Hollywood und der Krieg - Kriegskultur im Kino
von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen
7-8/02
trend
onlinezeitungBriefe oder Artikel info@trend.partisan.net ODER per Snail: trend c/o Anti-Quariat 610610 Postfach 10937 Berlin 26 Jahre nach der Beendigung des Vietnamkrieges mit weniger herausragenden Filmen der Verarbeitung der Vietnam-Erfahrungen (Die grünen Teufel, 1968) und herausragenden (etwa: Apocalypse Now (1979), 'Platoon' (1986) 'Full Metal Jacket' und andere, gibt es in den Kinos eine neue Welle von Kriegsfilmen, die mehr oder weniger versuchen, in versteckten Botschaften und bewegten Bildern, aus gesellschaftlichen Krisen Profit zu schlagen.
Mit einer Treffsicherheit, die teilweise unter die Haut geht, versucht Hollywood zur Zeit der Welt maßgeschneiderte Erzählungen anzubieten, die einerseits mit den gegenwärtigen Ängsten (Terror und Krieg) spielen, diesen Nahrung verschaffen, anderseits aber auch keine Gefühle der Niedergeschlagenheit aufkommen lassen, wenn es um die Verteidigung der 'Freiheit', der 'Ehre', des 'Siegeswillen' geht. 'Wir wahren Helden' (mit Mel Gibson) und 'Windtalkers' (mit Nicolas Cage) bestätigen die Fortsetzung der aktuellen Kriegsfilmwelle, die mit Täuschungen, Halbwahrheiten und Truggestalten auf filigrane Weise zu erkennen gibt, worum es eigentlich geht: um Ideologie.
Film und Fernsehen haben seit jeher in wichtigen historischen Augenblicken die kollektive Wahrnehmung über Sachzusammenhänge verschleiert und eine Bildwelt in Umlauf gebracht, die der Euphorisierung der aktuellen Kulturindustrie und dem Charakter der Warenwelt entsprechen. Welches Bedeutungspotential sich hier verbirgt, ist seit Brecht, Adorno, Benjamin und Marcuse kein Geheimnis mehr. Die Kulturindustrie verfremdet den Menschen und verhilft der Anschauung zum Durchbruch, dass man sich nichts sehnlicheres wünscht, als abgelenkt zu werden, in der Hoffnung, dass es nie so sein möge, wie es uns in einer symbolischen Prothese aufgedrückt wird, dass die Welt die Absurditäten absorbiert, Grausamkeit und Tragik in einen Hort des friedvollen Umgangs miteinander verwandelt.
Doch weit gefehlt: die planetaren Ausmaße des aggressiven Kriegskinos, haben neue Helden hervorgebracht, die sich als Trojanische Pferde aufmachen, um im Innersten unseres Hirns ein (militärisches) Übergewicht zu erzeugen, dass das stillschweigende Einverständnis setzt, die Seelen der Menschen zu domestizieren, sie sich gefügig zu machen, schliesslich zu unterwerfen. Spätestens seit Spielbergs 'Der Soldat James Ryan' ist das zu einer unverrückbaren 'Wahrheit' geworden: Krieg ist ein Feldzug von Feinden und anderen finsteren Mächten ausgelöst, in den wir unschuldig und zufällig hineingeraten. Er ist ein Naturereignis, ein Aggressionsventil, welches geöffnet werden kann, um unser Hasspotential zu entleeren, die Gewaltbereitschaft der Menschen zu kanalisieren.
Die Gewaltszenen, die wir seit 'Saving Private Ryan', 'Enemy at the Gates' kennen, zeigen,dass die Angelegenheiten dieser Welt an Ende stets mit Gewalt geregelt werden müssen. Die Weltgeschichte als Kriegsgeschichte, mit gewalttätigen Männern, die selber Krieger sind, und die vor dem Einsatz von Gewalt nicht zurückschrecken, wenn es um die Verteidigung der Moral geht. Das soll zur Logik des Denkens werden: nicht der Geist der Zusammenarbeit und der Völkerverständigung obsiegt, sondern der Geist der Konfrontation.
Weil die Kriege in den vergangenen Jahrhunderten so extrem und unbarmherzig waren, kommt es jetzt darauf an, uns vor dem Schlimmsten zu schützen. Die, die das bewerkstelligen sollen, sind die neuen Helden, die geboren werden, die extreme Formen der Kriegsführung für unvermeidlich halten (wie Mel Gibson in 'Wir wahren Helden') und die die Art und Weise des Kampfes selber festlegen.
Die 'Bestie Krieg' verwandelt sich dann auf einmal schnell in die Ethik des Kampfes bis zum Tod mit ideologischen und intellektuellen Dimensionen einer westlichen Militärkultur, deren Sichtweise man auf die Formel bringen kann: der Krieg muss weiter gehen, die Politik nicht. Insofern mag man Clausewitz Recht geben: Krieg ist die Fortsetzung der Politik!
Am Ende verliert jede Politik ihre Unschuld; denn die scheinbar legitimierten Eskalationen der Gewalt entsprechen einem Ideal, dass in der westlichen Kultur weit verankert scheint: nur wenn der Krieg als Teil dieser verstanden und begriffen wird, scheint er überwindbar zu sein.
Es ist merkwürdig, dass sich kaum jemand über die Kriegsfilme in den Kinos aufregt. Merkwürdig auch, dass das Kriegskinos ungeschoren davonkommt. Und von der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen, einen Heldenmythos zeigt, der unverblümt an Ernst Jünger erinnert, seiner Sprachgewalt von (wahrer) Kameradschaft im Feld im Angesicht der Bestie. Was dieses Genre verlogen macht, ist die Bilderwelt der Angst, die erzeugt wird, die Orientierungslosigkeit der Zuschauer inmitten von abgesprengten Extremitäten, Eingeweiden, Blut und Hirn. Aufgrund seiner untergründigen Verwandtschaft mit den Wirtschaftskrisen, ist er einfach zur Erzählform der Krise geworden. Panik, Angst, Kopf,- und Ratlosigkeit, - immer wieder gelingt es, sich am Schrecken zu weiden und ihn zu exorzieren.
Vietnam wurde für Amerika zu einem Trauma, das zusätzlich durch die innenpolitische Situation sehr belastet wurde (Watergate- Skandal). Seine militärische Niederlage war nicht zu verhindern. Trotzdem versucht das Kriegskino den Spieß umzudrehen. In 'Wir waren Helden' werden Napalmbomben zum Glücksbringer für eine ganze Nation, zur Rettung aus einem Krieg, der aber die Macht Amerikas erschütterte, die Streitkräfte, den ' Vorbild'charakter des Präsidenten und die Allmacht des amerikanischen Dollars. Eine Umwertung der Werte scheint aufs Neue zu beginnen. Kann etwas anachronistischer sein? Amerika hatte immer ein gespaltenes Verhältnis zu seiner Geschichte. Das jetzt mit reaktionären Remakes ein Loblied auf militärische Abenteuer, Massenvernichtungswaffenund hehre Helden gefeiert wird, ist schwer zu ertragen.
Editorische Anmerkungen:
Der Autor schickte uns seinen Artikel am 4.8.2002 zur Veröffentlichung. Dietmar Kesten schrieb früher regelmäßig für den trend und Partisan.net. Hier eine Auswahl aus seinen bisherigen Veröffentlichungen:
- KAPITALFONDS IN NOT
- THE TRUMAN SHOW
- ROT - ROT- GRÜN SIND ALLE MEINE FARBEN
- IGNATZ BUBIS UND MARTIN WALSER DER GEIST AUS DER FLASCHE
- STERBLICHES UND UNSTERBLICHES VERGESSEN
- ZUM TOD VON NIKLAS LUHMANN
- OTTO SCHILY UND DER "RECHTSSTAAT"
- ÜBER STEVEN WEINBERG BIS ZU MARTIN REES
- AUFSTEIGENDE ANGST DIE RAUHE SEITE DER GELDDINGE
- Wenn die Brandglocken läuten
- Der Kosovo brennt - Über das Vergessen
- DIE IRRFAHRTEN DES HERRN SCHRÖDER
- ERSCHLÄGT HITLER DIE GESCHICHTE?
- SCHARPING AUF DEN SPUREN SCHRÖDERs
- Die Option der NATO
- DER SCHMALE GRAT - KRIEG IST DAS ENDE
- Die Trugbilder der Medien
- DER KRIEG IN DEN KÖPFEN
- Deutsche Innenpolitik und vergessene Kriege
- Anatomie der Kriege
- Aus einem fernen Land Mediale Welten auf Abwegen
- DENK" ICH AN BERLIN IN DER NACHT, BIN ICH UM MEINEN SCHLAF ...
- HEIMSUCHUNG ODER ERLÖSUNG?
- THE MATRIX WAS IST REALITÄT?
ASPEKTE DER ENDZEITLICHEN KRISENPHILOSOPHIE
- Teil I: Die Dekonstruktion des bürgerlichen Fortschrittsbegriffs
- Teil II: Das "Ganzheits"-Denken und der Anti-Intelektualismus
- Teil IIIa Die Paranoia des "Ufo"-Papstes Johannes von Buttlar
- Teil IIIb Johannes von Buttlar (Fortsetzung & Schluß)
- Teil IVa Von Star Trek bis Independence Day
- Teil IVb Eschatologie und Geschichte
- Teil V Der Irrationalismus hat viele Gesichter
- Teil VI a Uri Geller
- Teil VI b Uriella
- Teil VII a Space Tours und Flugstunden
- Teil VII b Space Tours und Flugstunden
- Teil VIII THE LOST PARADISE - BIS ALLES ZERFLIEßT
Das "Bündnis für Arbeit"
Eine auf dem Kopf stehende Pyramide
- Ein historischer Rückblick (Teil I)
- Auf der Suche nach dem verlorenenen Bündnis (Teil II)
- Trugbilder (Teil lII)
- Der Neubeginn (Teil IV)
- Geschichten im Wahljahr (Teil V)
Kommentare & Exkurse zum Kosovo-Krieg 1999
- Mitten in die Dinge hinein
- Irgendwo ist immer Kosovo
- Die grosse Armut der Friedenserziehung
- Der Krieg ist der König des Geistes - jeder Friedensplan ist trügerisch
- Fetisch Kosovo-Krieg / Teil A: Krieg bleibt populär
- Fetisch Kosovo-Krieg / Teil B: Wenn die Marktmechanismen greifen
- Kollateralschäden - Bomben töten immer Menschen
- Mythos Amselfeld
- Das Fernsehen - Die Megamaschine des Krieges
- Der Untertan - Proklamation eines zeitgemäßen Dogmas
- Die NATO und der Luftkrieg - Douhet hält Einzug
- Deutsche Misere
- Was geschieht mit den Flüchtlingen?
- Wessen Schuld? Krieg im Kosovo - Jenseits aller Illusionen
- Der Krieg und die öffentlichen Räume
- Die Barbarei des Krieges