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Gotham City und die Zukunft des öffentlichen Raumes
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Düsseldorf - No go areas-Rassismus am Hbf

von der TERZ - Düsseldorfer Stadtzeitung

In den letzten Monaten werden MigrantInnen am Hauptbahnhof häufig durch Personalienkontrollen und Festnahmen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das BtMG diskriminiert. Offiziell wird das rassistische Vorgehen der Polizei mit dem "Kampf gegen die Drogenszene am Hauptbahnhof" legitimiert.

Am 6. August 1996 erfuhr Ajakta Veli (Name von der Redaktion geändert), was es bedeutet, wenn SchwarzafrikanerInnen zu DrogendealerInnen stigmatisiert werden und die Hautfarbe zu einem Kriterium für potentielles kriminelles Handeln wird.

Ajakta Veli, Du wurdest am 6. August ´96 am Düsseldorfer Hauptbahnhof festgenommen. Was ist geschehen ?

Ich war um ca. 19 Uhr in einer Telefonzelle am HBF, als ein Polizist (Soldat) kam und mich aus der Telefonzelle herausholte. Ich fragte, was das zu bedeuten habe und wollte einen Verantwortlichen sprechen. Daraufhin kam eine Polizistin, die französisch sprach. Sie sagte mir, daß es um Drogen ginge und daß sie mich kontrollieren würden (ob ich Drogen bei mir trage oder nicht). Also dachte ich, gut, sie können mich kontrollieren und bin mitgegangen.

Sie brachten mich vors Hotel IBIS zu einer Gruppe anderer Schwarzer, die dort festgehalten wurden... Sie haben nur Schwarze festgehalten. Ich sah, daß die PolizistInnen Leute festhielten, die aus der U-Bahn herauskamen, um umzusteigen. Es wurden nur Schwarze aussortiert. Am Ende waren wir insgesamt 35 Personen vor dem Hotel. Es waren nur Männer.

Ich war mit einer Sporttasche unterwegs zum Sport. Ein Junge kam gerade von seinem Arbeitsplatz, ein Mann mit einer deutschen Frau wollte gerade den Zug wechseln. Es waren nur Schwarze. Es waren keine Leute mit hellerer Hautfarbe, die dort festgenommen wurden, nur die Schwarzen.

Als sie mich an die Wand stellten, nahmen sie mein Portemonnaie und mein Taschentuch und steckten sie in einen Plastiksack. Ich dachte, nachdem sie mich kontrolliert hätten, was für mich normal war, würden sie mich wieder freilassen. In diesem Moment legten sie mir Plastikhandfesseln an.

Wir wurden alle durchsucht und bekamen eine Nummer auf den Arm geklebt, die identisch war mit einer Nummer auf einem Plastiksack, in den sie unsere persönlichen Sachen steckten.

Wie war die Kommunikation zwischen Euch und den PolizistInnen ?

Die Kommunikation zwischen uns und den PolizistInnen war "dünn"; will heißen, sie waren im großen und ganzen nicht bereit, uns auf unsere Fragen zu antworten und auf unsere Beschwerden einzugehen. Ich selber forderte im Moment meiner Festnahme den Verantwortlichen der Polizeieinheit zu sprechen. Aber der Verantwortliche wollte nicht zuhören, alles was er wollte, war, uns zum Polizeipräsidium mitzunehmen.

Eine schwarze Frau war wütend, sagte, das sei ihr Mann, den sie da festhalten würden, gab der Polizei zur Bestätigung ihren Ausweis. Die Polizei antwortete, sie solle nach Hause gehen, oder man würde sie mit aufs Polizeipräsidium nehmen, dann könne sie ihren Mann sehen.

Wie haben die PassantInnen reagiert ?

Die Reaktion der PassantInnen war unterschiedlich. Es blieben viele stehen und beobachten das Ganze. Einige schauten uns an wie Verbrecher und sahen zufrieden aus, als man uns festnahm, manche wirkten befriedigt, daß man uns Schwarze festnahm.

Aber andere fragten uns, was los sei und waren empört. Sie beschwerten sich bei der Polizei über unsere Behandlung.

Wie ging es dann weiter ?

Wir wurden alle mit einem Rheinbahn-Bus zum Polizeipräsidium gefahren. Als wir am Polizeipräsidium ankamen, waren wir immer noch gefesselt, niemand wurde von seinen Fesseln befreit. Wir wurden vom Bus aus einzeln von zwei PolizistInnen in einen Raum gebracht, in dem sie unsere Personalien aufnahmen. Von dort aus haben sie uns einzeln in einen anderen Raum gebracht, in dem zwei Beamte in Zivil waren, die weiße Plastikhandschuhe anhatten.

Als ich in diesen Raum herein kam, forderte mich einer der beiden auf, mich auszuziehen. Ich zog mich bis auf die Unterhose aus. Die Person forderte mich auf, mich ganz auszuziehen. Ich sagte, ich sei kein Drogenkonsument oder Dealer, darum weigerte ich mich, mich ganz auszuziehen. Der Mann sagte, wenn ich keine Probleme bekommen wolle, müsse ich die Hose ausziehen, und außerdem seien wir doch unter Männern. Ich tat, was er verlangte. Dann zog ich mich wieder an und wurde von zwei Beamten in eine Zelle abgeführt.

In der Zelle befanden sich drei weitere Personen. Die Zelle war ca. 15 qm groß, in der Zelle befand sich nur ein Bett und eine Toilette für 4 Personen. Wir haben die ganze Nacht dort verbracht, und ich war total müde und erschöpft, weil wir auch nichts zu essen bekommen hatten.

Gegen 12 oder 1 Uhr wurden wir gerufen und einzeln in einen anderen Raum gebracht. In diesem Raum befand sich eine Person, um unsere Fingerabdrücke zu nehmen. Danach wurden wir wieder in die Zelle zurückgebracht und wurden bis zum nächsten Morgen 6 Uhr dort gefangengehalten. Um 6 Uhr wurden wir rausgelassen, und ich bin mit anderen Leuten gemeinsam zum Hbf gefahren.

Weißt Du, was mit den anderen Festgenommenen passiert ist?

Auch die anderen wurden letztendlich alle rausgelassen, einige allerdings erst nach 2 oder 3 Tagen.

Sie hatten alle nicht das Profil eines Drogenkonsumenten oder -dealers. Davon bin ich überzeugt. Vielleicht wurden sie solange im Polizeipräsidium behalten, weil sie keinen Ausweis dabei hatten oder aufgrund des Asylverfahrensgesetzes keine Genehmigung hatten, sich in Düsseldorf aufzuhalten. Bei keiner der 35 Personen wurden Drogen gefunden.

Wie seid ihr von den PolizeibeamtInnen behandelt worden?

Sie haben uns insgesamt sehr grob und ruppig behandelt, die Handschellen waren viel zu fest zusammengezogen; darüberhinaus haben sie uns im Bus herumgeschubst.

Als ein 17jähriger Junge im Bus forderte, auf die Toilette gehen zu können, sagte ihm einer der Polizeibeamten, er solle doch in den Bus pinkeln. Als der Junge daraufhin versuchte, gefesselt seine Hose zu öffnen, wurde er von dem Beamten zu Boden gestoßen. Das löste Aufruhr im Bus aus, aber wir waren ebenfalls gefesselt und konnten uns nicht gegen die Willkür der Beamten durchsetzen.

Im Polizeipräsidium selber wurde uns weder etwas zu essen oder zu trinken gegeben, noch konnten wir die Nacht über schlafen, da es in der Zelle lediglich ein Bett für 4 Personen gab.

Gab es von seiten der PolizistInnen rassistische Äußerungen?

Als wir vom Präsidium nach Hause fuhren, erzählten einige von ihren Festnahmen. Insgesamt gab es mehrere, die von der Polizei so angesprochen wurden: Ihr seid Schwarze, ihr verkauft Drogen, ihr müßt mitkommen.

Ansonsten habe ich nichts mitbekommen. Mir selber ist so etwas nicht passiert, aber man sah es bei den Festnahmen, daß sie nur Afrikaner festgenommen hatten. Das war der rassistische Ausdruck der Polizei-Aktion.

Wie sieht es heute am Hauptbahnhof aus?

Wenn Du heute als Schwarzer am Hauptbahnhof bist, um Deinen Zug zu wechseln, siehst Du zum Teil schreckliche Szenen in der Art, uns Schwarze zu kontrollieren. Manchmal werden wir mehrfach kontrolliert, einmal am Anfang des Hbf und dann von den gleichen PolizistInnen nochmal später. Aber es sind Unschuldige, die z.T. gewaltsam kontrolliert, auf den Boden gestoßen werden. Aktuell habe ich eine große Antipathie, den Bahnhof zu durchqueren.

Der Fakt, ständig kontrolliert zu werden, ist aber nicht neu. JedeR Schwarze ist schon mehrfach kontrolliert worden. Man kann für Düsseldorf sagen: mindestens einmal im Monat.

Was hat sich für Dich nach dieser Geschichte am Bild von Deutschland verändert?

Eine solche Erfahrung habe ich selbst in Ländern, von denen ich sage, daß dort die Diktatur des Militärs herrscht, noch nicht erlebt. Dort werden die Menschenrechte mißachtet, und es wird brutal gegen oppositionelle Demonstrationen vorgegangen, aber einfach in der Stadt festgenommen zu werden, ohne daß ein Tatvorwurf (Motiv) vorliegt, das ist mir in diesen Ländern noch nie passiert

Das Interview erschien bereits in Ausgabe 5/97 der Düsseldorfer Stadtzeitung TERZ