihnen hierarchisch untergeordnet sind, zu bedrücken und die Mittel des Ahnentempels zu veruntreuen. Die schlimmsten Sippenältesten und Tempelverwalter wurden bereits als Tuhao und Liäschen gestürzt. Niemand wagt es heute mehr, die grausamen körperlichen und Todesstrafen - wie Auspeitschen, Ertränken und Lebendbegraben - anzuwenden, die früher in den Ahnentempeln üblich waren. Der alte Brauch, wonach die Frauen und die Armen von den Festmählern im Ahnentempel ausgeschlossen waren, wurde gleichfalls beseitigt. In Baiguo, Kreis Hengschan, versammelte sich eine große Zahl von Frauen, sie drangen in den Ahnentempel ein, ließen sich dort mit dem ganzen Hintern auf den Sitzen nieder und taten sich an Speise und Trank gütlich, wobei die ehrwürdigen Herren Sippenältesten sie wohl oder übel gewähren lassen mußten. An einem anderen Ort, wo den armen Bauern der Zutritt zu einem Tempelfestmahl verwehrt war, drang eine Gruppe von ihnen in den Tempel ein und veranstaltete ein solches Freß- und Saufgelage, daß die Tuhao und Liäschen und andere würdige Herren in langen Röcken vor Schreck davonliefen. Wo immer die Bauernbewegung sich entwickelt, dort beginnt die Macht der Religion zu wanken. In vielen Orten bemächtigten sich die Bauernvereinigungen der Göttertempel, um sie als ihre Büros zu benutzen. Überall befürworten sie die Heranziehung des Tempelvermögens für die Organisierung von Bauernschulen und zur Bestreitung der Ausgaben der Bauernvereinigungen, wobei sie diese

|47| Mittel als "Öffentliche Einnahmen aus dem Aberglauben" bezeichnen. Im Kreis Liling hat das Verbot abergläubischer Gebräuche und die Zerstörung von Götterstatuen ziemliche Verbreitung gefunden. In den nördlichen Distrikten dieses Kreises haben die Bauern die Weihrauchprozessionen zu Ehren des Schutzgottes verboten. Als in Lukou die dortige Kuomintang-Distriktsleitung Räumlichkeiten benötigte, warf man kurzerhand die kleinen und großen Götterstatuen, mit denen der Taoistentempel auf dem Fubo-Berg vollgepfropft war, in eine Ecke auf einen Haufen und schaffte so Platz, ohne daß die Bauern Einspruch erhoben hätten. Seither ist es zu einer Seltenheit geworden, daß man bei einem Todesfall in der Familie den Göttern opfert, religiöse Kulthandlungen vornimmt oder geweihte Lichter spendet. Der Vorsitzende der Bauernvereinigung, Sun Hsiao-schan, der dabei die Initiative hatte, wird deswegen von der dortigen taoistischen Geistlichkeit wütend gehaßt. Im Dritten Norddistrikt zerhackten die Bauern und Grundschullehrer die Götterfiguren des Nonnenklosters von Lungfeng zu Brennholz und benutzten dieses, um Fleisch zu kochen. Im Dungfu-Kloster im Süden des Kreises haben Schüler und Bauern gemeinsam mehr als 30 Holzgötzen verbrannt, und nur zwei Statuetten des "Ehrwürdigen Bao" wurden von einem alten Bauern mit dem Ausruf "Lästert nicht!" an sich genommen. Wo die Bauernmacht die Oberhand gewonnen hat, sind nur die alten Bauern und die Frauen gläubig geblieben, während von der Jugend und den Bauern mittleren Alters niemand mehr an die Götter glaubt. Da es gerade die letzteren sind, die an der Spitze der Bauernvereinigungen stehen, wird überall die religiöse Gewalt gestürzt und der Aberglauben ausgerottet. Was die Gattengewalt betrifft, so war diese bei den armen Bauern stets schwächer, weil ihre Frauen infolge der wirtschaftlichen Notlage mehr arbeiten mußten als die Frauen, die den wohlhabenden Klassen angehörten, und daher mehr berechtigt waren, in Familienangelegenheiten mitzusprechen, ja sogar mitzuentscheiden. Mit dem in den letzten Jahren zunehmenden Ruin der ländlichen Wirtschaft wurde die Grundlage für die Herrschaft des Mannes über die Frau untergraben. Und mit der Entstehung der Bauernbewegung begannen in der letzten Zeit die Frauen in vielen Orten ländliche Frauenbünde zu gründen; auch für sie ist die Zeit gekommen, ihr Haupt zu erheben, und die Gattengewalt wird mit jedem Tag wackliger. Kurz, mit dem Anwachsen der Bauernmacht sind die feudal-patriarchalische Ideologie und das feudal-patriarchalische System in ihrer Gesamtheit ins Wanken geraten. In

|48| der gegenwärtigen Periode konzentrieren jedoch die Bauern ihre Anstrengungen darauf, die politische Macht der Grundherren zu zerschlagen. Wo diese schon völlig vernichtet ist, beginnen sie ihre Angriffe auch in den drei anderen Bereichen vorzutragen, also gegen die Gewalten der Sippe, der Religion und des Ehegatten. Aber die Angriffe dieser Art sind heute doch noch im "Anfangsstadium", und mit diesen drei Arten der Gewalt kann erst endgültig Schluß gemacht werden, wenn die Bauern im wirtschaftlichen Kampf den vollen Sieg errungen haben. Deshalb besteht gegenwärtig unsere Aufgabe darin, die Bauern in den politischen Kampf, bei dem alle ihre Kräfte aufzubieten sind, zu führen, damit sie die Macht der Grundherren restlos zerschlagen. Unmittelbar hierauf muß der wirtschaftliche Kampf einsetzen, damit die Bodenfrage und die anderen wirtschaftlichen Probleme der armen Bauern von Grund auf gelöst werden. Was das Sippensystem, den Aberglauben und die Ungleichheit zwischen Mann und Frau betrifft, so wird ihre Abschaffung die natürliche Folge des Sieges im politischen und wirtschaftlichen Kampf sein. Wenn wir diese Dinge mit allzu großem Kraftaufwand, rücksichtslos und verfrüht aus der Welt schaffen wollen, dann werden die Tuhao und Liäschen das unweigerlich zum Vorwand für ihre konterrevolutionäre Agitation - unter Schlagworten wie: "Die Bauernvereinigung hat keine Pietät gegenüber den Ahnen", "Sie verhöhnt die Götter und zerstört die Religion", "sie will die Frauen kommunisieren" usw. -nehmen, um die Bauernbewegung zu untergraben. Markante Beispiele dafür sind die kürzlichen Geschehnisse in Hsianghsiang (Provinz Hunan) und Yanghsin (Provinz Hupeh), wo die Grundherren die ablehnende Haltung der Bauern zur Vernichtung der Götterfiguren für sich ausgenutzt haben. Die Götterfiguren sind ja das Werk der Bauern selbst, und wenn die Zeit kommt, werden sie die Bauern mit eigenen Händen fortwerfen; es bedarf da keiner anderen Leute, die das vorzeitig an ihrer Statt tun. Die Kommunistische Partei muß diesbezüglich in ihrer Propaganda folgende Regel beobachten-. "Den Bogen spannen, doch den Pfeil nicht abschnellen, sondern den Schuß nur markieren. [18] Es ist Sache der Bauern selbst, die Götterfiguren wegzuwerfen und die Tempel, welche den Frauen geweiht sind, die ihrem Gatten beziehungsweise Verlobten in den Tod folgten, sowie die den keuschen und pietätsvollen Witwen errichteten Ehrenbögen niederzureißen; es wäre falsch, wenn andere das für sie täten.

Als ich im Dorf weilte, habe ich unter den Bauern auch gegen den Aberglauben agitiert. Ich sagte:

|49| "Glaubt man an das Horoskop, dann hofft man auf ein besseres Los; glaubt man an die Geomantie {6} , dann hofft man, daß die Ahnengräber Glück bringen. In diesem Jahr sind innerhalb weniger Monate die Tuhao, die Liäschen und die korrupten Beamten von ihren Sockeln gepurzelt. Ist es denn möglich, daß ihnen allen bis vor wenigen Monaten das Schicksal hold war und die Lage ihrer Ahnengräber Glück brachte, dann aber plötzlich das gute Geschick sie verlassen hat und die Ahnengräber ihren günstigen Einfluß verloren haben?

Die Tuhao und Liäschen spotten über eure Bauernvereinigungen: Wie sonderbarl Die Welt ist heute zu einer Welt der Komiteemitglieder geworden. Schaut, man kann nicht einmal sein Wasser abschlagen gehen, ohne auf ein Komiteemitglied zu stoßen!' Und in der Tat: in der Stadt und im Dorf, in den Gewerkschaften und in den Bauernvereinigungen, in der Kuomintang und in der Kommunistischen Partei - überall gibt es Mitglieder der Exekutivkomitees; die Welt ist wirklich zu einer Welt der Komiteemitglieder geworden. Kommt das alles aber von der Konstellation der Gestirne oder von der Lage der Ahnengräber? Wie merkwürdig! Die Horoskope aller Habenichtse auf dem Lande sind plötzlich günstig geworden! Und ebenso plötzlich begannen ihre Ahnengräber Glück zu spenden! Und die Götter? Nun, man kann sie sehr verehren. Hättet ihr aber nicht die Bauernvereinigungen, sondern bloß den Ehrwürdigen Guan und die Göttin der Barmherzigkeit, wäret ihr dann imstande gewesen, die Tuhao und Liäschen zu stürzen? Das sind jämmerliche Götter und Göttinnen. Ihr verehrt sie schon jahrhundertelang, aber nicht einen einzigen Tuhao, nicht einen einzigen Liäschen haben sie euretwegen gestürzt! Jetzt wollt ihr, daß der Pachtzins gesenkt wird. Gestattet die Frage: Wie wollt ihr das erreichen? Durch den Glauben an die Götter oder durch den Glauben an die Bauernvereinigungen?"

Schallendes Gelächter war die Antwort der Bauern.

8. ENTFALTUNG DER POLITISCHEN AGITATION

Hätte man, selbst wenn zehntausend juristische und politische Schulen eröffnet worden wären, der gesamten Bevölkerung, Männern und Frauen, jung und alt, bis in das entlegenste Dorf und in den letzten verlorenen Winkel hinein in so kurzer Zeit so viel politische Schulung bringen können, wie es die Bauernvereinigungen getan haben? Ich glaube nicht. "Nieder mit dem Imperialismus!", "Fort

|50| mit den Militärmachthabern!", "Fort mit den korrupten Beamten!", "Nieder mit den Tuhao und Liäschen!" - alle diese politischen Losungen verbreiten sich wie ein Lauffeuer; sie dringen in die Masse der Dorfjugend, der Erwachsenen, der Greise, Frauen und Kinder, prägen sich dem Gedächtnis der Menschen ein, sind in aller Munde. Beobachtet einmal die Kinder beim Spiel! Wenn eins auf das andere böse wird, die Augen rollt, mit den Füßen stampft und die Faust schüttelt, dann hört ihr es gleich schrill schreien: "Nieder mit dem Imperialismus!"

Wenn die kleinen Büffelhirten in der Gegend von Hsiangtan zu raufen beginnen, stellt der eine unweigerlich Tang Scheng-dschi dar, während der andere die Rolle von Yä Kai-hsin [19] spielt; und wenn dann der eine unterliegt und davonrennt, während der andere ihm nachjagt, so ist der Verfolgte natürlich Yä Kai-hsin und der Verfolger Tang Scheng-dschi. Selbstverständlich kennt fast jedes Stadtkind das Lied "Nieder mit den imperialistischen Mächten!", und jetzt wird es auch schon von vielen Kindern in den Dörfern gesungen.

Im Dorf können sogar manche Bauern das Testament Dr. Sun Yat-sens hersagen. Sie haben ein paar Ausdrücke daraus aufgeschnappt, die sie im Alltagsleben bei passender und unpassender Gelegenheit verwenden, z. B. "Freiheit", "Gleichheit", "die Drei Volksprinzipien" und "ungleiche Verträge". Trifft da einer, der wie ein Schenschi aussieht, auf einem schmalen Pfad einen Bauern und will ihn voller Aufgeblasenheit nicht an sich vorbeilassen, da sagt der Bauer zornig: "Du Leuteschinder! Kennst du nicht die Drei Volksprinzipien?" Früher wurden die Gemüsebauern der Vororte von Tschangscha, wenn sie ihre Erzeugnisse zum Verkauf in die Stadt brachten, stets von der Polizei schikaniert. Jetzt haben sie endlich eine Waffe dagegen gefunden: die Drei Volksprinzipien. Beginnt ein Polizist. einen Gemüsebauern zu schlagen oder zu beschimpfen, dann beruft sich dieser zu seiner Verteidigung unverzüglich auf die Drei Volksprinzipien, und darauf hat der Polizist keine Antwort. Im Kreis Hsiangtan hatte einmal die Bauernvereinigung eines Distrikts mit der Gemeinde-Bauernvereinigung wegen irgendeiner Sache einen Streit, da rief der Vorsitzende der Gemeinde-Bauernvereinigung aus: "Wir sind gegen die ungleichen Verträge mit der Distriktsbauernvereinigungl.

Die Ausbreitung der politischen Agitation auf dem Lande ist das ausschließliche Verdienst der Kommunistischen Partei und der Bauernvereinigungen. Einfache Parolen, Zeichnungen und Propagan-

|51| dareden haben unter den Bauern eine so ungewöhnlich massenhafte und rasche Wirkung erzielt, daß es den Anschein hat, als hätte jeder einzelne von ihnen eine politische Schule besucht. Nach den Berichten von Genossen, die mit der Arbeit auf dem Lande betraut sind, wurde während der drei großen Massenkundgebungen -der antibritischen Demonstrationen, der Veranstaltungen zum Jahrestag der Oktoberrevolution und der Feierlichkeiten anläßlich der Siege im Nordfeldzug - eine breite politische Agitation durchgeführt. Diese Agitation hat überall dort, wo es Bauernvereinigungen gibt, die gesamte ländliche Bevölkerung in Bewegung gesetzt und eine überaus starke Wirkung erzielt. Künftig muß darauf geachtet werden, daß jeder Anlaß dazu benutzt wird, die oben erwähnten einfachen Parolen allmählich immer inhaltsreicher und ihre Bedeutung immer klarer zu machen.

9. VERBOTE, DIE VON DEN BAUERN ERLASSEN WERDEN

Als die Bauernvereinigungen unter der Führung der Kommunistischen Partei ihre Macht im Dorfe aufgerichtet hatten, begannen die Bauern alles, was sie nicht lieben, zu verbieten oder einzuschränken. Strengstens verboten sind Mah-Jongg und andere Glücksspiele sowie das Opiumrauchen.

Mah-Jongg und ähnliches: In den Gegenden, wo die Bauernvereinigungen mächtig sind, ist das Mah-Jongg-, Domino- und Kartenspielen gänzlich verboten.

Im Vierzehnten Distrikt des Kreises Hsianghsiang hat die Bauernvereinigung zwei Körbe voll Mah-Jongg-Steine verbrannt.

Ihr werdet in den Dörfern niemand mehr finden, der diese Spiele spielt; wer gegen das Verbot verstößt, wird unverzüglich und unnachsichtig bestraft.

Hasardieren: Ehemals "passionierte Hasardeure" unterdrücken jetzt selbst die Glücksspiele. Auch dieses Laster ist dort, wo die Bauernvereinigungen mächtig sind, völlig ausgerottet.

Opiumrauchen: Das Verbot wird überaus streng gehandhabt. Als die Bauernvereinigungen den Befehl zur Ablieferung der Opiumpfeifen erließen, wagte niemand auch nur den leisesten Einspruch. Im Kreis Liling wurde ein Liäschen wegen Nichtablieferung der Pfeife verhaftet und zur Schaustellung durchs Dorf geführt.

Die von den Bauern durchgeführte Kampagne zur "Entwaffnung" der Opiumraucher ist nicht weniger eindrucksvoll als die Entwaffnung

|52| der Truppen Wu Pe-fus und Sun Tschuan-fangs [20] durch die Armee des Nordfeldzugs. Nicht wenige Väter von Offizieren der Revolutionären Armee, ehrwürdige Greise, die unverbesserliche Opiumraucher waren und sich niemals von ihrer Pfeife getrennt hatten, wurden von den "Kaisern" (so nennen die Liäschen höhnisch die Bauern) "entwaffnet". Die "Kaiser" haben nicht nur den Mohnanbau und das Opiumrauchen, sondern auch den Transithandel mit dem Rauschgift untersagt. Ein großer Teil der Opiumsendungen, die von Kueitschou nach Kiangsi gingen, wurde unterwegs in den Kreisen Baotjing, Hsianghsiang, Yuhsiän und Liling abgefangen und verbrannt. Das steht im Widerspruch zu den Interessen des Staatsfiskus. Infolgedessen hat die Provinz-Bauernvereinigung mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, die Armee mit Geldmitteln für den Nordfeldzug zu versorgen, die unteren Bauernvereinigungen angewiesen, "das Verbot des Opiumtransits zeitweilig auszusetzen". Die Bauern sind jedoch sehr aufgebracht.

Außer diesen drei Dingen gibt es noch viele andere Verbote oder Einschränkungen. Hier einige Beispiele:

Die Blumentrommel. Eine Art derber Schwänke, deren Aufführung in vielen Orten verboten wurde.

Sänften. In vielen Kreisen, besonders in Hsianghsiang, kommt es vor, daß Sänften zerschlagen werden. Die Bauern verabscheuen zutiefst die Leute, die Sänften benutzen, und sind immer bereit, diese Tragstühle zu zerschlagen, doch die Bauernvereinigungen lassen das nicht zu. Funktionäre der Vereinigungen erklären den Bauern: "Wenn ihr die Sänften zerschlagt, erspart ihr nur den Reichen Geld und nehmt den Trägern ihre Arbeit. Schneiden wir uns da nicht ins eigene Fleisch?" Die Bauern haben das eingesehen und sich ein neues Verfahren ausgedacht: Sie erhöhten beträchtlich den Trägerlohn, um so die Reichen zu strafen.

Schnapsbrennen und Sirupkochen. Aus Reis Schnaps zu brennen und Sirup zu kochen, ist überall untersagt, worüber sich die Brennereibesitzer und Siruperzeuger fortwährend beschweren. In Futiänpu, Kreis Hengschan, ist das Schnapsbrennen nicht verboten, aber es wurden so niedrige Spirituosenpreise festgesetzt, daß die Besitzer, die keine Aussicht auf Gewinn mehr hatten, den Betrieb einstellen Mußten.

Schweine. Die Zahl der Schweine, die eine Familie halten kann, wurde beschränkt, weil zu ihrer Fütterung Getreide verwendet wird.

|53| Hühner und Enten. Im Kreis Hsianghsiang ist es verboten, Hühner und Enten zu ziehen, aber die Frauen erheben dagegen Einspruch. Im Kreis Hengschan ist es stellenweise jeder Familie nur gestattet, drei Stück Geflügel (in Yangtang) beziehungsweise fünf Stück (in Futiänpu) zu halten. In vielen Gegenden ist die Aufzucht von Enten völlig verboten, da die Enten noch mehr Schaden stiften als die Hühner, denn sie fressen nicht nur Getreide, sondern vernichten auch die jungen Reistriebe.

Gelage. Üppige Gelage sind überall verboten. In Schaoschan, Kreis Hsiangtan, wurde angeordnet, daß Gästen nur dreierlei Fleisch oder Fischgerichte vorgesetzt werden dürfen, nämlich aus Hühnerfleisch, Fisch oder Schweinefleisch zubereitete Speisen. Auch die Bewirtung mit Bambussprossen, eßbaren Meeralgen und Bohnennudeln ist untersagt. Im Kreis Hengschan wurde entschieden, daß ein Gastmahl aus nicht mehr als acht Gerichten bestehen darf. Im Dritten Östlichen Distrikt des Kreises Liling sind nur fünf Gerichte, im Zweiten Nördlichen Distrikt bloß je drei Fleisch- und Gemüsespeisen gestattet, während im Dritten Westlichen Distrikt Neujahrsgastmähler überhaupt verboten sind. Im Kreis Hsianghsiang dürfen keine "Eierkuchen-Feste" veranstaltet werden, obgleich es sich dabei durchaus nicht um einen üppigen Schmaus handelt. Als im Zweiten Distrikt des Kreises Hsianghsiang in einer Familie anläßlich der Hochzeit des Sohnes Eierteig-Rouladen aufgetischt wurden, drangen über die Durchbrechung des Verbots erboste Bauern in das Haus ein, und die Feier fand ein turbulentes Ende. Im Marktflecken Djiamo, Kreis Hsianghsiang, enthält man sich des Genusses erlesener Speisen und verwendet als Opfer für die Ahnen lediglich Obst.

Rindvieh. Das Rind ist ein unschätzbares Arbeitstier für den Bauern. "Wer ein Rind schlachtet, wird als Rind wiedergeboren." Dieser Satz ist beinahe zu einer religiösen Grundregel geworden: Rinder darf man nie schlachten. Bevor die Bauern die Macht ergriffen hatten, konnten sie die Schlachtung von Rindvieh nur durch den Appell an dieses Tabu bekämpfen, hatten aber keine Macht, dagegen mit Verboten vorzugehen. Seitdem die Bauernvereinigungen aufgekommen sind, nahmen diese auch das Rindvieh unter ihre Kontrolle und verboten dessen Schlachtung in den Städten. Von den sechs Rindfleischmetzgereien, die es in der Kreisstadt Hsiangtan gab, sind jetzt fünf geschlossen, und die sechste schlachtet nur kranke und arbeitsuntaugliche Rinder. Im ganzen Kreis Hengschan ist das Schlachten von Rindern kategorisch verboten. Ein Bauer, dessen Büffel sich ein

|50| Bein gebrochen hatte, fragte zuerst bei der Bauernvereinigung um Erlaubnis, ehe er das Tier zu schlachten wagte. Als die Handelskammer von Dschudschou leichtfertig eine Kuh schlachten ließ, kamen die Bauern in die Stadt und verlangten Aufklärung; die Handelskammer hatte eine Geldstrafe zu zahlen und mußte sich überdies durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern entschuldigen.

Landstreicher. Eine im Kreis Liling beschlossene Resolution verbietet es, von Haus zu Haus zu wandern, um gegen milde Gaben die Neujahrstrommel zu schlagen, die örtlichen Gottheiten zu preisen und Gelegenheitslieder in Lotosreimen unter Klappernbegleitung zu singen. In anderen Kreisen gelten ähnliche Verbote oder ist diese Erscheinung von selbst verschwunden, da niemand mehr auf solche Weise bettelt. Den sogenannten "gewalttätigen Bettlern" oder "Strolchen", die früher äußerst aggressiv zu sein pflegten, blieb nichts anderes übrig, als sich den Bauernvereinigungen zu fügen. In Schaoschan, Kreis Hsiangtan, gibt es einen Tempel des Regengottes, wo von jeher die Vagabunden zusammenkamen, ohne vor irgendwem Angst zu haben; doch seit dem Aufkommen der Bauernvereinigungen haben sie sich sämtlich hinweggeschlichen. Im selben Kreis ließ die Bauernvereinigung der Gemeinde Huti drei Landstreicher festnehmen und setzte sie zum Lehmtragen für die Ziegelei ein. Es gibt auch Resolutionen, in denen die Mißbräuche mit Neujahrsglückwünschen untersagt werden.

Daneben wurden in verschiedenen Gegenden viele kleinere Verbote erlassen: So wurde beispielsweise in Liling verboten, Weihrauchprozessionen zu Ehren des Schutzgottes abzuhalten, Delikatessen für rituelle Geschenkzwecke zu kaufen, am Geisterfesttag rituelle Papierkleider zu verbrennen und zu Neujahr glückbringende Plakate oben an die Türrahmen zu hängen. Im Marktflecken Guschui, Kreis Hsianghsiang, ist sogar das Rauchen von Wasserpfeifen verboten. Im Zweiten Distrikt steht auf das Abbrennen von Feuerwerkskörpern und auf Böllerschießen eine Geldstrafe von 1,20 beziehungsweise 2,40 Yüan. Im Siebenten und Zwanzigsten Distrikt sind Kulthandlungen zu Ehren der Toten untersagt. Im Achtzehnten Distrikt darf man bei Leichenbegängnissen keine Geldgeschenke machen. Das alles wird als Bauernverbote bezeichnet, deren es unzählige gibt.

Diese Verbote sind in zweierlei Hinsicht von großer Bedeutung: Erstens bedeuten sie einen Protest gegen Unsitten wie Mah-Jongg und ähnliche Spiele, Hasard und Opiumrauchen. Diese Dinge sind in der üblen politischen Atmosphäre der Grundherrenklasse aufgekom-

|55| men und verschwinden, sobald deren Macht gestürzt ist. Zweitens bedeuten sie einen Selbstschutz gegen die Ausbeutung durch die städtischen Kaufleute; solcherart sind die Verbote der üppigen Festmähler und der Einkäufe von Delikatessen für rituelle Geschenkzwecke. Industrieerzeugnisse sind ungemein teuer, während Agrarprodukte überaus billig sind; die Bauern sind verelendet und werden von den Kaufleuten grausam ausgebeutet. Sie müssen sich also zum Selbstschutz Konsumbeschränkungen auferlegen. Was das obenerwähnte Reisausfuhrverbot betrifft, so dient es zur Verhinderung von Preissteigerungen, da die armen Bauern zu wenig Reis für die eigene Ernährung haben, daher Getreide auf dem Markt zukaufen müssen. Die Ursache alles dessen sind die Armut der Bauern und die Widersprüche zwischen Stadt und Land, keineswegs aber ist es so, daß die Bauern die Industrieerzeugnisse boykottieren wollen oder den Handel zwischen Stadt und Land ablehnen, um die sogenannte Doktrin der östlichen Kultur [21] zu befolgen. Um ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen, müssen die Bauern Konsumgenossenschaften ins Leben rufen, die den gemeinsamen Einkauf der Verbrauchsgüter besorgen würden. Ferner muß die Regierung den Bauernvereinigungen bei der Gründung von Kreditgenossenschaften (Darlehenskassenvereinen) behilflich sein. Wenn das durchgeführt wird, werden es die Bauern natürlich nicht nötig haben, die Reisausfuhr zu verbieten, um die Lebensmittelpreise niedrig zu halten, noch werden sie gezwungen sein, als wirtschaftliche Selbstschutzmaßnahme die Einfuhr von Industrieartikeln zu sperren.

10. LIQUIDIERUNG DES BANDITENTUMS

Meines Erachtens hat es zu keiner Zeit einen Regierenden gegeben - angefangen von Yü und Tang, Wen und Wu bis zu den Kaisern der Tjing-Dynastie und den Präsidenten der Republik -, der bei der Liquidierung des Bandenunwesens eine solche Macht gezeigt hätte wie jetzt die Bauernvereinigungen. Wo die Bauernvereinigungen mächtig sind, ist von Banditen keine Spur mehr zu finden. Überraschenderweise gibt es jetzt viele Gegenden, wo sogar die kleinen Gemüsediebstähle aus den Gärten aufgehört haben. Hie und da gibt es freilich noch kleine Diebe. Aber in den Kreisen, die ich besuchte, ist das Banditentum spurlos verschwunden, selbst dort, wo es früher grassierte. Die Ursachen dessen sind: Erstens können

|56| sich die Banditen nirgendwo mehr verbergen, weil es allenthalben, über alle Berge und Täler verstreut, Mitglieder der Bauernvereinigungen gibt, die sich, mit langen Lanzen oder kurzen Keulen ausgerüstet, auf den ersten Ruf zu Hunderten versammeln. Zweitens sind die Reispreise mit dem Aufschwung der Bauernbewegung gesunken - von sechs Yüan pro Dan {7} im Frühjahr vorigen Jahres auf bloß zwei Yüan im vergangenen Winter -, und die Ernährungslage der Bevölkerung ist daher jetzt weniger ernst. Drittens sind Mitglieder der Geheimbünde [22] den Bauernvereinigungen beigetreten, wo sie offen und legal ihren Heldenmut beweisen und ihrem Unmut Luft machen können, so daß es keine Notwendigkeit mehr für Organisationen wie die Geheimbünde "Berg", "Tempel", "Weihrauch" und "Gewässer" [23] gibt. Wenn sie die Schweine und Schafe der Tuhao und Liäschen schlachten und diese mit schweren Abgaben und Geldbußen bestrafen, können sie ihrem Zorn auf die Leute, die sie unterdrückten, genügend freien Lauf lassen. Viertens wurden viele Rekruten für die Armeen ausgehoben, und so manche "unruhige Gesellen" befanden sich unter ihnen. Mit dem Aufkommen der Bauernbewegung ist somit das Banditenunwesen verschwunden. In dieser Hinsicht versagen auch die Schenschi und die Wohlhabenden den Bauernvereinigungen nicht ihre Anerkennung. Sie erklären: "Die Bauernvereinigungen? Nun, ehrlich gesagt, irgend etwas Gutes ist auch daran."

Durch das Verbot des Mah-Jongg-Spielens, des Hasardierens und Opiumrauchens sowie durch die Liquidierung des Banditentums haben sich die Bauernvereinigungen die allgemeine Sympathie erworben.

11. ABSCHAFFUNG DRÜCKENDER STEUERN UND ABGABEN

Solange das Land noch nicht vereinigt und die Macht des Imperialismus und der Militärmachthaber noch nicht gestürzt ist, gibt es keine Möglichkeit, die Bauern von der schweren Last der staatlichen Steuern und Abgaben, genauer gesagt, von der Bürde der Militärausgaben für die Revolutionäre Armee, zu befreien. Dennoch wurden drückende Abgaben - wie z. B. die Pro-Mu-Steuer -, die den Bauern auferlegt wurden, als die Tuhao und Liäschen die ländlichen Verwaltungsorgane beherrschten, mit dem Aufschwung der Bauernbewegung und dem Sturz der Macht der Tuhao und Liäschen abgeschafft oder zumindest herabgesetzt. Das ist ebenfalls den Bauernvereinigungen als Verdienst anzurechnen.

|57| 12. DIE KULTURBEWEGUNG

In China war die Kultur von alters her ein Privileg der Grundherren, und die Bauern hatten keinen Zutritt zu ihr. Die Grundherrenkultur ist aber von den Bauern geschaffen worden, ihre einzige Quelle ist der Bauern Schweiß und Blut. In China sind 90 Prozent der Bevölkerung ungebildet, und die überwältigende Mehrheit davon sind Bauern. In dem Augenblick, als die Macht der Grundherren auf dem Lande gestürzt wurde, setzte eine Kulturbewegung unter den Bauern ein. Man sehe doch nur, mit welchem Enthusiasmus die Bauern, denen Schulen stets ein Greuel waren, heute Abendschulen eröffnen! Nie hatten die Bauern die "fremdländischen Schulen" gemocht. Als ich in meiner Studentenzeit in mein Heimatdorf kam und beobachtete, wie die Bauern gegen die "fremdländischen Schulen" Stellung nahmen, blies auch ich in das gleiche Horn wie alle damaligen "fremdländischen Schüler" und "fremdländischen Lehrer" und trat für diese Schulen ein, in der Meinung, daß die Bauern nicht ganz recht hätten. Erst im Jahre 1925, als ich ein halbes Jahr im Dorf lebte, bereits ein Kommunist mit marxistischen Anschauungen war, da sah ich ein, daß ich seinerzeit im Irrtum gewesen war, die Bauern aber recht gehabt hatten. Die Lehrbücher, die in den ländlichen Grundschulen verwendet wurden, waren ganz auf städtische Dinge abgestellt und entsprachen nicht den Bedürfnissen des Dorfes. Überdies war die Einstellung der Grundschullehrer zu den Bauern sehr schlecht; weit davon entfernt, den Bauern zu helfen, machten sie sich umgekehrt bei ihnen unbeliebt. Deshalb zogen die Bauern die traditionellen Privatschulen (die sie "chinesische" nannten) den modernen Schulen (die sie "fremdländische" nannten) und die Lehrer vom alten Typus den neuen Grundschullehrern vor. jetzt gründen die Bauern überall ihre Abendschulen, die sie Bauernschulen nennen. Manche sind bereits eröffnet, andere werden erst organisiert, und im Durchschnitt kommt auf jede Gemeinde eine Schule. Die Bauern schaffen mit größtem Enthusiasmus diese Schulen und betrachten sie - und nur sie - als ihre eigenen Schulen. Die Mittel für die Abendschulen entstammen den "öffentlichen Einnahmen aus dem Aberglauben", den Fonds der Ahnentempel und anderen ungenutzten öffentlichen Vermögenswerten. Die Kreiserziehungsämter wollten diese Mittel für die Errichtung von Grundschulen verwenden, also jener "fremdländischen Schulen", die den Bedürfnissen der Bauern nicht genügen, wogegen diese sie für die Bauernschulen verwenden

|58| wollten; der Streit endete damit, daß das Geld für beide Zwecke verwendet wird, wobei in manchen Gegenden alles die Bauern bekommen. Die Entwicklung der Bauernbewegung hat ein rasches Ansteigen des bäuerlichen Kulturniveaus zur Folge. Binnen kurzem werden wir überall in der Provinz Zehntausende von Dorfschulen in Betrieb sehen, und das hat nichts mehr mit der hohlen Phrase von der "allgemeinen Schulpflicht" zu tun, worüber die Intellektuellen und die sogenannten "Schulmänner" so viel Lärm machten, ohne daß etwas anderes herausgekommen wäre als leeres Gerede.

13. DIE GENOSSENSCHAFTSBEWEGUNG

Die Bauern benötigen Genossenschaften, insbesondere Konsum-, Absatz- und Kreditgenossenschaften. Wenn sie einkaufen, werden sie vom Kaufmann ausgebeutet; wenn sie die Erzeugnisse ihrer Wirtschaft verkaufen, haut sie der Händler übers Ohr; wenn sie eine Anleihe in Geld oder Reis nehmen, werden sie vom Wucherer ausgepreßt; sie haben daher ein brennendes Interesse an der Lösung dieser drei Probleme. Als im Winter vorigen Jahres während der Kampfhandlungen im Yangtse-Tal der Handelsverkehr unterbrochen war und in Hunan der Satzpreis in die Höhe ging, organisierten viele Bauern Genossenschaften für den Salzeinkauf. Als die Grundherren mutwillig Darlehen verweigerten, gab es viele Versuche der Bauern, Darlehenskassen zu gründen, da sie Kredite benötigen. Ein großes Problem ist das Fehlen eines detaillierten Musterstatuts für solche Organisationen. Da die spontan entstandenen Organisationen der Bauern häufig den Genossenschaftsprinzipien nicht entsprechen, erkundigen sich die unter den Bauern arbeitenden Genossen immer wieder eifrig nach einem "Statut". Bei entsprechender Anleitung kann sich die Genossenschaftsbewegung mit dem Wachstum der Bauernvereinigungen überall entwickeln.

14. INSTANDHALTUNG VON STRASSEN, TEICHEN UND DAMMEN

Auch das ist ein Verdienst der Bauernvereinigungen. Bevor es diese gab, befanden sich die Straßen auf dem Lande in einem fatalen Zustand. Für die Straßenreparaturen braucht man Geld, und da die Wohlhabenden keine Lust hatten, in ihren Geldbeutel zu greifen,

|59| waren die Straßen dem Verfall preisgegeben. Wenn irgendwo Instandsetzungsarbeiten vorgenommen wurden, so als Wohltätigkeitsmaßnahme: Man sammelte bei Familien, die "eine im jenseits anzurechnende Wohltat vollbringen wollten", etwas Geld und hielt einige schmale und schlechte Wege instand. Mit dem Aufkommen der Bauernvereinigungen wurde der Befehl erteilt, daß jeder Grundherr den durch seine Besitzung führenden Wegabschnitt in einer bestimmten, den örtlichen Erfordernissen angemessenen Breite - drei, fünf, sieben oder zehn Fuß - auszubauen hat. Wenn der Befehl erlassen ist, wer wagt es da, ihn nicht zu befolgen? Nach kurzer Zeit gab es eine Anzahl guter Straßen. Das ist schon keine Wohltätigkeit mehr, sondern das Ergebnis eines ausgeübten Zwanges, und so ein kleiner Zwang ist durchaus keine schlechte Sache. Dasselbe gilt für die Teiche und Dämme. Die rücksichtslosen Grundherren dachten nur daran, aus ihren Pächtern möglichst viel herauszuholen, wollten aber nicht mit einem Groschen für die Instandhaltung der Teiche und Dämme herausrücken; mochten auch die Teiche austrocknen und die Pächter Hungers sterben - ihnen war nur daran gelegen, den Pachtzins einzukassieren. Nun aber sind die Bauernvereinigungen da, und diese brauchen nur ohne viel Umstände ihren Befehl zu erlassen, und die Grundherren haben die Teiche und Dämme auszubessern. Wenn sich ein Grundherr weigert, dann gibt ihm die Bauernvereinigung höflich Bescheid: "Gut! Besserst du nicht aus, dann zahlst du halt ein Dou {8} Reis pro Arbeitstag!" Da dies ein schlechtes Geschäft für den Grundherrn ist, beeilt sich dieser, die Reparaturen in eigener Regie durchzuführen. So wurden viele bislang vernachlässigte Teiche und Dämme in einen einwandfreien Zustand gebracht.

Alle diese vierzehn Errungenschaften haben sich die Bauern unter der Führung der Bauernvereinigungen erkämpft. Der Leser möge selbst überlegen, ob auch nur eine von ihnen, sei es dem ihr zugrunde liegenden Geist, sei es ihrer revolutionären Bedeutung nach, etwas Schlechtes ist. Ich glaube, daß nur die Tuhao und Liäschen an ihnen etwas aussetzen könnent Es ist doch recht sonderbar, wenn man aus Nantschang [24] vernimmt, daß Tschiang Kai-schek, Dschang Diingdjiang [25] und andere Herren das Vorgehen der Bauern von Hunan ganz und gar nicht billigen. Die rechtsgerichteten Führer in Hunan wie Liu Yüä-dschi [26] sind derselben Meinung, wenn sie von den Hunan-Bauern sagen: "Sie sind einfach Rote geworden!" Ich frage mich aber, was das für eine nationale Revolution wäre, wenn es nicht dieses bißchen Rot gäbe! Wenn man tagein, tagaus von der "Weckung

|60| der Volksmassen" redet, dann aber in Todesangst gerät, sobald die Massen wirklich erwachen, so ist das genau dasselbe wie die Geschichte von der Liebe des Ehrwürdigen Schö zu den Drachen! [27]

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