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BRD 1977 - Der Polizeistaat in Aktion


20 Jahre Deutscher Herbst sind genug!

- Appell -

aus "Arbeit und Recht" 10/97, S.393


Der Deutsche Herbst jaehrt sich zum 20. Mal - Anlass fuer manche Rueckschau, Erinnerung und Fernsehspiele. Diskutiert wird darueber, als waere das alles nur Vergangenheit. Jedoch ist dieser Deutsche Herbst nicht nur ein historisches Datum, sondern die Ereignisse des Jahres 1977 haben unmittelbare Auswirkungen bis heute. Dieser Herbst hat die Bundesrepublik zu ihrem Nachteil veraendert. Nicht nur die bewaffneten Gruppen, sondern als solche bezeichnete "Sympathisanten", kritische Geister, die Ausserparlamentarische Opposition, spaeter dann Punks und Autonome wurden als nicht zum Gemeinwesen, zu einer offenen Gesellschaft gehoerend, begriffen, sondern ausgegrenzt.

Diese Verfestigung eines latent staatsautoritaeren Zuges der Gesellschaft und die auf Vernichtung eines "Feindes" mit kriegerischen Mitteln angelegte Innenpolitik haben die politischen und psychologischen Grundlagen dieser Gesellschaft verschoben. Die damalige staatliche Reaktion u.a. auf den bewaffneten Kampf der RAF drueckt sich in geltenden Normen der StPO, des StGB und Nebengesetzen bis heute aus.

In einer als Ausnahmesituation empfundenen gesellschaftlichen Auseinandersetzung wurden Sondergesetze im Schnellverfahren verabschiedet. Diese Bestimmungen wurden selbst von Springers Morgenpost (vom 2.10.77) als Gesetze bezeichnet, mit denen "schwere Eingriffe in die Rechte Beschuldigter legalisiert (wurden), die ueblicherweise ein Kriterium fuer Diktaturen darstellen". Sie sind heute immer noch gueltig. Gueltigkeitsberechtigung haben sie keine.

Es gibt keinen Grund

... fuer die weitere Existenz von Sondergesetzen wie

  • dem Kontaktsperregesetz, §31ff. EGGVG
  • dem strafrechtlichen Tatbestand der terroristischen Vereinigung 129a StGB,
  • der Vorschrift des §112 Abs. 3 StPO (Erlass eines Haftbefehls bei Verdacht nach §129a StGB ohne Haftgrund)
  • der obligatorischen Kontrolle der Verteidigerpost. §148 Abs. 2 StPO, §29 Abs. 2 StVollzG
  • der Durchfuehrung von Jedermannkontrollen bei Fahndungen im Rahmen von §129a StGB, §111 StPO
  • dem pauschalen Verbot der Verteidigung von mehreren Beschuldigten in einem Verfahren, §146 StPO.

Ersatzlos abschaffen!

Wir, die Unterzeichnenden, fordern den Bundestag auf, diese Gesetze abzuschaffen. Wir fordern die Parteien auf, entsprechende Gesetzesentwuerfe mit dem Inhalt der ersatzlosen Streichung einzubringen. Dem seit 1977 andauernden justitiellen Ausnahmezustand sollte anlaesslich des unruehmlichen 20. Jahrestages des Deutschen Herbstes ein Ende bereitet werden.

Erstunterzeichner:

Bundesvorstand des Republikanischen Anwaeltinnen- und Anwaeltevereins, RAin Doris Dierbach, Hamburg (Vorsitzende), RA & Notar Kay-Thomas Pohl, Berlin, RA Wolf-Dieter Reinhardt, Hamburg, RA Rainer Abues, Hannover, RA Ulf Dembski, Greifswald, RA Martin Lemke, Hamburg, RA Wolfgang Kaleck, Hamburg; Bundesvorstand der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), RA Dieter Hummel, Berlin, RA Volker Ratzmann, Berlin (Mitglied des Vorstandes der Vereinigung Berliner Strafverteidiger)

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