“Kapital
und Arbeit haben sich nichts mehr zu sagen, sie haben einander nur mit eiserner
Umarmung zu packen, und im Endkampf zu entscheiden, wer zu Boden geworfen wird“
(Rosa Luxemburg)
Tagtäglich
wird der Irak durch Terroranschläge und Gewalttaten erschüttert. Die Zahl der
Ermoderten nimmt Woche für Woche zu. Entgegen allen großspurigen Versprechungen
brachte die Invasion des Iraks für die Bevölkerung unermessliches Leid und
Zerstörung. Die Infrastruktur des Landes ist nahezu vollständig zerstört. Es
gibt kein sauberes Wasser, keine funktionierende Kanalisation, kein
funktionierendes Gesundheitssystem. Ganze Landstriche und Flüsse sind
verschmutzt und durch uranhaltige Kriegswaffen kontaminiert worden. Die Hälfte
der Schulen ist durch die Bombardierung zerstört worden. Die Arbeitslosenrate,
die schon vor dem Krieg bei dreißig Prozent lag, liegt jetzt bei 60 bis 75% und
hat sich damit mehr als verdoppelt.
Auf den Trümmern und Zerstörungen, die die Bombardements der
„Koalition der Willigen“ hinterlassen haben, gedeiht lediglich die Korruption
und eine regelrechte Plünderungsökonomie, in der sich vorwiegend die
US-amerikanische Firmen die Filetstücke der irakischen Wirtschaft unter den
Nagel reißen. Vor diesem Hintergrund stellen die „freien“ Wahlen Anfang des
Jahres und das Verfassungsreferendum eine Farce dar. Während die Machteliten in
den kurdischen und schiitischen Regionen dazu gebracht wurden mit der
Besatzungsmacht zu kooperieren oder auf Zeit zu spielen, haben sich bedeutende
Kräfte der sunnitischen Bourgeoisie für den entgegen gesetzten Weg entscheiden.
Aufgrund ihrer Konfrontationspolitik gegenüber dem Besatzungsregime, die sich in
den Anschlägen diverser, oftmals rivalisierender nationalistischer und
islamistischer Gruppen niederschlägt, werden diese Kräfte von vielen politischen
Beobachtern als Rückrat des „Widerstands“ gegen die USA wahrgenommen und
zuweilen auch glorifiziert.
Krise und
Krieg
Der Krieg
gegen den Irak war lediglich eine Episode in einem größeren Vorstoß des
US-Imperialismus zur Zementierung seines Hegemonialanspruchs in der durch den
Zusammenbruch des Ostblocks entstandenen neuen Weltordnung. Die USA beanspruchen
die Kontrolle über die ganze ölproduzierende Region vom mittleren Osten über das
Rote bis zum Kaspische Meer. In diesem „great game“, waren die Kriege gegen
Afghanistan und den Irak nur Etappen. Die Drohungen gegen Syrien und den Iran
zeigen, dass die nächsten Kriege in Vorbereitung begriffen sind. Auch wenn die
USA ihre Beweggründe hinter der Propagandafloskel des „Kriegs gegen den Terror“
zu tarnen versuchen, ist es offenkundig, dass es ihnen darum geht den Einfluss
ihrer Rivalen, der EU, China und Russland einzudämmen. Die USA sehen
insbesondere im Euro eine bedeutende drohende Gefahr, weil er als
Währungsreserve in Südostasien, Russland und Südamerika einfließt und so die
Stellung des Dollar als Leitwährung im Ölgeschäft und anderen
Wirtschaftszweigen bedroht. Die Sicherung der Ölvorkommen für die nächsten zwei
Jahrzehnte, die Kontrolle über den Ölpreis und die damit verbundene Abstützung
des Dollars als Leitwährung des Welthandels sind von daher zentrale strategische
Zielsetzungen. Die militärischen Interventionen im Mittleren Osten bergen jedoch
auch die Gefahr, wachsender Instabilität, was die wirtschaftliche Position der
USA in kürzester Zeit weiter verschlechtern könnte. Das Chaos im Irak kann
schnell zu einer Stärkung zentrifugaler Tendenzen führen, wenn die lokalen
Bourgeoisien in Kurdistan oder im schiitischen Süden versuchen eigene
Staatsgebilde zu errichten. Dies hätte fatale Konsequenzen und würde die Türkei,
den Iran und Saudiarabien noch stärker in den Konflikt hineinziehen.
Klassenkampf
Trotz des Zusammenbruchs der sozialen Infrastruktur und massiver
Arbeitslosigkeit spielt sich der Klassenkampf im Irak auf hohem Niveau ab. Das
Regime reagierte auf die in vielen Landesteilen spontan ausgebrochenen Streiks,
indem es den Gewerkschaftsdachverband IFTU im Januar 2004 legalisierte. Der IFTU
erhielt die Genehmigung sich zu organisieren, bekam in Bagdad Büros zugesprochen
und konnte sich den Nachlass und die Mitgliederlisten des alten
Gewerkschaftsbundes sichern. Politisch wird der IFTU maßgeblich von der
stalinistischen Irakischen „Kommunistischen“ Partei dominiert, die sich nicht zu
schade ist das Allawi-Regime zu unterstützen und sogar ein Mitglied im Kabinett
stellt. Nach eigenen Angaben besteht der IFTU aus 12 Einzelgewerkschaften mit
rund 200 000 Mitgliedern. Der ihr vom Regime zugedachten Rolle kommt die IFTU
bereitwillig nach: Während eines Streiks in der petrochemischen Industrie in
Bagdad drohte die IFTU den Streikenden mit Entlassung und sogar mit Knast und
bezog sich dabei auf eine gesetzliche Verfügung des Allawi-Regimes, die Streiks
für illegal erklärt hatte. Die Arbeiter wurden unter Druck gesetzt, der IFTU
beizutreten. Fortan wurden die Mitgliedsbeiträge für die IFTU durch das
Management direkt vom Lohn abgezogen.
Dennoch kamen vor allem in der Ölindustrie, der Stromerzeigung,
der Textilindustrie und im Dienstleistungsbereich Streiks und Protestaktionen
außerhalb der Kontrolle der IFTU ins Rollen, die sich zu einem gewissen Grad
auch landesweit verallgemeinern konnten. Im
Wesentlichen entzünden sich diese Kämpfe an Forderungen nach mehr Lohn,
Abschaffung von Überstunden, Versammlungsfreiheit und einem Ende der
Unternehmerwillkür.
Das Regime begegnet diesen Kämpfen zuweilen mit scharfer
Repression. Es ist keine Seltenheit, dass Besatzungstruppen auf Demonstrationen
und Streikversammlungen das Feuer eröffnen. Doch nicht nur das Regime und die
Besatzungstruppen gehen gegen die Arbeiterbewegung vor: Auch und gerade auf das
Konto des sog. „Widerstands“ islamistischer und nationalistischer Gruppen gehen
zahllose Entführungen und Morde an Arbeiteraktivisten.
Welcher
Widerstand?
Von den meisten Gruppierungen der europäischen Linken wird der
reaktionäre arbeiterfeindliche Charakter des sog. „Widerstandes“ kategorisch
ausgeblendet. Stattdessen herrscht die Tendenz vor, ihm unter der hohlen Phrase
des „nationalen Selbstbestimmungsrechts“ einen antiimperialistischen Charakter
anzudichten.
Das politische Standartargument dieser Gruppen lautet, dass die
Arbeiterklasse Seite an Seite mit der nationalen Bourgeoisie bzw. den
politischen Kräften des sog. „Widerstandes“ kämpfen sollte, egal wie
rückwärtsgewandt und reaktionär diese auch immer seien. Zuerst einmal müsste
eben der größere Feind, der US-Imperialismus, aus dem Land geworfen werden. Wenn
die USA hinausgeworfen, die „nationale Souveränität“ erreicht, bzw. der
„Widerstand“ gesiegt habe, – so ihr Argument – ja, dann wäre gegen die
„Fortführung“ des Klassenkampfes vor Ort nichts mehr einzuwenden. Als ob der
Feind unseres Feindes notweniger weise unser Freund sein müsste! Die
Orientierung auf extrabreite „Klassenbündnisse“, die derartigen Etappentheorien
zugrunde liegen, hatte und hat stets katastrophale Folgen: Mit ihrer Strategie“
der „Verknüpfung nationaler und sozialer Aufgaben“ manövrierte die Führung der
stalinistischen irakischen KP ihre Basis von einem Massaker ins nächste. 1979
wurden die Illusionen vieler iranischer Linker, die in den Mullahs ein kleineres
Übel oder sogar „einen antiimperialistischen Bündnispartner“ sahen, grausam ad
absurdum geführt. Blutige Repression gegen die Arbeiterbewegung und die Linke
und islamistischer Tugendterror waren die Folge.
Das
Proletariat hat kein Vaterland!
Antiimperialistisch zu handeln bedeutet gegen das gesamte System in all seinen
Ausformungen vorzugehen. Der Kampf gegen den Kapitalismus setzt es geradezu
voraus voll und ganz mit der bürgerlichen Klasse wie mit dem bürgerlichen
Politikverständnis zu brechen. Für die übergroße Mehrheit der Weltbevölkerung,
die zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes gezwungen ist, ihre Arbeitskraft
unter immer mieseren Bedingungen zu Markte zu tragen, gibt es weder „nationale
Lösungen“, noch bürgerliche Bündnispartner! Das
allein kann die Grundlage für einen wirklichen Internationalismus der
Ausgebeuteten und Unterdrückten sein. Zur Verteidigung unmittelbarer
Lebensinteressen ist es notwendig, dass die Lohnabhängigen im Irak wie auch
anderswo ihre Kämpfe unabhängig von, bzw. gegen alle Fraktionen der herrschenden
Klasse führen und grenzüberschreitend vereinheitlichen. Nur mit dieser
Perspektive wird es möglich sein, den kapitalistischen Zyklus von Krise und
Krieg zu durchbrechen.
Für die Staaten – und klassenlose Gesellschaft!
Gruppe Internationaler SozialistInnen
( im Oktober 2005)
Editorische Anmerkungen
Der Artikel wurde uns von der GIS zur
Veröffentlichung überlassen.
|