Der Ausbau des Repressionsapparates in den 90er Jahren

Eine Übersicht

aus : 70/20 Jahre Rote Hilfe

Das Zusammenwachsen der europäischen Staaten brachte in den 90er Jahren vor allem die weitere Vereinheitlichung des europäischen Sicherheitsapparats und die Abschottung Europas nach außen; die innereuropäischen Grenzen existieren - ins Landesinnere verlegt - vorwiegend für Nicht-EU-Europäer. Im Zuge internationaler Zusammenarbeit tut sich die BRD vor allem mit der Repression in der BRD lebender Kurdlnnen und kurdischer Politikerlnnen, aber auch anderer ausländischer Aktivistlnnen hervor. Unter Ausnutzung der Schwäche der Linken und der Irrelevanz einer demokratischen Öffentlichkeit wurden mit den Gesetzen gegen die sogenannte organisierte Kriminalität u.a. eine Vielzahl von Bespitzelungsmöglichkeiten geschaffen, die auch die Linke betreffen. Die Trennung von Polizei und Geheimdiensten wurde quasi abgeschafft.

1991 beschloß die Bundesregierung im Zuge der Verlegung der innereuropäischen Grenzkontrollen nach Innen die Aufgabenerweiterung des BGS: Seitdem wird er in Bahnhöfen und zur Uberwachung des Flugverkehrs eingesetzt.

Im Juni 1992 wurde der erste Teil des "Gesetzespaketes zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität" verabschiedet. Neben einer Anderung des Betäubungsmiffelgesetzes, Bestimmungen zur Geldwäsche u.a. wurde der §129 auf ausländische Organisationen ausgedehnt. Weiter wurde die "Beobachtende Fahndung aus den 70er Jahren wieder aktiviert, mit dem neuen §98 StPO werden alle öffentlichen und privaten Datenbesitzer zur Herausgabe der Informationen verpflichtet (Verwendung für Rasterfahndung): Mit dem neuen §100c der StPO ist das Fotografieren auf Demos von Tatverdächtigen und deren Begleit- und Kontaktpersonen durch Bullen ohne Einschränkung erlaubt, desgleichen das Abhören von Verdächtigen und deren Kontakt- oder Begleitpersonen bei Vorliegen einer Straftat "von erheblicher Bedeutung". Das Abhören von Privaträumen ("Großer Lauschangriff") konnte noch nicht durchgesetzt werden. Mit §110 StPO hat der Einsatz verdeckter Ermittler auch ohne richterliche Anordnung, eine rechtliche Grundlage erhalten.

Nachdem das Gesetzespaket gegen die "Organisierte Kriminalität" nicht in einem Zug durchgesetzt werden konnte, wurde im Mai 1994 das "Verbrechensbekämpfungsgesetz" verabschiedet, daß die Bespitzelungsrechte des BND erweitert. Neben illegalem Waffen- und Drogenhandel, Geldfälschung und -wäsche gilt die Erweiterung auch für "internationalen Terrorismus". Der BND wird verpflichtet, strafrechtlich relevante Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Das Abhören sämtlicher mit dem Ausland geführter Gespräche nach bestimmten Stichworten (und das automatische Aufzeichnen nach Fallen dieser Stichworte), das bis dahin "nur" bei Ausländerlnnen durchgeführt werden durfte, wird auf alle Gespräche aus der BRD erweitert.

Das am 1.1.1995 in Kraft getretene Schengener Abkommen ermöglicht im Rahmen der Vertragsstaaten die vereinfachte grenzüberschreitende polizeiliche Observation, die polizeiliche "Nacheile", erleichterte Auslieferung, die Kooperation der staatlichen Sicherheitsdienste, enthält die Einführung des Schengener Informationssystems, das u.a. Listen nicht-erwünschter EG-Bürger, abgelehnter Asylbewerberlnnen und erkennungsdienstliche Informationen enthalten soll und die Sicherung der Außengrenzen der Schengen-Staaten.

Nicht zu vergessen in dieser Auflistung sind die Verschärfungen der Länderpolizeigesetze, die Verschärfung des Ausländerrechts, das Verbot kurdischer Organisationen im November 1993 und die Quasi-Abschaffung des Asylrechts 1994.