Forschungs- und Gedenkstätte Eisenspalterei Die Leiden nicht vergessen von MARTINA BÜCHNER und ANNEKATRIN STÖSSER |
Ein halbes Jahr ist bereits vergangen, seit wir am 1. April unsere Tätigkeit im ehemaligen Außenlager des KZ Ravensbrück in Eberswalde- Eisenspalterei aufnahmen. Für uns Anlaß, eine erste Bilanz zu ziehen. Gerade angesichts der zunehmenden neonazistischen und fremdenfeindlichen Aktivitäten im Land Brandenburg hat unsere Arbeit keinen geringen Stellenwert. Als Eberswalder haben wir die Chance mit Schüler- und Jugendlichen aus dem unter Denkmalschutz stehenden Komplex des 1943 erbauten KZ- Außenlagers eine Forschungs- und Gedenkstätte aufzubauen. Der Trägerverein Barnimer Bürgerpost e.V. hat im Frühjahr seine Struktur den neuen Aufgaben angepaßt und die ,Forschungs- und Gedenkstätte" als neuen Projektbereich etabliert. Holger Kliche, dessen Engagement es letztlich zu verdanken ist, daß dieses Projekt überhaupt soweit voranschreiten konnte, agiert als ehrenamtlicher Geschäftsführer des Projektbereiches. Während eine, wie unsere Tätigkeit, ebenfalls vom Arbeitsamt Eberswalde geförderte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme seit Januar für die materielle Instandsetzung der Baracken sorgt, liegt unsere Aufgabe im inhaltlichen Bereich. Gemeinsam mit Schüler- und Jugendgruppen werden zunächst sechs Einzelprojekte in Angriff genommen. Dazu gehört, ausgehend vom KZ- Außenlager die Geschichte auch anderer Zwangsarbeiterlager der Eberswalder Region zu dokumentieren. Jugendliche erhalten durch die Projekte die Möglichkeit, sich mit der Vergangenheit ihres Heimatortes auseinanderzusetzen. Sie erforschen Einzelschicksale der direkt Betroffenen, von Anwohnerinnen und Anwohnern und anderen Menschen. Durch Befragen von Zeitzeugen wird die Geschichte lebendig und nachvollziehbar, mit allen Ängsten, Bangen, Verzweifeln und Hoffen. Gleichzeitig werden die Jugendlichen durch die Forschungs- und Recherchearbeiten mit Methoden der Geschichtsforschung und Aufarbeitung vertraut gemacht. Geplant ist, eine feste Forschungsgruppe zu bilden, die jederzeit offen für Interessierte ist. Es werden Archivarbeiten, ein Erfahrungsaustausch mit anderen Gruppen und Institutionen und Interviews mit Zeitzeugen stattfinden. Die Präsentation der Ergebnisse werden in die Ausstellungen übernommen. Neben Unterstützung bei der Gestaltung des Geschichtsunterrichts durch die Nutzung des entstehenden Archivs, ist daran gedacht, daß Angebot durch Seminare, Lesungen, Liederabende usw. zu erweitern. Auf diese Weise wird eine aktive und offene Auseinandersetzung mit der Vergangenheit möglich. Das Konzept zielt auf Integration statt Polarisation und hat zum Ziel, eine möglichst breite Basis zu schaffen, denn die Gedenkstätte soll keineswegs den Charakter eines toten Museums haben, sondern vielmehr im Sinne eines Kulturhauses wirken, als ein ,aktiver Ort des Mahnens und Gedenkens ", wie es in unserem Informationsblatt heißt. Wir sind der Meinung, daß in jeder Stadt genügend für die Jugend getan werden sollte. Wichtig ist, mit ihr zusammenzuarbeiten, um den jungen Menschen eine Perspektive zur Straße zu bieten. Die bisherige Forschungsarbeit mit Schüler- und Jugendlichen erwies sich als äußerst attraktiv. Das bisher zusammengetragene Material, z.T. in Form von Wandzeitungen ausgestellt, zeigte das große Interesse der Mädchen und Jungen. Gegenwärtig arbeiten wir gemeinsam mit Schülern des Gymnasiums in Eberswalde an einer Nachgestaltung des Außenlagers des KZ Ravensbrück als Modell. Wir beabsichtigen, zusätzlich zu unserer Forschungsarbeit mit Schüler- und Jugendlichen, ein breites Spektrum an Angeboten zu bieten. Erste Überlegungen sehen z.B. Film- und Videoaufführungen , Literaturcafé, Lesungen , Theater- bzw. Liederabende, Diskos und unter anderem auch ein Fest für Freundschaft und Völkerverständigung vor. Wir hoffen, daß unsere Arbeit beitragen kann, daß dieses Kapitel der Eberswalder Vergangenheit von der Geschichtsforschung nicht einfach vergessen wird und das sich dieses Leiden und diese Qualen nie wiederholen aus: Barnimer Bürgerpost 10/98 vom
8. Oktober 1998 |