1. Wäre die lohnabhängige Belegschaft von Opel „Opel“, dann
sähe sicher manches anders aus! Eine Situation, wie die
jetzige, in der die Eigentümer von Opel Entscheidungen fällen,
gegen die die Belegschaften unter der Parole „Wir sind Opel“
demonstrieren, könnte gar nicht entstehen! Tatsächlich gehört
das Unternehmen „Opel“ nicht der lohnabhängigen Belegschaft,
sondern Aktionären und vor allem dem Mehrheitsaktionär GM. Die
Belegschaft hat keinerlei Rechte, um auf
Unternehmensentscheidungen direkt Einfluss zu nehmen.
In Deutschland
dürfen die Belegschaften der einzelnen „Standorte“ laut
Betriebsverfassungsgesetz in sehr begrenztem Umfang
mitbestimmen. Dieses Recht erlaubt keine Einflussmöglichkeiten
auf Investitions- oder Verkaufsentscheidungen.
2. Tatsächlich
sind die Beschäftigten bei Opel nicht nur lohnabhängig, sondern
im Ernstfall geradezu Lohn“sklaven“, die zugleich mit dem
Unternehmen von den Eigentümern des Unternehmens verkauft werden
können. Von welchem Eigentümer eines Unternehmens Lohnabhängige
ausgebeutet werden wollen, können sie nur bei und mit Abschluss
eines Arbeitsvertrages entscheiden. Verkauft der Eigentümer das
Unternehmen, so werden die Beschäftigten gleich mit verkauft,
fast wie Sklaven oder Leibeigene. Selbstverständlich aber darf
ein Lohnabhängiger kündigen, wenn ihm der neue Eigentümer nicht
gefällt. Sehr realistisch und mit der schönen Perspektive auf
Hartz IV!
Kein Aktionär (ob Privatperson oder Unternehmen wie GM) muss die
Belegschaft fragen, wenn er sich entscheidet, seine Aktien, also
Eigentumsanteile am Unternehmen, zu verkaufen. Die Arbeitsplätze
gehören zum Besitzstand der Aktionäre und können mit dem
Unternehmen verkauft werden. Es sind nicht die Arbeitsplätze der
lohnabhängig Beschäftigten!
3. So gesehen
ist die Parole „Wir sind Opel“ eine ziemlich hohle und
abgeschmackte Phrase. Es steckt darin aber mehr, nämlich der
Wunsch, das Unternehmen möge der Belegschaft gehören. Es steckt
darin also der heimliche, noch ziemlich unausgegorene Wunsch,
das Unternehmen solle Gemeineigentum der Beschäftigten sein.
Wenn die Parole „Wir sind Opel“ wahr werden soll, dann geht das
nämlich nur, wenn das Unternehmen den Beschäftigten gehört. Das
verlangte aber viel mehr als das, was heute angestrebt, um was
heute gekämpft wird. Das würde zum einen die Enteignung der
Aktionäre zugunsten der Belegschaften erfordern. Und das würde
zum anderen erfordern, dass die Beschäftigten nicht mehr unter
fremdem Kommando arbeiten wollen. Sie müssten bei sich selbst
den Anspruch entwickeln, gemeinsam alle wichtigen Entscheidungen
darüber was und wie es produziert wird zu treffen. Nur so könnte
die Parole „Wir sind Opel“ Realität werden.
4. Würde die
Parole „Wir sind Opel“ wahr, so wäre damit der Kapitalismus, die
sogenannte „Marktwirtschaft“ nicht überwunden. Unter dem Druck
des Marktes müssten die selbstverwalteten Opel-Betriebe
Entscheidungen treffen, die die Konkurrenz von ihnen verlangt
(ausreichende Profitrate). Von einer wirklichen
Entscheidungsfreiheit darüber, was und wie es produziert wird,
könnte so noch keine Rede sein. Trotzdem wäre es eine tolle
Sache, wenn diese Parole wahr würde! Vor allem aber wäre es die
einzige Sache, die eine wirklich soziale Perspektive eröffnete.
5. Diese
Perspektive bestünde darin, dass alle Unternehmen von den
lohnabhängig Beschäftigten übernommen würden und damit die
Lohnabhängigkeit aufhörte! Dann bestünde die Aufgabe darin, in
einer demokratischen Planung diese Unternehmen zu vernetzen, um
den Kapitalismus mit seinen Krisen und seinem sozialen Elend
endgültig zu überwinden. Gemeineigentum, Selbstverwaltung,
demokratische Planung!
Von einer solchen praktischen Perspektive des Kampfes sind wir
alle aber meilenweit entfernt, aber ich träume weiter davon! Und
ich träume auch sehr konkret, wie ich das schon bei der
Schließung des Nokia-Werkes in Bochum tat. Damals schrieb ich zu
ersten Schritten in dieser Richtung:
In Absprache
mit der Belegschaft entwickelt die Landesregierung folgenden
Plan:
1. Nach
Rückzug von Nokia wird die Firma mit allem Inventar Eigentum
des Landes NRW. Entschädigungslos!
2. In der Zeit bis dahin erhält die Belegschaft die
Möglichkeit eine Selbstverwaltung zu entwickeln und zu
erproben. (Erfahrungsaustausch mit Zanon in Argentinien) Das
Geld dafür stellt Nokia bereit. (Förderung durch Fort- und
Weiterbildung nennt man sowas.)
3. In der Zeit bis dahin erhält die Belegschaft mit
Unterstützung durch Land und andere Einrichtungen die
Möglichkeit eine alternative Produktion zu entwickeln. Weg von
den Handys, falls eine solche Produktion nicht weiter geführt
werden kann.
4. Nach dem Rückzug von Nokia bleibt das Unternehmen zwar
Landeseigentum, aber die Produktion wird in Selbstverwaltung
der Belegschaft organisiert.
5. Das Land übernimmt eine Bestandsgarantie für die nächsten
Jahre, auch bei roten Zahlen! Zu diesem Zweck wird ein
„Solidaritätsbeitrag-Aufbau West“ von allen privaten
Unternehmen im Lande NRW erhoben!
6. Die Landesregierung erklärt, dass sie künftig mit allen
Unternehmen so verfahren wird, die „ihren sozialen
Verpflichtungen nicht nachkommen“. Sie erklärt ferner das
künftig Schluss ist mit allen Privatisierungsmaßnamen, und
dass die bereits vollzogenen rückgängig gemacht werden.
6. Das sind
natürlich „unrealistische“ Träumereien! Aber wie „realistisch“
sind eigentlich die vorgeschlagenen Perspektiven der
Gewerkschaften und gewählten Betriebsräte, die im Namen der
Belegschaften sprechen?
Schon peinlich
die ständigen radikal klingenden Phrasen ...“Das werden wir
nicht akzeptieren ....“, „Wir werden nicht hinehmen, dass ...“
Tatsächlich werden „Restrukturierungen“ mit Personalabbau,
Lohnsenkungen, Verzicht auf Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Urlaub
etc. überall im Rahmen des Co-Managements hingenommen. Was ist
denn heute beispielsweise von Opel-Bochum noch übrig? Der
ständige „Kampf um jeden Lohnarbeitsplatz“ hat im Resultat zu
einem gigantischen Arbeitsplatzabbau geführt. So sieht die
Bilanz all der Zugeständnisse aus! Und jetzt steht auch der
traurige Rest zur Disposition: der „Standort“, der liebste Ort
von Gewerkschaften und gewählten Betriebsräten.
Man sollte
lieber ernsthaft über die Parole „Wir sind Opel“ diskutieren, um
daraus eine Perspektive von kapitalistischen Zwängen befreiten
sozialen Zusammenlebens zu entwickeln!
November 2009
Editorische
Anmerkungen
Wir
erhielten den Artikel vom Autor.
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