Bericht und Kommentar
Am 4./5.1968 wurde in Essen die SDAJ gegründet

aus: Roter Morgen vom Mai 1968

5-6/2018

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Wie Revisionisten Demokratie praktizieren
Ein Bericht von "Ein Kongreßteilnehmer"


Am 4./5. Mai war in Essen der Gründungstag der sich in revisionistischen Händen befindlichen "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ). Zunächst hatten die aus allen Teilen Westdeutschlands angereisten Delegierten keine Möglichkeit, das 8seitige "Aktionsprogramm" und die Satzung in Ruhe durchzuarbeiten. Dieses Material wurde ihnen erst bei der Ankunft ausgehändigt. Die Kandidaten für den "Bundesvorstand" wurden nach einer "Einheitsliste" gewählt. Man konnte nur mit "Ja" oder mit "Nein" stimmen, aber keinen Genossen vorschlagen, von dem man wußte, daß er qualifizierter ist als die 25 Listenrevisionisten. Dann besagte noch ein Artikel der Satzung, die nicht diskutiert und zur Abstimmung vorgelegt, sondern von der revisionistischen Führung fix und fertig serviert wurde, daß ein ordentlicher Bundeskongreß nur alle zwei Jahre durchgeführt wird.

Die "Kongreßleitung" hatte Kenntnis, daß sich in Westberlin ein "Initiativausschuß zur Gründung der SDAJ" gebildet hatte. Die Berliner Delegation, mit Jungtrotzkist Peter Brandt an der Spitze, wurde jedoch gleich im Vorraum abgewiesen. Diesen Vorfall wollte man verschweigen, er wurde jedoch von dem Gastdelegierten Günter Straß (Trotzkist) aus Augsburg aufgedeckt und in einer Anfrage an die "Kongreßleitung" öffentlich zur Sprache gebracht. Stellung zu dieser Frage bezog der Erzrevisionist Walter Möbius aus Dortmund (früher Hamburg). Er berief sich zunächst auf die "Dreistaatentheorie", was jedoch das Publikum weitgehend unbefriedigt ließ. Nach mehreren fragenden Zwischenrufen ließ er sich
zu einer weiteren Erklärung herab, in der er ausführte, die "Berliner hätten verlangt, samt und sonders als ordentliche Delegierte anerkannt zu werden". Dem habe aber die Kongreßleitung nicht zustimmen können, man sei "aber bereit gewesen, zwei Berliner ordentlich zu delegieren". Auch diese "Erklärung" konnte die fragenden Jugendlichen nicht beruhigen. Daraufhin sprach Möbius von einer "Gegenerklärung", mit der die Berliner angeblich "gedroht hätten" "Der Gründungskongreß dürfe sich doch nicht erpressen lassen!"Auf die Frage, daß diese Sache von den Delegierten diskutiert und beschlossen werden müßte, ließ sich dieser Revisionist nicht ein.

 

"Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" gegründet

Am 4./5. Mai fand in Essen-Borbeck der Gründungskongreß der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" statt. Den Angaben des schon im voraus "gewählten". Vorsitzenden Rolf Priemer zufolge hat die SDA regionale und örtliche Gruppen in neun Bundesländern und 24 Städten.

Offensichtlich ist die SDA, die von den Revisionisten schon seit Monaten vorbereitete "Revolutionäre Sozialistische Jugendorganisation". Die "Kommunisten" Herbert Mies und Manfred Kapluck hatten sich dementsprechend persönlich zum Gründungskongreß bemüht. In der Eröffnungsrede versicherte Mies gönnerhaft: "Wir Kommunisten sind bereit, auf die kritische Stimme der Jugend zu hören, wir Kommunisten sind bereit, der Jugend Vertrauen entgegenzubringen ..."

Nun, der SDA jedenfalls können die Revisionisten uneingeschränkt vertrauen. Sie ist ja ihr ureigenstes Geschöpf. In einem "Aufruf an die Jugend der Bundesrepublik" erläutert die SDA, sie wolle "eine Organisation aufbauen, die planmässig Schritt für Schritt den Fortschritt dieser Gesellschaft vorantreibt". Wer, Sozialdemokrat, Liberaler, Christdemokrat, würde das nicht ebenfalls für sich beanspruchen? Nur ist eine solche Zielsetzung eben weder "sozialistisch" noch "revolutionär"; sie ist plattenster Reformismus und Evolutionismus!

Zwar heißt es im "Aufruf an die Jugend der Bundesrepublik": "Wer über ganze Gesellschaften soviel Verrat und Elend gebracht hat wie sie (d.h. die deutschen Imperialisten), der hat uns nichts mehr zu verbieten und auch nichts mehr zu erlauben". Aber dann fährt der Aufruf plötzlich fort: "Alle unsere Forderungen sind Wort für Wort verankert in den Texten unseres Grundgesetzes". Ja, aber wer hat sie denn dort "verankert", wenn nicht die gerade noch geschmähten Herren Westdeutschlands? Da kündigen die Funktionäre der SDA der Jugend an, sie seien bereit, sich über die "Gesetze" und "Verbote" der herrschenden hinwegzusetzen. Aber im nächsten Satz erheben sie bereits das von genau diesen Herrschenden verfaßte Grundgesetz zum obersten Fetisch ihres Vereins, zur Richtschnur ihres Handelns.

Natürlich wissen die revisionistischen Hintermänner der SDA recht gut, daß das Grundgesetz weder heilig noch unwandelbar ist. Ein paar Tage weiter, und die Notstandsvollmachten werden ebenfalls "Wort für Wort verankert in den Texten unseres Grundgesetzes" sein. Um dieser Verlegenheit zu entrinnen, hat man einen "Geist des Grundgesetzes" konstruiert. Man kann dann "etwa so argumentieren: die Herrschenden wollen Notstandsvollmachten, die den "Geist des Grundgesetzes" 'nicht entsprechen; die SDA hingegen will einen gesellschaftlichen Fortschritt, der dem "Geist des Grundgesetzes" entspricht ... Aber was meint man denn mit "Geist des Grundgesetzes"? Offensichtlich doch wohl die Vorstellungen, die seinerzeit den "Vätern des Grundgesetzes" vorschwebten. Wer aber waren jene "Väter"? Je 27 Abgeordnete der CDU/CSU und der SPD als Beauftragte der deutschen Konzerne und der westlichen Besatzungsmächte, insbesondere des US-Imperialismus! Erinnern wir uns doch: der eigentliche "Geist des Grundgesetzes" war es, das Potsdamer Abkommen zu brechen, Deutschland durch Konstituierung eines kapitalistischen Separatstaates auf westdeutschem Boden zu spalten und die Rückkehr der Monopolherren in die damalige Sowjetische Besatzungszone vorzubereiten. Und ausgerechnet in dieser Spalter-Verfassung wären, sozusagen von Geisterhand, die Forderungen der SDA "verankert" worden?

Revolutionär ist die SDA ganz gewiß nicht. Aber sie ist auch nicht einmal sozialistisch. Ihr ganzes Programm ist hundertprozentig sozialdemokratisch: "Kampf für das Recht der Jugend auf Mitbestimmung in Betrieb und Schule, in Staat und Gesellschaft", "Kampf gegen Neonazismus", "Kampf für den Frieden" usw. Die SDA hat überhaupt nur einen Zweck: von der in Westdeutschlande Jugend entstandenen revolutionären Bewegung soviel wie möglich auf die "Wiederzulassung"s- und "Anerkennung"smühle der KPD/SED zu leiten. Durch "anti-autoritäre" Phraseologie die revolutionäre Jugend irrezuführen und vor den revisionistischen Karren zu spannen.

Es läßt sich jetzt schon prophezeien, daß die KPD eine Menge Geld und Arbeit in lie SDA investieren wird, um eine Fehlorientierung und Spaltung der revolutionären Bewegung in unserem Land herbeizuführen. Umso dringender und notwendiger wird die Sammlung zu einer wirklich REVOLUTIONÄREN FRONT der lernenden- und Arbeiterjugend wie auch aller anderen revolutionären Kräfte unseres Volkes. Gleichzeitig empfehlen wir allen jungen Lesern und Genossen die revolutionäre Arbeit innerhalb der SDA.

 

Quelle: Roter Morgen, Marxistisch-Leninistische Monatszeitschrift, Mai 1968, 2. Jahrgang, S.3f, hrg. von Ernst Aust, 2 Hamburg 71, Carl-Bremer-Ring 19

Weitere Berichte von der SDAJ-Gründung siehe:  Berliner Extradienst, Nr. 38 vom 11. Mai 1968, S. 7f