Sarrazin gießt erneut eine braune Soße über
die soziale und politische Wirklichkeit unterprivilegierter
Frauen und Männer und ihrer Kinder in Berlin, vornehmlich
erniedrigt er dabei den Teil des Berliner Proletariats, der
türkischen oder arabischen Hintergrund hat.
Sie wurden in dieses Land geholt, für die
schlecht bezahlten und gefährlichen Arbeiten und um ihre
Integration kümmerte sich keine Kirche und keine Partei – die
Migranten blieben über Jahrzehnte in einem Status, den ich als
„versklavte Außenseiter“ charakterisieren möchte und das eben
sowohl in der DDR als auch in der BRD. Auch die Rassisten und
Nationalisten von hüben und drüben wuchsen zusammen, weil sie
zusammen gehören. Der unverhohlen zur Schau getragene Rassismus
des SPD Mitglieds Th. Sarrazin ist zu verstehen als Ausdruck
einer Bewusstseinslage in einem beträchtlichen Teil der
deutschen Gesellschaft und die ersten Reaktionen zeigen wie
dieses Gelände zurzeit angelegt ist. Insgesamt herrscht
angespannte Ruhe im politischen Deutschland, da die neuen
politischen Mächtigen gerade dabei sind, hinter verschlossenen
Türen neue Angriffe zu konzipieren, um die sozialen und
finanziellen Standards der Masse der Lohnabhängigen abzusenken,
um die Lasten los zu werden, die durch die globale Krise des
Kapitalismus hier entstanden sind und noch weiter anwachsen
werden. Dazu passt dieser faschistoide Rassist mit seinen
Provokationen gerade ins Nachrichtenloch. Wer nun geglaubt
hatte, dass solche abenteuerlichen Vorstellungen sofort mit
politischen oder juristischen Zwangsmaßnahmen beantwortet
werden, der sieht sich grob enttäuscht. Also beginnt die rituell
geformte und jahrzehntelang eingeübte Medienmaschine zu laufen.
Nach und nach, Tage später, bemerken dann die Journalisten das
die Auseinandersetzung ankommt und sie führen sie fort. Dann
melden sich gemeinsam, das ist ein Novum in der deutschen
Geschichte, ein türkischer Verband und der Zentralrat der Juden
in Deutschland, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz zu Wort
und beklagen die Nähe der Äußerungen von Sarrazin zu Goebbels
und Hitler und dem deutschen historischen Faschismus. Neu ist in
diesem Zusammenhang auch, dass die ansonsten kritikfreudigen H.
Broder, M. Wolfssohn sowie der unsägliche R. Giordano, sich auf
die Seite von Sarrazin stellen.
Sarrazin macht sich hier zum Sprecher einer
größer gewordenen Gruppe von Deutschen, die sich seit einigen
Jahren aufgemacht haben, um sich in rassistisch und
nationalistisch besetzten Einstellungen einzurichten. Sie waren
von radikalen Volksverhetzern aus allen in den Parlamenten
vertretenen Parteien dorthin geführt worden und sie trafen dort
auf die entsprechenden zeithistorischen Vorläufern aus der NPD,
DVU, usw., die sich seit Jahrzehnten bereits um die rassistische
Verhetzung der Deutschen einen Namen gemacht hatten.
Wir sollten davon ausgehen, dass dieser
rassistische Angriff ein politischer Angriff ist, der auf die
soziale Wirklichkeit breiter Schichten der lohnabhängig
Beschäftigten bzw. ehemals Beschäftigten zielt. Mit dieser
schrillen Tonlage verweist der Ex-Finanzsenator des Landes
Berlin auf die durch die globale Krise ausgelöste
wirtschaftliche und finanzielle Situation in Deutschland. Kein
Wunder, dass da die Fantasien ins Kraut schießen, denn noch nie
nach 1945 gab es solche Rückgänge bei Aufträgen, Umsätzen und
Profiten zu verzeichnen wie in diesem zu Ende gehenden Jahr
2009.
Das rassistische Szenario ist seit Jahren in
Deutschland aufgebaut worden und es beinhaltet im Kern die
Vertreibung der hier nach Deutschland eingewanderten Proletarier
und ihrer Familien. Sie sollen für die Fehler und Irrtümer der
Deutschen büßen, sie sollen den Sündenbock abgeben für die jetzt
aufbrechenden Ängste und die sichtbar gewordenen Enttäuschungen
der Einheimischen über den wahren Charakter ihres deutschen
Modells.
Was ist zu tun?
Die Linksradikalen und Revolutionäre liegen,
nicht nur hier in Berlin, sozial und politisch am Rand und sie
haben, mangelnder Einflüsse auf die Masse der Berliner
geschuldet, außer kritischer Reflexionen in ihren eigenen Medien
kaum Möglichkeiten Einfluss zu nehmen.
Was wäre dazu die Perspektive?
Sie könnten sagen, dass sie für eine
Gesellschaft eintreten, die Rassismus und Anti-Semitismus, dem
kleinen Bruder des Rassismus, an der Wurzel bekämpft, um diese
erst gar nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Es ginge also
darum, die Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse
aufzuheben und für eine gerechte und freie Gesellschaft, einen
Sozialismus zu kämpfen, in dem gesellschaftliche Demokratie und
Freiheit, die Voraussetzung für die Freiheit jedes einzeln sein
wird. Und sie könnten sagen, dass diese gerechte und freie
Gesellschaft erst über eine proletarische Revolution erkämpft
werden kann und dass es dazu keine Alternative gibt.
Dass müsste man den hier Angegriffenen und
Angreifern entgegen halten können, so dass es Wirkung zeigte.
Denn solange die Ursachen für Rassismus und Anti-Semitismus
nicht beseitigt sind, so lange werden eben aus diesen Ursachen
immer wieder neue Angriffe gestartet werden. Mal stärker, wie in
den 1930er Jahren, als der Rassismus und Anti-Semitismus der
Deutschen eine Antwort war auf die Erschütterungen der
weltweiten Wirtschaftskrise ab Ende der 1920er Jahre, mal
schwächer wie es jetzt mit Sarrazin erscheint. Diese Historie
ist vorgegeben und jeder halbwegs informierte Beobachter der
Szenerie wird ihn erkennen können. Es gilt deshalb auch dafür zu
kämpfen, dass dieses Mal die Geschichte einen anderen Verlauf
nehmen kann.