Irak: Gegen Imperialismus und Terror!  
NO WAR BUT THE CLASSWAR!
11/05

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onlinezeitung

“Kapital und Arbeit haben sich nichts mehr zu sagen, sie haben einander nur mit eiserner Umarmung zu packen, und im Endkampf zu entscheiden, wer zu Boden geworfen wird“ (Rosa Luxemburg)

Tagtäglich wird der Irak durch Terroranschläge und Gewalttaten erschüttert. Die Zahl der Ermoderten nimmt Woche für Woche zu. Entgegen allen großspurigen Versprechungen brachte die Invasion des Iraks für die Bevölkerung unermessliches Leid und Zerstörung. Die Infrastruktur des Landes ist nahezu vollständig zerstört. Es gibt kein sauberes Wasser, keine funktionierende Kanalisation, kein funktionierendes Gesundheitssystem. Ganze Landstriche und Flüsse sind verschmutzt und durch uranhaltige Kriegswaffen kontaminiert worden. Die Hälfte der Schulen ist durch die Bombardierung zerstört worden. Die Arbeitslosenrate, die schon vor dem Krieg bei dreißig Prozent lag, liegt jetzt bei 60 bis 75% und hat sich damit mehr als verdoppelt.

Auf den Trümmern und Zerstörungen, die die Bombardements der „Koalition der Willigen“ hinterlassen haben, gedeiht lediglich die Korruption und eine regelrechte Plünderungsökonomie, in der sich vorwiegend die US-amerikanische Firmen die Filetstücke der irakischen Wirtschaft unter den Nagel reißen. Vor diesem Hintergrund stellen die „freien“ Wahlen Anfang des Jahres und das Verfassungsreferendum eine Farce dar. Während die Machteliten in den kurdischen und schiitischen Regionen dazu gebracht wurden mit der Besatzungsmacht zu kooperieren oder auf Zeit zu spielen, haben sich bedeutende Kräfte der sunnitischen Bourgeoisie für den entgegen gesetzten Weg entscheiden. Aufgrund ihrer Konfrontationspolitik gegenüber dem Besatzungsregime, die sich in den Anschlägen diverser, oftmals rivalisierender nationalistischer und islamistischer Gruppen niederschlägt, werden diese Kräfte von vielen politischen Beobachtern als Rückrat des „Widerstands“ gegen die USA wahrgenommen und zuweilen auch glorifiziert.  

Krise und Krieg 

Der Krieg gegen den Irak war lediglich eine Episode in einem größeren Vorstoß des US-Imperialismus zur Zementierung seines Hegemonialanspruchs in der durch den Zusammenbruch des Ostblocks entstandenen neuen Weltordnung. Die USA beanspruchen die Kontrolle über die ganze ölproduzierende Region vom mittleren Osten über das Rote bis zum Kaspische Meer. In diesem „great game“, waren die Kriege gegen Afghanistan und den Irak nur Etappen. Die Drohungen gegen Syrien und den Iran zeigen, dass die nächsten Kriege in Vorbereitung begriffen sind. Auch wenn die USA ihre Beweggründe hinter der Propagandafloskel des „Kriegs gegen den Terror“ zu tarnen versuchen, ist es offenkundig, dass es ihnen darum geht den Einfluss ihrer Rivalen, der EU, China und Russland einzudämmen. Die USA sehen insbesondere im Euro eine bedeutende drohende Gefahr, weil er als Währungsreserve in Südostasien, Russland und Südamerika einfließt und so die Stellung des  Dollar als Leitwährung im Ölgeschäft und anderen Wirtschaftszweigen bedroht.  Die Sicherung der Ölvorkommen für die nächsten zwei Jahrzehnte, die Kontrolle über den Ölpreis und die damit verbundene Abstützung des Dollars als Leitwährung des Welthandels sind von daher zentrale strategische Zielsetzungen. Die militärischen Interventionen im Mittleren Osten bergen jedoch auch die Gefahr, wachsender Instabilität, was die wirtschaftliche Position der USA  in kürzester Zeit weiter verschlechtern könnte. Das Chaos im Irak kann schnell zu einer Stärkung zentrifugaler Tendenzen führen, wenn die lokalen Bourgeoisien in Kurdistan oder im schiitischen Süden versuchen eigene Staatsgebilde zu errichten. Dies hätte fatale Konsequenzen und würde die Türkei, den Iran und Saudiarabien noch stärker in den Konflikt hineinziehen. 

Klassenkampf

Trotz des Zusammenbruchs der sozialen Infrastruktur und massiver Arbeitslosigkeit spielt sich der Klassenkampf im Irak auf hohem Niveau ab. Das Regime reagierte auf die in vielen Landesteilen spontan ausgebrochenen Streiks, indem es den Gewerkschaftsdachverband IFTU im Januar 2004 legalisierte. Der IFTU erhielt die Genehmigung sich zu organisieren, bekam in Bagdad Büros zugesprochen und konnte sich den Nachlass und die Mitgliederlisten des alten Gewerkschaftsbundes sichern. Politisch wird der IFTU maßgeblich von der stalinistischen Irakischen „Kommunistischen“ Partei dominiert, die sich nicht zu schade ist das Allawi-Regime zu unterstützen und sogar ein Mitglied im Kabinett stellt. Nach eigenen Angaben besteht der IFTU aus 12 Einzelgewerkschaften mit rund 200 000 Mitgliedern. Der ihr vom Regime zugedachten Rolle kommt die IFTU bereitwillig nach: Während eines Streiks in der petrochemischen Industrie in Bagdad drohte die IFTU den Streikenden mit Entlassung und sogar mit Knast und bezog sich dabei auf eine gesetzliche Verfügung des Allawi-Regimes, die Streiks für illegal erklärt hatte. Die Arbeiter wurden unter Druck gesetzt, der IFTU beizutreten. Fortan wurden die Mitgliedsbeiträge für die IFTU durch das Management direkt vom Lohn abgezogen.

Dennoch kamen vor allem in der Ölindustrie, der Stromerzeigung, der Textilindustrie und im Dienstleistungsbereich Streiks und Protestaktionen außerhalb der Kontrolle der IFTU ins Rollen, die sich zu einem gewissen Grad auch landesweit verallgemeinern konnten. Im Wesentlichen entzünden sich diese Kämpfe an Forderungen nach mehr Lohn, Abschaffung von Überstunden, Versammlungsfreiheit und einem Ende der Unternehmerwillkür.

Das Regime begegnet diesen Kämpfen zuweilen mit scharfer Repression. Es ist keine Seltenheit, dass Besatzungstruppen auf Demonstrationen und Streikversammlungen das Feuer eröffnen. Doch nicht nur das Regime und die Besatzungstruppen gehen gegen die Arbeiterbewegung vor: Auch und gerade auf das Konto des sog. „Widerstands“ islamistischer und nationalistischer Gruppen gehen zahllose Entführungen und Morde an Arbeiteraktivisten. 

Welcher Widerstand? 

Von den meisten Gruppierungen der europäischen Linken wird der reaktionäre arbeiterfeindliche Charakter des sog. „Widerstandes“ kategorisch ausgeblendet. Stattdessen herrscht die Tendenz vor, ihm unter der hohlen Phrase des „nationalen Selbstbestimmungsrechts“ einen antiimperialistischen Charakter anzudichten.

Das politische Standartargument dieser Gruppen lautet, dass die Arbeiterklasse  Seite an Seite mit der nationalen Bourgeoisie bzw. den politischen Kräften des sog. „Widerstandes“ kämpfen sollte, egal wie rückwärtsgewandt und reaktionär diese auch immer seien. Zuerst einmal müsste eben der größere Feind, der US-Imperialismus, aus dem Land geworfen werden. Wenn die USA hinausgeworfen, die „nationale Souveränität“ erreicht, bzw. der „Widerstand“ gesiegt habe, – so ihr Argument – ja, dann wäre gegen die „Fortführung“ des Klassenkampfes vor Ort nichts mehr einzuwenden. Als ob der Feind unseres Feindes notweniger weise unser Freund sein müsste! Die Orientierung auf extrabreite „Klassenbündnisse“, die derartigen Etappentheorien zugrunde liegen, hatte und hat stets katastrophale Folgen: Mit ihrer Strategie“ der „Verknüpfung nationaler und sozialer Aufgaben“ manövrierte die Führung der stalinistischen irakischen KP ihre Basis von einem Massaker ins nächste. 1979 wurden die Illusionen vieler iranischer Linker, die in den Mullahs ein kleineres Übel oder sogar „einen antiimperialistischen Bündnispartner“ sahen, grausam ad absurdum geführt. Blutige Repression gegen die Arbeiterbewegung und die Linke und islamistischer Tugendterror waren die Folge.  

Das Proletariat hat kein Vaterland! 

Antiimperialistisch zu handeln bedeutet gegen das gesamte System in all seinen Ausformungen vorzugehen. Der Kampf gegen den Kapitalismus setzt es geradezu voraus voll und ganz mit der bürgerlichen Klasse wie mit dem bürgerlichen Politikverständnis zu brechen. Für die übergroße Mehrheit der Weltbevölkerung, die zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes gezwungen ist, ihre Arbeitskraft unter immer mieseren Bedingungen zu Markte zu tragen, gibt es weder „nationale Lösungen“, noch bürgerliche Bündnispartner! Das allein kann die Grundlage für einen wirklichen Internationalismus der Ausgebeuteten und Unterdrückten sein. Zur Verteidigung unmittelbarer Lebensinteressen ist es notwendig, dass die Lohnabhängigen im Irak wie auch anderswo ihre Kämpfe unabhängig von, bzw. gegen alle Fraktionen der herrschenden Klasse führen und grenzüberschreitend vereinheitlichen. Nur mit dieser Perspektive wird es möglich sein, den kapitalistischen Zyklus von Krise und Krieg zu durchbrechen. 

Für die Staaten – und klassenlose Gesellschaft! 

Gruppe Internationaler SozialistInnen ( im Oktober 2005)

 

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde uns von der GIS zur Veröffentlichung überlassen.