Wir haben bei unseren bisherigen
Betrachtungen die Frage des Grundeigentums gänzlich außer
acht gelassen; ein solches Verfahren erfordern, wie
wir gesehen haben, sowohl logische
Erwägungen als auch die historischen Tatsachen, die davon
zeugen, daß die kapitalistische
Landwirtschaft bei jeder Form des Grundeigentums entsteht
und sich entwickelt. Führen wir nun
diese neue Bedingung ein. Angenommen, alles Land sei
Privateigentum. Wie wirkt sich das auf
die Rente aus? Die Differentialrente wird vom
Grundeigentümer auf Grund seines
Eigentumsrechtes dem Farmer abgenommen werden; da die
Differentialrente einen über den
normalen, den Durchschnittsprofit des Kapitals
hinausgehenden Profitüberschuß darstellt und da
in der Landwirtschaft Freiheit der Konkurrenz im
Sinne von Freiheit der Kapitalanlage in der
Landwirtschaft besteht (respektive durch die
kapitalistische Entwicklung geschaffen wird), wird der
Grundeigentümer stets einen Farmer finden, der sich
mit dem Durchschnittsprofit begnügt und
ihm, dem Grundeigentümer, den Surplusprofit abgibt.
Das Privateigentum an Grund und Boden
schafft nicht die Differentialrente, sondern leitet
sie lediglich aus den Händen des Farmers in die
des Grundeigentümers über. Bleibt nun der Einfluß
des privaten Grundeigentums darauf
beschränkt? Kann man etwa erwarten, daß der Grundeigentümer
dem Farmer umsonst gestatten
wird, jenen schlechtesten und am ungünstigsten gelegenen
Boden zu exploitieren, der nur den
Durchschnittsprofit auf das angelegte Kapital abwirft?
Natürlich nicht. Das Grundeigentum
ist ein Monopol, und auf Grund
dieses Monopols wird der Grundeigentümer vom Farmer auch
für diesen Boden Bezahlung
verlangen. Diese Bezahlung ist die absolute Rente,
die in gar keinem Zusammenhang mit
der verschiedenen Produktivität verschiedener
Kapitalanlagen steht und
dem
Privateigentum an Qrund und Boden entspringt.
Als
Herr Bulgakow Marx der
willkürlichen zwiefachen Auslegung ein und desselben
Monopols beschuldigte, nahm er sich
nicht die Mühe, darüber nachzudenken, daß wir es
tatsächlich mit einem zwiefachen
Monopol zu tun haben; erstens haben wir das Monopol der
(kapitalistischen)
Bodenbewirtschaftung. Dieses Monopol entsteht aus der
Beschränktheit des Bodens und ist daher
in jeder kapitalistischen Gesellschaft eine
Notwendigkeit. Dieses Monopol hat zur Folge, daß der
Getreidepreis durch die Produktionsbedingungen auf
dem schlechtesten Boden bestimmt wird,
während der überschüssige, der Surplusprofit, der
durch Anlage von Kapital auf besseren Boden
oder durch produktivere Kapitalanlage entsteht, die
Differentialrente bildet. Diese Rente entsteht
völlig unabhängig vom privaten Grundeigentum, das
den Grundeigentümer nur in den Stand setzt,
sie dem Farmer abzunehmen. Zweitens haben wir das
Monopol des privaten Grundeigentums.
Dieses Monopol ist weder logisch noch historisch mit dem
vorgenannten Monopol untrennbar
verbunden. Dieses Monopol stellt für die kapitalistische
Gesellschaft und die kapitalistische
Organisation der Landwirtschaft keine Notwendigkeit
dar. Einerseits können wir uns sehr wohl
kapitalistische Landwirtschaft ohne Privateigentum
an Grund und Boden denken, und viele
konsequente bürgerliche Ökonomen haben auch die
Nationalisierung des Bodens gefordert.
Anderseits finden wir auch in der
Wirklichkeit kapitalistische Organisation der
Landwirtschaft bei Fehlen von
privatem Grundeigentum, z. B. Auf Staats- und
Gemeindeländereien. Die beiden
Monopolarten sind daher unbedingt auseinanderzuhalten, und
folglich muß neben der
Differentialrente auch das Bestehen der absoluten Rente
anerkannt werden, die durch das
Privateigentum am Boden
erzeugt wird(*).
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*) Im zweiten Teil des zweiten Bandes der
1905 erschienenen „Theorien über Mehrwert" gibt Marx zur
Frage der absoluten Rente Erläuterungen, die
die Richtigkeit meiner Interpretation (insbesondere
bezüglich der zwei Arten des
Monopols) bestätigen. Die entsprechenden Stellen bei Marx
lauten: „Wäre das Land nicht nur
relativ zum Kapital und zur Bevölkerung, sondern faktisch
ein unbegrenztes Element, ,unbegrenzt' wie
,Luft und Wasser', ,in unbeschränkter Menge
vorhanden"' (Zitate aus Ricardo), „so könnte tatsächlich
seine Aneignung durch die einen
Aneignung desselben durch die anderen nicht ausschließen.
Es könnte kein privates (auch kein
,öffentliches' oder staatliches) Eigentum am Boden
existieren. In diesem Falle, wenn
alles Land auch überall von gleicher Güte, könnte gar
keine Rente dafür gezahlt werden . . . Der Witz ist also
der: Existiert das Land elementarisch dem Kapital
gegenüber, so bewegt sich dieses in der Agrikultur in
derselben Weise wie in jedem anderen
Industriezweig. Es existiert dann kein Grundeigentum und
keine Rente... Ist das Land
dagegen 1. beschränkt, 2. angeeignet, findet das Kapital
Grundeigentum als Voraussetzung
vor — und dieses ist der Fall da, wo die kapitalistische
Produktion sich entwickelt; wo es die
Voraussetzung nicht wie im alten Europa vorfindet,
schafft es sie selbst, wie in den Vereinigten Staaten —,
so ist der Grund und Boden von vornherein nicht ein
elementarisches Aktionsfeld für das Kapital. Daher gibt
es Grundrente, abgesehen von der Differentialrente." (S.
80, 81.)" Marx unterscheidet hier mit aller Bestimmtheit
zwischen der Beschränktheit des Bodens und dem
Privateigentum am Boden. (Anmerkung des Verfassers zur
Ausgabe von 1908. Die Red.)
Quelle:
LW 5/119-121
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