Kritizismus [griech] -
von Kant eingeführte Bezeichnung für
seine Erkenntnistheorie |
im Hinblick auf
das von ihm geübte Verfahren der Prüfung der Bedingungen und
der Voraussetzungen, des Umfangs und der Grenzen der
Erkenntnis, das seiner Meinung nach der Ausarbeitung jedes
philosophischen Systems, jeder Weltanschauung voranzugehen
hat. kant gebraucht die Bezeichnung «Kritizismus» vor allem
zur Abgrenzung seiner Erkenntnistheorie gegenüber dem
Dogmatismus (Rationalismus) und dem Skeptizismus
(Empirismus). Das von
Kant entwickelte Verfahren des
Kritizismus richtet sich vor allem gegen die Unterschätzung
der sinnlichen Stufe des Erkenntnisprozesses beim
Zustandekommen von Erkenntnis, gegen das rationalistische
Vorurteil, ohne sinnliche Grundlage, aus bloßen Begriffen
(Kategorien) zu Erkenntnis kommen zu wollen, schließlich
gegen die Behauptung, die sog. metaphysischen Grundprobleme
(Gott, Seele, Unsterblichkeit) seien Gegenstände
philosophischen Erkennens. |
|
Die Grundregel des Konischen Kritizismus lautet: «Ohne
Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne
Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer,
Anschauungen ohne Begriffe blind. Daher ist es ebenso notwendig,
seine Begriffe sinnlich zu machen (d. i. ihnen den Gegenstand in
der Anschauung beizufügen), als, seine Anschauungen sich
verständlich zu machen (d. i. sie unter Begriffe zu bringen) ...
Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu
denken» (B 76).
In der Geschichte der Erkenntnistheorie bedeutet der
Kritizismus einen Knotenpunkt und einen Fortschritt, jedoch ist
er keine endgültige Lösung des Erkenntnisproblems.
Die positiven Momente des Kritizismus sind in der
Erkenntnistheorie des dialektischen Materialismus
aufgehoben, seine Schwächen kritisiert und überwunden.
Der Neukantianismus deutete den Konischen
Kritizismus extrem subjektiv-idealistisch dergestalt um, «daß
der Mensch alles schlechthin nur in dem Medium des menschlichen
Bewußtseins erkennt, daß mithin auch alle Philosophie, wie
überhaupt alle Wissenschaft, sich immer nur in der Sphäre
menschlicher Gedanken und menschlicher Vorstellungen bewegen
kann und diese Sphäre niemals und unter keinen Umständen zu
überschreiten vermag» (Liebmann, Epigonen
35).
Kritizismus nannte sich auch die von Riehl
begründete, wenig wirksame Strömung innerhalb des
Neukantianismus, die den Subjektivismus des übrigen
Neukantianismus ablehnte, die Ding-an-sich-Lehre als
wesentlichen Bestandteil der kantschen Philosophie betrachtete,
Philosophie als Weltanschauung zurückwies und lediglich
Erkenntnistheorie im Sinne von Erkenntniskritik als einzig
legitime philosophische Disziplin gelten lassen wollte.
Editorische Anmerkung
Der
Text wurde entnommen aus:
Buhr,
Manfred, Klaus, Georg
Philosophisches Wörterbuch Band 2, Berlin 1970, S. 629f
OCR-Scan red. trend