Stadt. Aktion




Gotham City und die Zukunft des öffentlichen Raumes
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Party: How low can you go?

Von der Innenstadt AG Frankfurt

Daß Parties den Repressionsapparat des Staats auf den Plan rufen, dürfte in Frankfurt inzwischen und schon lange klar sein. Wenn zu nachtschlafender Zeit auf öffentlichen Strassen und Plätzen getanzt wird und dies nicht, um die zu Stadt in ihrem Repräsentationsstreben als Metropole zu feiern, dann schenken die Ordnungsbehörden solchen Veranstaltungen erhöhte Aufmerksamkeit. Denn schliesslich fordern Politik und Geschäftswelt wenn überhaupt, dann vermarktungsfähige (Sub-) Kultur, die den Vorgaben eines "weichen Standortfaktors" entspricht. So schaffte der Aufmarsch von Wannen samt Besatzung die Lärmdemo nicht nur zusätzliche politische Brisanz, er machte auch deutlich, wie sehr der Frankfurter Ordnungsdezernent Corts & Co. ihr Terrain angegriffen sahen.

Trotzdem stellen sich einige immer wieder dumm. Stadt auf, Stadt ab hört man nicht nur in der Presse, dass es sich bei "den Leuten" der Lärmdemo um welche handelte, die Partys und Tanz haben wollten und sonst nichts. Als sei damit schon alles gesagt und die Harmlosigkeit der Veranstaltung bewiesen. Doch fragt man sich, wie alles hat anders kommen können. So wird auf der einen Seite von einer Unverhältnismässigkeit der Polizeigewalt schwadroniert, als ginge es um das rechte Maß an Gewalt, das man hätte akzeptieren können und als müsse eine irgendeine "politischere" Veranstaltung zu Recht mit solcher Repression rechnen. Auf der anderen Seite vermutet man eine gehörige Portion sich einschleichenden Ernstes . Das Wort Politik macht die Runde und löst allerlei Aufregung aus: Im Rahmen der Innenstadt- Aktionswoche habe die Demo stattgefunden und niemand hät's gewußt. Bevor man sich fragt, um was es dabei ging, ob und welche Inhalte man teilt, wird fein sortiert: Party auf die eine Seite, Politik auf die andere. Schon unterstützt man das Interesse gerade auch von Öffentlichkeit und Politik, diese vermeintlichen Fraktionen gegeneinander auszuspielen. Dabei könnte es ja sein, daß die demonstrative Aneignung von öffentlichen Räumen in Form von Parties im Ernst Spaß bedeutet hat.

Aber was bisher angeblich nie war, das darf auch nicht sein. Dahinter stehen fest eingefahrene Annahmen darüber, welche Formen Politik und Party üblicherweise annehmen sollten. Formen, die sie kontrollierbar machen. Bei einem jeweils das andere abgezogen und schon stimmen die Klischees. Erklärt werden kann damit aber keineswegs, warum "die Leute" sich an diesem Abend den Spaß nicht verderben lassen wollten, warum sie trotz des enormen Polizeiaufgebots und staatlicher Gewalt weitergelaufen sind, warum sie den öffentlichen Platz weiterhin für sich beanspruchten. Und in Gegenwart von Wasserwerfern kann von Hipness wohl kaum noch die Rede sein. Wäre es allein ums Tanzen gegangen, hätte man sicherlich an diesem Abend in Frankfurt mehrere legale Möglichkeiten gehabt. Party in dieser Stadt - ob legal oder illegal - bedeutet, schließlich an Türstehern vorbei zu kommen, (nicht zu wenig) Eintritt zu zahlen und drinnen ab 5 DM fürs Bier hinlegen zu müssen. Daß es wenige Möglichkeiten gibt, in der Stadt Parties zu feiern, in nicht konventioneller und kontrollierter Weise, hat nicht zuletzt etwas mit der städtischen Politik zu tun. So gibt es kaum bezahlbaren Mietraum für Kneipen oder Clubs, die die übliche Türsteher- und Finanzpolitik nicht mitmachen. Glamour hält sich auch da in Grenzen, wo der legal übliche Ein- und Ausschlußmodus bis in die illegalen Bereiche getragen wird. Gerade deshalb erscheinen uns die Diskussionen um die Legalität und Illegalität der Nachttanzdemo schlicht daneben.

Das andauernde Geschwätz von der Metropole, die man unbedingt werden will, steht nicht im Widerspruch zu Ausschlüssen, die diese Metropole produziert, indem sie öffentliche Plätze zunehmend privatisiert und darüber verschärfte Bestimmungen vornimmt, wer diese wann besuchen kann.

Die Innenstadt-Aktionswoche war der Versuch, auf die rassistischen wie ökonomischen Ausgrenzungen von Menschen hinzuweisen, die angeblich nicht ins öffentliche Bild passen. Und darauf, daß viele, die immer weitreichenderen selektiven Räumungen der Innenstadt mit tragen, weil ihnen die Formel "Ordnung und Sauberkeit = Sicherheit" einzuleuchten scheint. Die Zurichtung der Innenstadt zum Prestigeobjekt einer Finanzmetropole, die weltweit Anleger anzulocken und deren Konsumstandarts gerecht zu werden versucht, führt zu einem erhöhten Preisniveau auf allen Ebenen. So kommt dann auf elegante Art und Weise eine weitere "Räumung" hinzu: da manche Leute nicht kaufen können, müssen sie draußen bleiben.

Die Lärm '97 war innerhalb der Innenstadt-Aktionswochen eine Form, sich gegen den Schulterschluß von Politik, Geschäftswelt und bravem Bürgertum zu stellen. Auch wenn die Motivationen der Beteiligten teilzunehmen unterschiedlich gewesen sein mögen, ist es eine Sache warum Leute kamen und eine andere, warum sie blieben. Sie nachträglich zu harmlosen TänzerInnen zu erklären, ist müßig. Dumm stellen können sie sich selbst.