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BRD 1977 - Der Polizeistaat in Aktion

Zur Rolle der Gewerkschaften beim Ausbau des Polizeistaates

ÖTV-Führung fordert Trauer um Buback


Aus: Rotbuch zu den Gewerkschaftsausschlüssen, herausg. v. j.-reent-verlag Hamburg 1978, S.178ff

Weil er während einer Schweigeminute für den ehemaligen Bundesgeneralanwalt Buback auf der Personalratssitzung (!) auf seinem Stuhl sitzen geblieben ist, wird Personalratsmitglied Udo Knapp aus der ÖTV ausgeschlossen und bekommt zudem, wenn es nach dem Willen der öffentlichen Arbeitgeber geht, Berufsverbot.

13.4. (1977 - trend) Während einer Personalratssitzung (!) des Bezirksamtes Spandau am 13.4. fordert der Vorsitzende Prosche die Anwesenden auf, in einer Schweigeminute Buback "zu ehren". Lediglich Udo Knapp bleibt sitzen.

18.4. Fünf Tage später verteilt die reaktionäre Spaltergewerkschaft Komba, die im Personalrat vertreten ist, 3.000 Flugblätter mit der Überschrift: "Terroristen-Sympathisanten und Extremisten in der Spandauer Verwaltung?", auf denen Udo öffentlich diffamiert und denunziert wird und die ÖTV, die "mit linksradikalen Mitgliedern gesegnet ist" ; zum harten Durchgreifen aufgefordert wird. Diese Leute werfen dem Kollegen vor, "das persönliche Eintreten für unsere freiheitliche Grundordnung" nicht bekundet zu haben.

20.4. Nur wenig später ziehen fünf ÖTV-Personalräte nach. Sie fordern den Gewerkschaftsausschluß von Udo Knapp mit der Begründung, er sei ein Sympathisant der Terroristen!

Inzwischen sind auch einige Vorgesetzte nicht ganz untätig. Die Amtsleitung des Amtes für Jugend (Udo ist dort Sachbearbeiter für politische Bildung) unternimmt einen Vorstoß beim Stadtrat, dem Kollegen die Leitung eines Ferienlagers zu entziehen. Der Stadtrat entscheidet erst einmal, die Mitarbeiter im Ferienlager "nochmals genauer unter die Lupe zu nehmen".

Mit Beginn der öffentlichen Terrorkampagne gegen den fortschrittlichen Kollegen bekommt er anonyme Anrufe, in denen er als "Anarchistensau" beschimpft wird. "Eine Kollegin von U. Knapp erhält ein anonymes Scheiben, in dem sie zur Distanzierung vom Kollegen Knapp aufgefordert wird. einem anderen Kollegen wird bedeutet, er solle sich nicht so offen und oft mit U. Knapp sehen lassen, das könne ihm schaden".

Die Frage, w e r die Terroristen sind, ist damit leicht zu beantworten!

23.4. Eine Woche später wird von den ÖTV-Mitgliedern (!) des Personalrates gefordert, daß U. K. bis zur Klärung der Angelegenheit aus dem Personalrat geht - der Kollege lehnt das entschieden ab und verlangt stattdessen ein gemeinsames Vorgehen gegen die Rechten von der Komba. Das wird abgelehnt.

4.5. Der Kollege verteilt daraufhin seine eigene Stellungnahme. In dieser Stellungnahme kennzeichnet er das Vorgehen der Rechten als "einen Versuch, mit den Mitteln des Rufmordes gegen unbequeme Mitarbeiter in den eigenen Reihen vorzugehen" Er erklärt: "Ich lehne das Vorgehen der Terroristen als politisch sinnlos entschieden ab ... Ich sehe mich dennoch nicht im Stande, Herrn Buback ehrend zu gedenken". Er kennzeichnet Buback dann als einen wesentlichen Vorantreiber der Verschärfungen des Straf- und Polizeirechts, der Einschränkung der Pressefreiheit, als Mitverantwortlichen für das Klima der Denunziation und Repression. Udo Knapp hält "es für erforderlich, auch öffentlich undgerade als Angestellter im öffentlichen Dienst auf diese Gefahren hinzuweisen". Er wirft den entsprechenden Personalratsmitgliedern vor, daß sie mit ihrer Hetzkampagne gegen ihn von ihrem eigenen undemokratischen Verhalten sämtlichen Kollegen gegenüber ablenken. Er schließt seine Stellungnahme mit der Ankündigung, daß er weiter für den Personalrat kandidieren wird (die Wahlen stehen im Herbst an).

Das Verteilen dieser Stellungnahme wird U. K. untersagt (es wurden aber eine Menge verteilt).

Auf der Vertrauensleuteversammlung, die am selben Tag stattfindet, wird er wiederholt als "Terrorist" dargestellt. Dazu wird auch seine politische Vergangenheit (aktiv in der Studentenbewegung und im Sozialistischen Studentenbund -SDS -), aus der er nie ein Hehl gemacht hatte, wieder aufgewärmt. Mit zwölf zu elf bei sieben Enthaltungen beschließen die Vertrauensleute,die Ausschlußempfehlung gegen Knapp zu unterstützen. Noch kurz vor der Abstimmung wurde ihm angetragen, "daß sein Ausschlußverfahren wohlwollend behandelt würde, wenn er freiwillig im Interesse der ÖTV (!) auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Knapp lehnt ab".

6.5. Die Leitung des Ferienlagers wird ihm entzogen, da er "durch sein Flugblatt und die um ihn entstandene Kampagne dem Ansehen der Jugendpflege nach außen Schaden zugefügt" habe.

8.5. Die ÖTV-Fachgruppenversammlung Sozialarbeit beim Bezirksamt Spandau deckt den "Versuch der Manipulation der bevorstehenden Kandidatenaufstellungsversammlung der ÖTV für die Personalratswahlen auf: Über einen Kuhhandel und offene Kontrolle der Abstimmung soll die Kandidatur von Knapp verhindert werden". Der Betriebsgruppenvorstand wird von dieser Sitzung ausgeschlossen (sauber!) und die Fachgruppe beschließt eine eigene Stellungnahme mit Unterschriftensammlung.

9.5. Auf der Personalratssitzung erzählt der Vorsitzende, daß Stadtrat Gabriel einen Antrag auf Versetzung Knapps gestellt hat. "Einige ÖTV-Mitglieder bringen den Antrag in die Sitzung, Knapp aus dem Personalrat auszuschließen; dieser Antrag wird jedoch von der Mehrheit der ÖTV- Mitglieder abgelehnt es ist zu vermuten, daß sie bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit diesem Antrag unterliegen würden."

"Die Ferienlagermitarbeiter bitten um Aufklärung, warum Knapp abgesetzt ist; sie erhalten ein Ultimatum bis 19.5., schriftlich sich zur Zusammenarbeit mit den neuen Leuten des Ferienlagers zu verpflichten, andernfalls würden sie entlassen; eine Mitarbeiterin darf nicht am Ferienlager teilnehmen, da gegen sie der Verfassungsschutz Einspruch erhoben hat."

16.5. 57 ÖTV-Kollegen der Abteilung Sozialarbeit verteilen eine Protesterklärungund starten die Unterschriftensammlung.

Die Komba-Reaktionäre haben ihr neuaufgelegtes Flugblatt an allen Spandauer Krankenhäusern und jetzt auch an alle Spandauer Lehrer verteilt. Die ÖTV-Spitze unternimmt nichts, sondern beschließt vielmehr auf ihrer Sitzung am 16.5., ein Ausschlußverfahren gegen Udo Knapp einzuleiten. Seine Mitgliedsrechte und -pflichten ruhen.

24.5. Auf der Betriebsgruppenvollversammlung der ÖTV des Bezirksamtes Spandau sollen die Kandidaten für die Personalratswahl bestimmt werden. Aufgrund des Ausschlußverfahrens darf Udo nicht teilnehmen und verteilt stattdessen eine Erklärung, in der er die Vorgänge noch einmal aufrollt und einiges Material zum Karrierismus einiger ÖTV-Personalräte bringt. Denn nach seiner ersten Stellungnahme, in der er schon die "moralische Verwahrlosung ... in der Arbeit unseres Persona/rates" kritisierte, war ihm unterstellt worden, all das seien bloße Behauptungen.

Udo Knapp schließt seine Stellungnahme: "lch möchte aber feststellen, daß ich nicht aufhören werde, immer und überall die Wahrheit zu sagen und mit aller Entschiedenheit für Gerechtigkeit und bessere gesellschaftliche Verhältnisse zu kämpfen. Und ich werde nicht jammern,wenn ich dafür einstehen muß".

Inzwischen ist noch bekannt geworden, daß das Amt nicht nur seine Versetzung betrieben hat, sondern sogar sein Berufsverbot betreibt!

So will man prüfen lassen, "ob gegen Herrn Knapp ein Disziplinarverfahren mit dem Ziele einer ordentlichen Kündigung eingeleitet werden kann und gegebenenfalls eine entsprechende Untersuchung durchzuführen."

Alle Zitate aus der Dokumentation des FHSS-Komitees gegen Berufsverbote und politische Disziplinierungen; Goltzstraße 43l44 -1000 Berlin 30

Inzwischen hat am 16.2.78 der Prozeß gegen Udo Knapp aufgrund eines Strafantrags von fünf PR-Mitgliedern wegen "Beleidigung und übler Nachrede" vor dem Arbeitsgericht stattgefunden.

"Udo Knapp hat seinen Fall dargestellt und an einigen Beispielen belegt, wie der Personalrat seiner Meinung nach gesetzeswidrig und moralisch verwahrlost arbeitet. Seine Beispiele waren korrekt, aber mit genauen Daten (wann, wo, wer mit wem) nicht versehen. Das Gericht akzeptierte aus diesem Grunde die Beweise nicht...

Nach zweistündiger Verhandlung schlug der Richter Udo Knapp folgende Alternativen vor:

  • zuzugeben, daß die Äußerungen strafbar waren und ein Bußgeld von DM 1.000,-- bezahlen; dann wird das Verfahren ohne Verurteilung, d.h. ohne Vorstrafe eingestellt,
  • -auf den Äußerungen beharren, verurteilt werden, auch 1.000,-- DM zahlen, aber Eintrag ins Strafregister" (aus einem Flugblatt des "Komitee an der FHSS (Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik) gegen Berufsverbote undpolitische Disziplinierungen".

Udo ist außerdem wiederum versetzt worden, obwohl er Kündigungsschutz und Versetzungsschutz genießt. Der PR hatte ebenfalls zugestimmt. Udo Knapp hat gegen diese Versetzung Klage beim Arbeitsgericht eingereicht (nach dem FHSS-Flugblatt).

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