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BRD 1977 - Der Polizeistaat in Aktion



StudentInnenstreiks im Winter 1977

Trotz des Polizeistaats in Aktion verkrochen sich die StudentInnen nicht, sondern legten flächendeckend den Lehr- und Forschungsbetrieb lahm.




9.11.77: Der Beginn eines heißen Winters.
20.000 StudentInnen aus Baden-Württemberg
demonstrieren in der Stuttgarter Innenstadt.

Aus: Rote Fahne vom 15.11.1977, Nr. 46

Streikbewegung an den Hochschulen wächst

Seit Beginn des Wintersemesters stehen die Zeichen an den westdeutschen und westberliner Universitäten und Hochschulen auf Sturm:

  • Auf Demonstrationen in Stuttgart, Westberlin, Hamburg, Bremen und Göttingen protestierten weit mehr als 40000 Studenten in der vergangenen Woche gegen das Hochschulrahmengesetz (HRG), gegen die Angriffe auf die Studentenvertretungen (AStA) und gegen die politische Unterdrückung in allen gesellschaftlichen Bereichen;
  • seit Anfang November wird an den meisten Hochschulen Baden-Württembergs die landesweite Streikfront gegen die geplante Zerschlagung der ASten durch die reaktionäre CDU-Landesregierung Filbingers aufgebaut; in Stuttgart demonstrierten allein letzten Mittwoch 20.000 Studenten;
  • in Westberlin haben sich an der "Freien Universität", an der Technischen. Universität und an der Pädagogischen Hochschule fortschrittliche Aktionseinheiten herausgebildet, deren Streik- und Aktionsvorschläge die Mehrheit auf studentischen Vollversammlungen fanden;
  • letzten Mittwoch demonstrierten über viereinhalbtausend Studenten gegen das reaktionäre westberliner Hochschulgesetz, gegen die politische Unterdrückung in allen gesellschaftlichen Bereichen und gegen das drohende Verbot von KPD, KBW, KPD/ML und KB;
  • an der Bochumer Ruhruniversität sprach Rechtsanwalt Schily vor über 1.000 Studenten über die angeblichen "Selbstmorde" von Stammheim und das faschistische Kontaktsperregesetz;
  • in Neuss verurteilte die bisher größte Vollversammlung der PH mit ca. 400 Studenten die Beseitigung einer Wandzeitung zur ROTEN FAHNE und verteidigte das uneingeschränkte Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit: Willi Jasper, Leiter des Redaktionskollektivs der ROTEN FAHNE, sprach auf der Vollversammlung gegen die drohende faschistische Gefahr;
  • auf mehreren Veranstaltungen (so in Westberlin und Bremen) und in zahlreichen Erklärungen wenden sich immer mehr fortschrittliche Dozenten und Professoren gegen die Gleichschaltung von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft;
  • zahlreiche studentische Vollversammlungen solidarisierten sich mit den disziplinierten Professoren Jens Scheer und Peter Brückner, sowie mit den verfolgten 48 Professoren und Rechtsanwälten, die den sog. "Buback-Nachruf" in einer Dokumentation veröffentlicht hatten.

Diese Massenbewegung an den westdeutschen und Westberliner Hochschulen wird in den nächsten Wochen weiter zunehmen: Ende November, Anfang Dezember wird es praktisch keine Universität mehr geben, an der nicht Streiks und Demonstrationen durchgeführt werden!

Aus: Roter Morgen Nr. 50 v. 16. Dezember 1977

Zweite Woche Streik an den Hochschulen

Kämpferische Aktionen der Studenten

An rund 130 Hochschulen und Universitäten wurde in den letzten 14 Tagen gestreikt. Gegen das Hochschulrahmengesetz und die einzelnen Landeshochschulgesetze stimmten die Studenten fast überall für Kampfmaßnahmen. Trotz vieler Polizeieinsätze, von Rektoren ausgesprochenen Streik- und Urabstimmungsverboten, obwohl VDS und MSB-Revisionisten abwiegelten wo sie nur konnten, kam es auch in der zweiten Streikwoche wieder zu militanten Kämpfen.

In Westberlin an der Technischen Fachhochschule, wo wie in vielen anderen Hochschulen gegen den VDS-Vorschlag unbefristeter Streik beschlossen wurde, tauchte auf einer Vollversammlung ein reaktionärer Professor auf. Die Studenten forderten ihn auf, den Saal zu verlassen. Als er sich weigerte, flog ihm ein Ei an den Kopf, das Licht ging aus, und er wurde kurzerhand hinausbefördert. Viele Studenten standen in den zwei Wochen aktiv als Streikposten und verhinderten militant fast alle Streikbrecherseminare und Vorlesungen. Es kam zu mehreren Polizeieinsätzen, die aber die Streikfront nicht brechen konnten. Zwei Kontaktbeamte, die an den Hochschulen herumschnüffelten, bekamen von den Studenten ordentlich Prügel.

Auf einer Uni-Vollversammlung konnte ein Apell an die Politiker, das Hochschulrahmengesetz zu novellieren, den die Revisionisten eingebracht hatten, verhindert werden, und die richtige Forderung "Weg mit dem HRG" blieb bestehen. Auch auf der Vollversammlung der PH sprach sich die Mehrheit der Studenten gegen "Mitbestimmungs- und Novellierungsschwindel" aus.

Am 10.12. fand in Westberlin eine kämpferische Demonstration der Hochschulen und Schulen statt. 18.000 waren auf die Straße gegangen. Sie forderten die sofortige Einstellung und Aufhebung aller Ordnungs- und Strafverfahren, die gegen kämpfende Studenten eingeleitet worden sind. Sie demonstrierten für freie politische Betätigung in allen gesellschaftlichen Bereichen, gegen Berufsverbote, politische Entlassungen und Gesinnungsschnttffelei. Es wurden auch Tansparente getragen mit Parolen gegen den Verbotsantrag gegen die KPD/ML und andere Organisationen und die sofortige Freilassung der in Westberlin inhaftierten Drucker der Agit-Druckerei gefordert.

In Frankfurt, wo die Studenten in der ersten Streikwoche den hessischen Kultusminister Krollmann von der Uni verjagt hatten, überfiel die Polizei am 7.12. das Streiklokal, einen Hörsaal in der Uni.10 Studenten wurden festgenommen. Aber die Empörung an der Uni war sehr groß, und sie mußten bald wieder freigelassen werden. An diesem Tag fand in Frankfurt keine einzige Vorlesung oder ein Seminar gegen den Willen der Studenten mehr statt.

An vielen Hochschulen wo die Studenten kämpferisch für die Streikziele eintraten, fielen ihnen der VDS und die ihn tragenden MSB/SHB-Gruppen in den Rücken.

Schon vor dem Streik hatte der VDS angekündigt, "er sähe es keineswegs als seine Aufgabe an, studierwillige Studenten daran zu hindern, Lehrveranstaltungen zu besuchen". Wo die Reaktionäre an den Hochschulen trotz der Beschlüsse der Vollversammlungen weiter Veranstaltungen durchziehen wollten, da waren es, wie in Bielefeld und Hamburg, gerade die MSB-Revisionisten, die der Polizei Einlaß in die Unis verschafften. In Bielefeld fanden mehrere Kundgebungen gegen den Polizeieinsatz an der Uni und Fachhochschule statt, und sie richteten sich nicht nur gegen den Terror des bürgerlichen Staates gegen die Studenten, sondern auch gegen die Verräter in den eigenen Reihen.

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