Arbeitsgruppe

Ökologie/Ökonomie - Gewerkschaftsfragen

Stand: 19. Mai 1997

Thesen zur gesellschaftlichen Funktion des DGB

1. Das Kapital braucht immer Arbeit ...

Ohne die von Menschen geleistete Arbeit keine Mehrwertproduktion! Die Aneignung unbezahlter Arbeit im Produktionsprozeß ist die Basis der kapitalistischen Produktionsweise. Deshalb kann das Kapital dem Zwang, lebendige Arbeit ausbeuten zu müssen, nicht entkommen. In den Finanzzentren der Welt wird kein Mehrwert produziert, sondern lediglich Mehrwert umverteilt und auf zukünftigen spekuliert.

2. ... aber braucht die Arbeit den Kapitalisten?

Geine Gestaltung der gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozesse durch die Assoziation der Produzierenden und Konsumierenden ist nicht nur nötig, sondern auch möglich. Demgegenüber ist die "Mitbestimmung" noch nicht einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Sie integriert die Produzierenden unter die Zwecke des Kapitals.

3. Notwendig ist ein Bündnis für Bedürfnisbefriedigung!

Motiv der Produktion sollte nicht die Realisierung von Profiten am Markt sein, sondern die Befriedigung der materiellen, kulturellen und sozialen Bedürfnisse aller Menschen.

Hier und jetzt aber schon: Lebensgenuß ermöglichende Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum für alle - auch ohne den Zwang zur Lohnarbeit!

4. Arbeit muß unbezahlbar werden!

Heute ist es möglich, mit nur geringem Aufwand an gesellschaftlicher Arbeit die Erdbevölkerung zu ernähren und ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Die Produktivität menschlicher Arbeit ließe unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen viel Zeit für die Entwicklung wirklich demokratischer Gemeinschaft, das Individuum hätte hier alle Möglichkeiten für ein soziales, kultur- & genußreiches Leben.

5. Den Standort "Erde" sichern!

Arbeitsplatzsicherung als gewerkschaftliches Ziel untergräbt nicht nur jegliche internationale Solidarität, sondern ignoriert auch den Zusammenhang von kapitalistischer Produktion und ökologischer Krise. Die Blindheit der Gewerkschaften für ökologische Fragen liegt in deren Selbstverständis begründet: Es wurde nie mit der fatalen Tradition der ArbeiterInnenbewegung einer Anbetung der Produktivkraftentwicklung gebrochen, und als gesellschaftliche Instanz zur Aushandlung des Arbeitslohns waren und sind sie an die Logik der Profitproduktion gebunden. Hieraus erwächst zwangsläufig ein Interesse an der Konkurrenzfähigkeit des jeweiligen Kapitals, die entsprechende Senkung der Produktionskosten ist aber ohne die Externalisierung der Kosten für den Raubbau an den natürlichen Ressourcen nicht zu haben.

6. Der "Exportweltmeister" produziert massenahft psychisches Elend!

Aus dem von den Gewerkschaften mitgetragenen Produktivitätswahn, der bis in das private Leben der Menschen verlängert wird, ergibt sich ungeachtet aller individuellen Verdrängungs- und Kompensationsstrategien ein entfremdetes, entsolidarisiertes und frustiertes Leben. Eine Folge sind häufig genug nach innen oder gegen die Umwelt gerichtete Aggressionen.

Die Kehrseite der "Individualisierung" (U. Beck) ist die atomisierte Gesellschaft, deren Mitglieder sich nur noch als KonkurrentInnen sehen - und es auch sind.

7., Gewerkschaften sind Männerbünde!

Das heutige Mitglied ist nicht mehr der männliche Facharbeiter, aber an ihm und seiner Arbeitsbiographie orientiert sich gewerkschaftliches Wirken, insofern stützen und reproduzieren sie patriarchale Strukturen. Frauen haben sich dem anzupassen, wenn sie versuchen, innerhalb der Gewerkschaften Einfluß zu nehen.

8. Gewerkschaften spalten!

Die postfordistische Umstrukturierung der Produktion durch das Kapital geht mit einer Segmentierung der Lohnarbeitenden in realtiv kleine hochproduktive Kernbelegschaften, in eine wachsende Anzahl von Menschen mit ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen sowie in die Schar derjenigen einher, die ihre Arbeitskraft nicht mehr verkaufen können.

Gewerkschaften bündeln nicht die gemeinsamen Interessen dieser Schichten, sondern vertreten weitgehend den "nützlichen" Kern. Zuende gedacht bedeutet dies: "Wer nicht (lohn-)arbeitet, soll auch nicht essen."

9. Aufgabe einer Organisation der Lohnabhängigen ist nicht die Verteidigung der "deutschen Arbeit"!

Die Diskussion um den "Standort Deutschland" offenbart das notwendigerweise nationale Element der Gewerkschaften. Der DGB propagiert den volksgemeinschaftlichen Schulterschluß mit dem im Lande anwesenden Kapital. Er verinnerlicht das kapitalistische Konkurrenzmodell. Der Kampf gegen die Unterdrückung und Ausbeutung ist über alle staatlichen grenzen hinweg zu führen.

10. Gewerkschaften sind ein Teil des Systems und müssen bekämpft werden!

Die Organisationsform "Gewerkschaft" hat einzig die Funktion, den Preis der Ware Arbeitskraft auszuhandeln, die ArbeiterInnen zu kontrollieren und den Kapitalismus sozial abzufedern. Der Gewerkschaftsapparat wirkt sich autoritär und damit antiemanzipatorisch aus, er verfügt über die Mitgliedsbeiträge, hortet Informationen und hat das Verhandlungs- und Entscheidungsmonopol. Die VErselbständigung des Apparates ist daher zwangsläufig.

In einer Gesellschaft ohne Lohnarbeit wären Gewerkschaften überflüssig - wieso sollten sie sich dann für eine solche insetzen?

11. Eine menschliche Gesellschaft kann nur antihierarchisch sein!

Das Kapital schafft unter dem Stichwort "lean production" Hierarchien innerhalb der Arbeitsorganisation ab, um so die Produktivität zu steigern. Ermöglicht wird dies durch technologische Entwicklungen, aber auch dadurch, daß die Produzierenden unten den gegebenen Verhältnissen den Produktionszweck teilweise (noch) so verinnerlicht haben, daß sie einer äußeren Herrschafts- und Kontrollinstanz oftmals nicht bedürfen. Trotzdem kann diese Kompetenzerweiterung unter der Bedingung, daß sich die nicht über Produktionsmittel verfügenden Menschen in einem bewußt-praktischen Prozeß als Klasse für siczh konstituieren, auch ein Schritt in Richtung einer selbstbestimmten Gesellschaft sein.

Im Gegensatz dazu beziehen sich Gewerkschaften nur deshalb positiv auf "lean production", weil sie in ihr ein Mittel zur Steigerung der internationalen Konkurrenzfähigkeit sehen - nicht ohne das als "Humanisierung der Arbeitswelt" ideologisch zu verbrämen.

12. Organisieren wir uns selbst!

Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf gegen Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse ist eine horizontale Organisierung der Unterdrückten in Form von Räten, die vertikale Strukturen wie Vorstände bewußt ausschließt.

Darüber hinaus halten wir die Trennung von politischem und ökonomischem Kampf nicht nur für künstlich, sondern für schädlich: Sie muß aufgehoben werden.

wie es darüberhinaus gelingt, z.B. die Kontinuität selbstorganiserter Kämpfe zu gewähleisten, deren überregionale und inhaltliche Verknüpfung zu gestalten und dem integrativen "Sog der Verrechtlichung" zu entkommen, mit dem die herrschenden Teilforderungen aufgreifen, um der Bewegung die Spitze abzubrechen, kann nur innerhalb des Prozesses geklärt werden.