Walter Krause

Grußwort zum Benno-Ohnesorg-Kongreß


Herzlich willkommen!

Tote schweigen nicht! Benno Ohnesorg ist zu einem Symbol für die 68er-Bewegung geworden. Aber was war diese eigentlich? Studentenbewegung? Schülerbewegung? Lehrlingsbewegung? Arbeiterbewegung? Frauenbewegung? Für bessere Studien- und Ausbildungsbedingungen, für mehr Gleichberechtigung, für mehr Lohn, gegen Vietnamkrieg, gegen Faschismus, gegen Ausbeutung, gegen Unterdrückung? Stand gar das bestehende Gesellschaftssystem in Frage und die Revolution vor der Tür?

Mitnichten. Nach der Vernichtungsorgie des Zweiten Weltkrieges ohne gleichen machte der Kapitalismus eine Erneuerungsphase durch, bei dem ihm der stockkonservative und reaktionäre politische Überbau der nachfaschistischen, restaurativen Adenauer-Ära selbst im Wege stand. Nicht mehr die Tugenden von Pflichterfüllung, Treue, Bodenständigkeit und Verzicht waren gefragt, sondern vor allem mobile, flexible, konsumfreudige Menschen, die sich den schneller sich veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse anpassen konnten und gleichzeitig die Konsumenten der sich entwickelnden Massenproduktion waren.

Die Revolte der 68er gegen die bestehenden politischen Verhältnisse stand also zu dem gesellschaftlichen Gesamtsystem nicht in jeder Hinsicht in Widerspruch. Sie hatte deshalb auch großen Erfolg. Nur dieser Erfolg beruhte auf dem aktuellen Erfolgt des kapitalistischen Systems. Die Kritik am Kapitalismus - als Systemkritik - war aber zum Scheitern verurteilt. Wenn einige schlußfolgerten, die Revolution stünde ins Haus, hatten sie sich total verrechnet. Hier halfen auch die gewaltsamen Versuche von RAF und Bewegung 2. Juni nichts.

Damit können wir aber noch lange nicht zur Tagesordnung übergehen. All dies war kein Spiel. Der Kapitalismus entwickelt seie Widersprüchlichkeit erneut in voller Blüte. Es ging und geht um Freiheit oder Barbarei. Die gesellschaftlichen Machtverhältnisse tragen für alle immer sichtbarer den tötlichen Keim in sich. Der weltweite Kapitalismus chickt sich an, die Grundlagen allen Lebens zu zerstören. Politisch ist von mehr Freizügigkeit längst auf Restriktion umgeschaltet. Nunmehr ist nicht mehr an Überbauphänomenen, sondern an grundlegenden gesellschaftlichen Verhältnissen zu rütteln.

Die Veranstalterinnen und Veranstalter des Kongresses möchten Gelegenheit dazu bieten, die Ursachen der 68er-Revolte aufzuzeigen, das, was sie war, anhand von Zeitzeugen Revue passieren lassen und letztendlich nach ihrer politischen Bedeutung für heute fragen. Aber: der Kongreß seit ihr! Macht etwas daraus. Vielleicht wollen die JÜngeren hören, was die Alten zu sagen haben. Vielleicht umgekehrt. Und vielleicht ergibt sich auch aus beidem zusammen ein Fingerzeig für die politische Zukunft von morgen. Füllt die Gneraldebatten und Arbeitsgruppen mit Leben!!!