Massive Drohungen und Sabotage gegen Zapatistas 11/05

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Paramilitärs wollen mit 3.000 Personen autonomen Landkreis zerschlagen / Chiapanekische Polizei verhindert Auslieferung von Hilfsgütern an hurrikangeschädigte EZLN-UnterstützerInnen

Die indigen geprägte zapatistische Bewegung im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas, die seit 1994 basisdemokratische Strukturen aufbaut, um dem Teufelskreis von Armut, Rassismus, Frauenunterdrückung und Ausgrenzung zu entkommen, wird zur Zeit ein weiteres Mal aggressiv bedroht und sabotiert.

Eine paramilitärische Gruppierung, die unter dem Namen "Organisation zur Verteidigung der indigenen und bäuerlichen Rechte" (OPDDIC) firmiert, will nach eigenen Angaben in den kommenden Tagen den zapatistischen - und damit staats-unabhängigen - Landkreis Olga Isabel mit 3.000 Angehörigen angreifen. Gegen zapatistische Führungspersonen wurden wiederholt Todesdrohungen ausgesprochen. Alle Werkstätten, Schulen und Gesundheitszentren sollen aufgelöst werden.

Ziel der Attacke im nördlichen Hochland von Chiapas sei die Zerstörung der autonom-zapatistischen Strukturen, äußerte die Nichtregierungsorganisation CAPISE (Zentrum für politische Analyse und soziale und ökonomische Forschung) in einer am 7. November 2005 veröffentlichten Analyse.

Die OPDDIC, die von Pedro Chulín Jiménez, einem Repräsentanten der bis zum Jahr 2000 70 Jahre lang regierenden Staatspartei PRI (Institutionelle Revolutionäre Partei) geführt wird, plant den Raub von rund 1.500 Hektar Land, auf dem heute Hunderte zapatistische Familien leben. Diese Ländereien, damals im Besitz von Großgrundbesitzern, hatten die UnterstützerInnen der EZLN (Zapatistische Armee zur nationalen Befreiung) 1994 nach Beginn des Aufstands der Zapatistas besetzt und seitdem gemeinschaftlich bewirtschaftet.

Aktuell bemüht sich die neoliberale mexikanische Regierung - die sich noch jüngst für die marktradikale "Frei"handelszone der Amerikas (ALCA) aussprach - darum, die jahrzehntelang verbotene Privatisierung von Gemeindeland über vermeintliche "Hilfsprogramme" wie PROCEDE in die Wege zu leiten, um nationale und internationale Unternehmen zu Investitionen zu bewegen.

Pedro Chulín, der nachweislich als Chef der paramilitärischen Gruppe "Los Chinchulines" fungierte, leitete bereits 1997 den brutalen Angriff auf den Sitz des autonomen zapatistischen Landkreises "Tierra y Libertad". Er inszenierte am 18. Oktober diesen Jahres eine extreme Bedrohungssituation, als er mit über 100 - teils bewaffneten und von der regionalen Polizeieinheit "Öffentliche Sicherheit" begleiteten - OPDDIC-Paramilitärs zum Hauptsitz des Landkreises Olga Isabel fuhr und provokativ von einem Ingenieur das Gelände vermessen ließ.

Um ein legales Vorgehen vorzugeben, knüpfte die OPDDIC Kontakte zum Ministerium für Agrarreform (SRA) und gab an, dass bereits neun neue Siedlungsgemeinschaften Ansprüche auf die zapatistischen Ländereienangemeldet hätten.

Die Rücksichtslosigkeit der lokalen PRI-Machthaber manifestiere sich auch in der Tatsache, dass Menschen, die zuvor zwar keine Zapatistas waren, aber in friedlicher Nachbarschaft mit den EZLN-UnterstützerInnen lebten, zum Eintritt in die OPDDIC gezwungen wurden, so die NGO CAPISE nach ihrem zweiwöchigen Forschungsaufenthalt in der Konfliktregion.

In der Region Morelia, in Zentralchiapas, versucht die ehemals unabhängig-kommunistische und heute (z.T) der sozialdemokratischen PRD (Partei der Demokratischen Revolution) angegliederte CIOAC (Unabhängige Zentrale der LandarbeiterInnen), die UnterstützerInnen der EZLN von ihren Ländereien zu vertreiben: "Es sind die Anführer der CIOAC, die die Leute aufrufen, die von den Zapatistas wiedergewonnenen Ländereien zu besetzen. Später machen sie einen Vertrag mit der Regierung, damit sie den Ex-Besitzern eine Wiedergutmachung zahlt und daraufhin erhalten sie den Eigentumstitel für das Land. So sagen es die Anführer der CIOAC selbst, z.B. Luis Hernandez Cruz (Generalsekretär der PRD in Chiapas) oder Miguel Angel Vazquez Hernández (Sekretär der Grenzregion von CIOAC)."

Gleichzeitig meldet die "Junta der Guten Regierung", der zapatistische Selbstverwaltungsrat von Roberto Barrios aus der nordöstlichen Zone von Chiapas, dass die Zeitung "Cuarto Poder" ("Vierte Gewalt") die Desinformation verbreite, dass EZLN-UnterstützerInnen in ihrer Gemeinde Schüsse abgefeuert hätten, um die RegierungsanhängerInnen einzuschüchtern. Die Zapatistas distanzierten sich von jeder Gewalt.

Die entsprechende zapatistische "Junta" aus der südöstlichen Zone von "La Realidad" gab wenig später bekannt, dass die humanitäre Hilfe, die nach den verheerenden Zerstörungen durch den Hurrikan "Stan" über die Stadt Comitán an die geschädigten Zapatistas in Südchiapas geschickt wurde, von örtlichen Polizeieinheiten unnötig angehalten und verzögert wurde. Die zapatistischen Beauftragten, die völlig getrennt von den Staatsautoritäten arbeiten, wurden wiederholt bedroht und nach ihren Führungsstrukturen ausgehorcht.

Die interessierte Öffentlichkeit und die AktivistInnen fragen sich nun, inwiefern diese verschiedenen Aggressionen gegen die zapatistische Bewegung eine erste Reaktion der mexikanischen Eliten auf die politische Offensive der EZLN darstellen, die im Juni 2005 begonnen hat, eine landesweit-antikapitalistisch-außerparlamentarische Linksallianz aufzubauen, "um das Land von unten zu erschüttern und auf den Kopf zu stellen" (Subcomandante Marcos).


Gruppe B.A.S.T.A., 8. November 2005

 

Editorische Anmerkungen

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