Am letzten
Septemberwochenende lud die Rosa-Luxemburg-Stiftung nach
Berlin zu einer Konferenz ein, an der vor allem sogenannte
Stadtteilorganizer teilnahmen.
Soziale Proteste sind in
Deutschland selten. Bundesweite Demonstrationen unter dem Motto
»Wir zahlen nicht für Eure Krise« bleiben ohne nachhaltige
Wirkung. Dieser Zustand frustriert viele politisch.
Aktive und lässt sie nach
politischen Alternativen Ausschau halten. Zwei Mitarbeiter der
Rosa-Luxemburg-Stiftung sind in den USA fündig geworden. Sie
haben auf dem dortigen Sozialforum das Community-Organizing, die
politische Organisierung in den Stadtteilen, in Theorie und
Praxis kennen gelernt. Einige Stadtteilorganizer nahmen am
Wochenende in Berlin an einer Konferenz der
Rosa-Luxemburg-Stiftung teil, die sich mit Strategie und Taktik
einer revolutionären Realpolitik befassten.
Stadteilorganisator Eric Mann aus
Los Angeles erinnerte darin, dass die Kommunistische Partei der
USA in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts erfolgreiche
Organizing-Projekte initiiert. Auch für die
US-Bürgerrechtsbewegung war die Stadtteilorganisierung ein
wichtiges politisches Aktionsfeld. Mann erinnerte daran, dass
Martin Luther King mit der Organisierung streikender Müllmänner
beschäftigt war, als er von einem Rassisten erschossen wurde.
Daran knüpft seine Organisation an, als sie mit den
Beschäftigten und Stadtteilbewohnern gegen die Schließung einer
CM-Filiale erfolgreich kämpfte. Sendolo Diaminah von der
Initiative People's Durham outet sich auf der Konferenz als
Kommunist, der nach der weltweiten Krise der Linken nach dem
Ende des Nominalsozialismus nach neuen Wegen suchte. Er sieht im
Organizingkonzept eine Möglichkeit, die Lücke zu füllen, die der
Zerfall linker Organisationen hinterlassen hat.
Auch für Steve Williams von der
Initiative Power aus Los Angeles ist das Organizingkonzept heute
besonders aktuell. Das Schrumpfen der Kernarbeiterschaft führe
zum Bedeutungsverlust von Gewerkschaften. Erfolgreiche Streiks
seien daher auf Organisierung außerhalb der Betriebe angewiesen.
Als Beispiel nannte er eine gelungene Organisierung von Schülern
und Busfahrern, als der Schultransport privatisiert wurde, was
mit Preissteigerungen und Verschlechterungen der
Arbeitsbedingungen verbunden war.
Auch in Deutschland hat die
Debatte um Organizingstrategien inner- und außerhalb der
Gewerkschaften begonnen. Der Stuttgarter verdi-Bezirk gehört zu
den Vorreitern. „Innerhalb der deutschen Gewerkschaftsbewegung
steht die Debatte noch ganz am Anfang,“ betont die Stuttgarter
Gewerkschaftssekretärin Jana Seppelt auf der Konferenz.
Erfahrungen in Hamburg
Florian und Max, zwei Aktivisten
vom „Recht auf Stadt-Bündnisses“, berichten über Erfolge und
Grenzen ihrer Organisationsansätze in den Hamburger Stadtteilen
Altona und Wilhelmsburg. In letzterem wohnen viele Menschen mit
geringen Einkommen, bei denen die Organisierer auf offene Ohren
stießen. Innerhalb kurzer Zeit wurde eine Protestaktion gegen
Mieterhöhungen zum Wohnungsbauunternehmen Gagfah organisiert.
Allerdings sind nicht alle politischen Initiativen erfolgreich
gewesen. Der These, dass man mit den Bewohnern über den Protest
gegen steigende Mieten nicht aber über Stadtpolitik reden kann,
widersprach der Soziologe Alex Demirovic und verweist auf andere
Erfahrungen in Frankfurt/Main. Auch die Grundsatzfrage, ob
Organizingkonzepte linke Parteien ersetzen oder ergänzen kann,
blieb auf der Konferenz offen. Dass sie an Bedeutung gewinnen
werden, scheint aber klar. Daher war es unverständlich, dass bei
der Konferenz im Berliner IG-Metallhaus kaum Gewerkschaftler und
politische Aktivisten anwesend waren.
Aber auch aus der außerparlamentarischen
Linken hat sich kaum jemand blicken lassen – eine verpasste
Gelegenheit. Schließlich können solche Veranstaltungen Lernorte
sein und ein Austausch mit Aktivisten aus
aller Welt ist eben nur selten möglich.
Editorische Hinweise
Den Text erhielten wir vom Autor.