Die Linkspartei
hat Christoph Butterwegge als Bundespräsident
aufgestellt. Es mag sein, dass er in Bezug auf
soziale Armut vernünftige Positionen vertritt.
Seine Vergangenheit ist es jedoch mit Sicherheit
nicht, die ihn politisch attraktiv macht.
Zu den
kontraproduktivsten linken Organisationen vor 1989
gehörte die DKP. Während andere Linke damit
konfrontiert waren, in der Bevölkerung dafür zu
argumentieren, dass Sozialismus nicht gleich DDR sei,
bestand die Hauptbotschaft der DKP in genau dieser
Gleichsetzung. Wenn es die DKP nicht gegeben hätte,
die westdeutsche Bourgeoisie hätte einen solch
nützlichen Idioten erfinden müssen. Die größten
Antikommunisten, so sagte damals Böll, saßen in den
Regierungen von Moskau und Ost-Berlin. Die DKP und
ihre fellow-traveller haben die Verdrehung und
Mystifikation kultiviert, die Kritik an der SED als
„Antikommunismus“ zu verbellen. Die DKPler begrüßten
dann bspw. die Verurteilung von Rudolf Bahro zu acht
Jahren Gefängnis. Es handele sich um einen Akt
legitimer Verteidigung des „sozialistischen
Gemeinwesens“.
Wer in den 1970er und
1980er Jahren schon politisch aktiv war, kann sich
daran erinnern, wie Christoph Butterwegge sich als
treuer Bündnispartner der DKP betätigte. Anhänger der
DKP verfuhren damals zweigleisig. Manche traten offen
als Parteianhänger auf, manche als „wahre
Sozialdemokraten“, die ihr Leiden daran ausstellten,
dass die SPD sie nicht in ihren Reihen haben wollte.
Diese „wahren Sozialdemokraten“ waren dadurch
definiert, dass sie sich am Bündnis mit der DKP und
an der Affirmation der DDR orientierten. Zum
Dauerbündnispartner der DKP an den Unis ab der Mitte
der 1970er Jahre gehörte der SHB („Sozialistischer
Hochschulbund“) .
Mechthild Jansen
und Christoph Butterwege haben die
Position des SHB („Sozialistischer Hochschulbund“)
und eines Teils der Stamokap-Jusos wie folge
ausgedrückt:
"Bedingt durch die
Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen
Imperialismus und Sozialismus im Weltmaßstab, aber
auch die unübersehbare Stärkung der demokratischen
Bewegung unseres Landes im allgemeinen (Gründung
der DKP 1968, …) und die Neuformierung der
SPD-Linken im besonderen, ist die herrschende
Klasse zum gegenwärtigen Zeitpunkt gezwungen, die
soziale Entrechtung der Werktätigen durch
ideologisches Sperrfeuer (Menschenrechtskampagne)
abzusichern. Innerhalb der SPD übernehmen 'linke'
Varianten des Antikommunismus ('Zerschlagung der
stalinistischen Bürokratien in Osteuropa') die
Aufgabe, ein Vordringen des Marxismus zu
verhindern. Auch die neue Juso-Führung ordnet sich
bewußt oder unbewußt dieser Funktion unter
('Bahro-Kampagne' gegen den SHB, Gründung einer
Bürgerrechtsbewegung unter Ausschluß der
Kommunisten, Auftreten der Juso-Delegation bei den
XI. Weltjugendfestspielen auf Kuba), worunter
jedoch auf längere Sicht ihre Fähigkeit leiden muß,
linke Minderheiten, kritische Intelligenz und
enttäuschte Jugendliche an die SPD zu binden…. Von
daher gehört es zu den Aufgaben der Marxisten
innerhalb der SPD, trotz ständiger Bedrohung durch
Parteiordnungsverfahren, mit denen die
rechtssozialdemokratische Führung jede
Zusammenarbeit unterbinden will, für die
Aktionseinheit aller fortschrittlichen Kräfte
einschließlich der Kommunisten einzutreten und sie
in der Praxis zu realisieren…. Schließlich
beinhaltet eine wirksame
Interessenvertretungspolitik die Auseinandersetzung
mit allen Schattierungen des Antikommunismus, der
von den kapitalistischen Krisenphänomenen und
sozialen Alternativen ablenken, das einheitliche
Vorgehen der Hauptströmungen der Arbeiterbewegung,
von Sozialdemokraten und Kommunisten, verhindern
soll" (Beiträge zum wissenschaftlichen Sozialismus
1/79, S. 84, 86).
Butterwegge (Jg. 1951)
war, als er diese grob desorientierenden Sätze
verfasste, kein Jugendlicher mehr, sondern hatte
bereits ein „Studium“ hinter sich.
Der
SHB erklärte 1978:
"Es gibt für uns
keinen Grund, bereits im Vorverständnis davon
auszugehen, daß die Begründung für die Verurteilung
von Rudolf Bahro seitens des Berliner
Staatsgerichts der DDR falsch ist. Und daß
geheimdienstliche Tätigkeit in unterschiedlichen
Formen und mit unterschiedlichen Mitteln ausgeübt
werden kann, wird jeder einschlägige 'Fachmann'
bestätigen können …. In einer Zeit, wo von den
Rechtskräften alle Mittel für eine Rückkehr zur
Politik des kalten Krieges aufgewendet werden,
beteiligt sich der SHB nicht am psychologischen
Krieg gegen die DDR. Daß die Rechtskräfte solche
Vorfälle für ihre antikommunistischen Zwecke
aufbauen, ist uns hinreichend bekannt. Doch
überraschend ist, wie offen einige sich selbst als
'linke' Sozialdemokraten bezeichnende Politiker wie
Peter von Oertzen ihre Ziele darlegen… die eine
große Gefahr für die Entspannungspolitik
darstellen… Durch von den Rechtskräften gekonnt
inszenierte Ablenkungsmanöver läßt sich der SHB
nicht irritieren… Die Unzufriedenheit und der
Widerstand gegen den gewöhnlichen Kapitalismus in
unserem Land sollen mit derartigen Kampagnen
gebrochen werden…" (Frankfurter Rundschau,
15.7.78).
Butterwegge im Februar
1980 in der SHB-Zeitschrift „frontal“:
„Wer dem
sozialistischen Staat, der sich von seinem
Vorgänger grundlegend unterscheidet, nicht das
Recht zugesteht, im Rahmen der gültigen Gesetze
Gewalt anzuwenden, um die Machtstellung der
Arbeiterklasse zu verteidigen, verläßt den Boden
des wissenschaftlichen Sozialismus.“ Der
Sozialismus ist „kein Pluralismus-Paradies, sondern
das Gesellschaftssystem, wo die Arbeiterklasse ihre
politische Macht errichtet, sie – unter Wahrung der
sozialistischen Gesetzlichkeit, wenn es sein muß
mit Gewalt – gegen ehemalige Kapitalisten und
Konterrevolutionäre verteidigt und zur Umwälzung
der herrschenden Eigentumsverhältnisse einsetzt.“
Auch die „Staatsmaschinerie der
bürgerlich-parlamentarischen Demokratie“ könne man
in den Sozialismus nicht übernehmen, sondern
„zerbrechen“.
Die „sozialistische
Gesetzlichkeit“, die Butterwegge hochhält, sah in der
DDR so aus, dass Bahro, nachdem er seinen auch heute
noch lesenswerten Band „Die Alternative“ 1977 im
Westen publiziert hatte, wegen „landesverräterischer
Sammlung von Nachrichten“ und „Geheimnisverrats“
verurteilt werden konnte.
Eine kritische
Aufarbeitung seiner Vergangenheit ist bei Christoph
Butterwegge nicht bekannt.