Viele Menschen in
Deutschland dürften Gabun lediglich aus den
Zoologischen Gärten kennen, denn das Land auf der
Höhe des Äquators gab einem als Gabunviper
bezeichneten Reptil seinen Namen. Es handelt sich um
eine schön gezeichnete Giftschlange, zugleich um das
schwerste Tier dieser Gattung und um die Schlangenart
mit den längsten Giftzähnen. Aber es handelt sich
nicht um den einzigen potenziell unfreundlichen
Zeitgenossen, der mit dem Land in Verbindung gebracht
werden kann.
Das Regime, das dort
über eine Gesamtbevölkerung von 1,8 Millionen
Menschen – unter ihnen 625.000 Stimmberechtigte –
herrscht, regiert in der Regel eher mit Hilfe von
Korruption und Klientelismus akls mit offener,
mörderische Repression. Es kann jedoch auch anders.
Nachdem die Legitimität des amtierenden Staatschefs,
der sich am vorvergangenen Samstag zur Wiederwahl
stellen musste, in den letzten Tagen schwer in Frage
gestellt wurde, setzt es nunmehr deutlich auf die
repressive Karte.
Ein in Feuer
aufgeganges Parlamentsgebäude. Mindestens sieben Tote
bei Protesten und dem Versuch ihrer Niederschlagung
bis zum Montag dieser Woche (05. September 16), an
dem eine vorübergehende Ruhe einkehrte – die nicht
von Dauer sein wird, da das heterogene Bündnis der
Oppositionskräfte am selben Tag zum Generalstreik
aufrief. Zwischen 800 und 1.100 Festnahmen hat es bis
dahin laut offiziellen Angaben gegeben, wobei das
Regime behauptet, es handele sich bei ihnen lediglich
um « Plünderer » und nicht um politische
Opponentinnen. Das ist die vorläufige Bilanz der
heftigen Proteste in der afrikanischen Erdölrepublik,
die ausbrachen, nachdem das offizielle Ergebnis der
Präsidentschaftswahl vom 27. August nun am vorigen
Mittwoch – am 31. August d.J. - mit anderthalb Tagen
Verspätung bekannt gegeben wurde.
Den amtlichen Zahlen
zufolge gewann demnach Amtsinhaber Ali Bongo, geboren
1959, mit einer relativen Mehrheit von 49,8 Prozent
gegenüber seinem gewichtigsten Herausforderer Jean
Ping, Jahrgang 1942, mit angeblich 48,2 Prozent.
Einige kleinere Kandidaten erhielten die übrigen
Prozentpunkte. Die Opposition unterschiedlicher
Couleur behauptet unisono, es liege eine glatte
Wahlfälschung vor, und kann dafür auch gute Argumente
vortragen. Am Dienstag waren zunächst Teilergebnisse,
die bereits fünf von neun Provinzen abdeckten,
veröffentlicht worden. Ping lag demnach mit knapp
sechzig Prozent der abgegeben und ausgezählten
Stimmen eindeutig in Führung. Dann folgten zunächst
keine neuen Ergebnisse, obwohl diese noch für die
Nacht zum Mittwoch angekündigt worden waren, und die
Wahlkommission stritt sich hinter verschlossenen
Türen. Und dann geschah das vermeintlich Wundersame.
Dank einer angeblichen Stimmbeteiligung von über 99
Prozent in Ali Bongos Herkunftsprovinz Haut-Ogooué,
an die niemand wirklich glaubt. Dank eines
Wahlsystems, das auf einer Präsidentschaftswahl mit
einem einzigen Durchgang beruht, genügt eine einfache
Mehrheit.
In Gabun regiert seit
dem Jahr 1967 eine einzige Familie. Damals schwang
sich Ali-Bernard Bongo, vormaliger Mitarbeiter des
französischen Militärgeheimdiensts zu Kolonialzeiten,
zum Nachfolger des sterbenden Präsidenten Léon Mba
auf. Er sollte 42 Jahre lang regieren, ein
Dienstrekord, den er mit dem libyschen Diktator
Muammar Al-Qadhafi (eingedeutscht: Gaddafi) teilen
sollte. Der Autokrat änderte 1973 aus
außenpolitischen Gründen, die mit der Erdölkrise und
Allianzen in der OPEC zusammenhingen, seinen Namen
und nannte sich fortan Ali Bongo, um formal zum Islam
überzutreten. Sein heute regiender Sohn wurde als
Alain-Bernard geboren und hieß fortan Ali Bongo.
Omar Bongo schied im
Juni 2009 aus dem Leben. In einem Krankenhaus in
Barcelona, denn dem Gesundheitssystem in seinem Land
traute Omar Bongo aus guten Gründen nicht – er
wusste, in welchem desolaten Zustand er
Krankenhäuser, aber auch Schulen und andere
öffentliche Einrichtungen hinterließ. Dabei könnte
die Bevölkerung in dem relativ dünn besiedelten, doch
rohstoffreichen Land materiell ein gutes Leben haben.
Gabun ist, je nach Jahr, der viert- oder fünfgrößte
Rohölproduzent des afrikanischen Kontinents, hinter
den Giganten Nigeria, Angola, Algerien und Libyen. Es
besitzt Eisenerz-, Mangan- und Uranvorkommen, aber
auch der Abbau von Tropenhölzern wird dort betrieben.
Doch selbst laut Angaben der Weltbank lebt ein
Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, in
Wirklichkeit wohl noch mehr. Die Einnahmen aus dem
Rohstoffreichtum teilen sich soziale Schichten, die
die Gunst des Regimes genießen, und französische
Akteure. Bereits unter Omar Bongo war das gabunische
Regiem eine der Hauptfinanzquellen der französischen
politischen Klasse, und der « ELF-Skandal » - die
Affäre um den französischen Erdölkonzern, aus dem
später TOTAL hervorging – im Jahr 2003 ließ einige
Aspekte der Beziehungen zwischen Frankreich und Gabun
hervorscheinen, bevor wieder der Mantel über diese
Wirklichkeit gebreitet wurde.
Ali Bongo wurde nach
dem Ableben des Herrn Papa zum Nachfolger
prädestiniert. Doch seine angebliche Wahl, Ende
August 2009, ging nicht reibungslos über die Bühne.
Unruhen erfassten vor allem die Hafenstadt
Port-Gentil, mindestens fünfzehn Menschen kamen bei
ihrer Niederschlagung ums Leben.
Eine siebenjährige
Amtszeit später steht Ali Bongo sich erneut vor der
Herausforderung, sich durch die Wahlurnen
legitimieren zu lassen. Dieses Mal schien der Brocken
sogar noch ein Stück größer. Denn sein Herausforderer
Jean Ping, früherer Kommissionschef der Afrikanischen
Union zwischen 2008 und 2012, ging selbst aus dem
harten Kern des Regimes hervor. Er war früher mit
Omar Bongos Tochter Pascaline verheiratet. Sie war
lange Jahre hindurch die Frau für finanzielle
Angelegenheiten des Familienclans. Bei Nicolas
Sarkozys Mammutveranstaltung in den Pariser
Messehallen im Januar 2007, wo er sich vor 30.000
Menschen zum Präsidentschaftskandidaten ausrufen
ließ, saß sie demonstrativ in der ersten Reihe. Nicht
zufällig, sondern als ein Ausdruck der Richtung, die
gewisse Finanzflüsse nahmen. Derzeit unterstützt der
französische Ex-Präsident der Jahre 2007 bis 2012,
der derzeit als einer von dreizehn angemeldeten
Bewerbern um die Präsidentschaftskandidatur der
französischen Konservativen ringt, übrigens Ali Bongo
auf ungeschminkte Weise. Am 1. August verkündete er
laut, Ali Bongo würde « ohne Anstrengung von seiner
Seite wiedergewählt » werden, weil « die Opposition
programmatisch nichts zu bieten hat ». Seine
Gegenkandidatenm Alain Juppé und François Fillon,
beide waren Minister respektive Premier unter
Sarkozy, ergriffen deswegen für eine « demokratische
Transition » in Gabun Partei, also dafür, dass die
Familie Bongo endlich die Macht abgeben muss. Fillon,
ein autoritärer Konservativer mit Sympathien für
Wladimir Putin, ließ sich am vorigen Samstag sogar
bei einer Demonstration von 3,000 Oppositionellen und
Regimekritikern vor der gabunischen Botschaft in
Paris kurzzeitig blicken. Bei der Befürwortung eines
Machtwechsels in Libreville geht es Juppé und Fillon
sicherlich auch darum, ihren innerfranzösischen
Rivalen von Finanzquellen abzuschneiden.
Die wichtigsten
Großmächte könnten sich zweifellos auch mit einem
Machtwechsel von Ali Bongo zu Jean Ping arrangieren.
Doch die Entscheidungsträger des Regimes finden sich
bislang nicht damit ab, sondern die Sicherheitskräfte
umzingelten am Mittwoch das Hauptquartiers Pings in
der Hauptstadt Libreville. 26 Anführer
unterschiedlichster Oppositionskräfte waren dort für
die Dauer von zwei Tagen eingeschlossen, mussten am
Boden schlafen und ihre Notdurft unter schwierigsten
Bedingungen verrichten. Unterdessen fordern die
französische Regierung und die EU-Kommission bislang
ein « Ende der Gewalt » seitens der Opposition, aber
auch « Transparenz » und eine Neuauszählung der
Stimmen.
Editorischer Hinweis
Den
Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe. |