Etwa
800.000 Menschen haben im vergangenen Jahr für
Leiharbeitsfirmen gearbeitet. Viele von ihnen wurden von den
Arbeitsagenturen gezwungen, sich von den Menschenhändlern für
Niedriglöhne vermieten zu lassen.
Trotz
Wirtschaftskrise ist der Markt für Leiharbeit in Deutschland
auch im Jahr 2008 gewachsen. Die 25 größten Leihfirmen
erzielten ein Umsatzplus von 3,7 Prozent, insgesamt betrug das
Marktvolumen im Jahr 2008 14,7 Milliarden Euro. Die größten
Konzerne, die vom Menschenhandel leben, sind Randstad, Adecco,
Manpower und USG People.
Die Bedingungen in der Leiharbeit:
-
LeiharbeiterInnen verdienen im Schnitt 30 bis 50 Prozent
weniger als ihre KollegInnen bei der Entleihfirma!
-
LeiharbeiterInnen werden oft nur für den Zeitraum eingestellt,
für den sie an eine fremde Firma verliehen werden können und
anschließend entlassen, wenn nicht sofort ein neuer Entleiher
gefunden wird.
-
Viele
Beschäftigte werden um Lohn und Urlaub betrogen, indem ihnen
die Zeit, in der sie nicht vermietet werden können, abgezogen
wird.
-
LeiharbeiterInnen haben im Entleihbetrieb noch weniger zu
melden, als ihre fest angestellten KollegInnen. Sie sind
Beschäftigte 2. Klasse.
Zwei
Profiteure sind mindestens Einer zuviel!
Innerhalb der letzten sechs Jahre ist die Zahl der Menschen,
die von Leihfirmen auf dem Markt vermietet werden, von 300.000
auf 800.000 (2008) gestiegen. Jetzt, in der Krise, sind die
LeiharbeiterInnen die Ersten, die gefeuert werden. Für 2009
erwarten die Leihfirmen einen Auftragsrückgang von
durchschnittlich 22,7 Prozent. Einzelne Firmen gehen sogar von
bis zu 40 Prozent aus. Besonders die Unternehmen der
produzierenden Wirtschaft und der Automobilindustrie haben im
großen Stil die Aufträge zurückgezogen.
Es waren die LeiharbeiterInnen, die gleich zu Beginn der Krise
nach Hause geschickt wurden. Wesentlich schlechter bezahlt als
die Stammbelegschaften, konnten sie von den Entleihfirmen von
einem Tag auf den anderen »abbestellt« werden. Die Folge:
Entlassung und der Gang zur Arbeitsagentur! Von dort werden
sie zum nächsten Menschenhändler geschickt, der sie
vielleicht, zu noch schlechterem Lohn, wieder vermietet.
Das besonders Abstoßende an dieser Art des Menschenhandels
ist, dass gleich zwei Unternehmen an den LeiharbeiterInnen
profitieren – die Leihbude und die Entleihfirma – während die
LeiharbeiterInnen selber mit Niedriglohn in die Röhre schauen.
Leiharbeit ist Menschenhandel!
Einen wegweisenden Schritt hat der Oberste Gerichtshof von
Namibia im März 2009 vollzogen. Leiharbeit ist dort seitdem
verboten. Das neue Gesetz stellt die Anstellung von Personen
mit der Absicht, sie an Dritte zu verleihen unter Strafe. Die
Richter stuften Leiharbeit als »moderne Sklaverei« ein und
erklärten: »Leiharbeit ist ungesetzlich und reduziert Menschen
zu persönlichem Besitz«.
Equal pay
& equal treatment (gleicher Lohn & gleiche Arbeitsbedingungen)
Auf Grund von europäischem Recht musste die SPD/Grüne
Regierung zum 1. Januar 2004 die Gleichbehandlung von
LeiharbeiterInnen mit den Stammbelegschaften umsetzen.
Im Rahmen der »Agenda 2010«, zu denen die berüchtigten Hartz
Gesetze gehören, wurde das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
(AÜG) geändert. Zwei Punkte sind dabei besonders
erwähnenswert:
Im AÜG wurde
festgelegt, dass LeiharbeiterIn-nen »für die Zeit der
Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb dieses
Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden
wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des
Arbeitsentgelts gewährt werden« muss – das bedeutet »equal
pay« und »equal treatment«.
Allerdings steht in dem Gesetz noch ein weiterer
einschränkender Absatz: Ein Tarifvertrag kann abweichende
Regelungen zulassen. Im Geltungsbereich eines solchen
Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und
ArbeitnehmerInnen die Anwendung der tariflichen Regelungen
vereinbaren.
Lohndumping durch Gewerkschaften?
Das heißt im Klartext, dass LeiharbeiterInnen um ihr Recht
betrogen werden können, wenn willige Gewerkschaften mit den
Menschenhändlern Dumpinglohn-Tarifverträge abschließen, um
gleichen Lohn zu verhindern! Die Arbeitgeberverbände haben
sich genau solche Gewerkschaften gesucht und bei der
Christliche »Gewerkschaft« Zeitarbeit und PSA entsprechende
Tarifpartner gefunden. Die DGB Gewerkschaften sahen ihre Felle
wegschwimmen und statt »equal pay« durchzusetzen, haben sie am
grünen Tisch ebenfalls Niedriglohntarife abgeschlossen. Der
äußerst geringe Organisierungsgrad von Leiharbeiterinnen und
die daraus resultierende Konsequenz, keine Berechtigung für
den Abschluss solcher Tarife zu haben, störte dabei
anscheinend wenig.
So ist es im Bereich Leiharbeit zu den umfassendsten
Flächentarifverträgen in Deutschland gekommen, die praktisch
alle Branchen betreffen. Für die meisten LeiharbeiterInnen
gelten die drei zentralen Niedriglohn-Tarifverträge zwischen
DGB und Bundesverband Zeitarbeit (BZA), DGB und
Interessenverband Zeitarbeit (iGZ) sowie CGZP und
Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister
(AMP).
Das Absurde dabei ist, dass so auch Mitglieder von
Gewerkschaften die keinen Tarifvertrag abschließen wollen, wie
die FAU, die Dumpinglohn-Tarifverträge einfach in den
Arbeitsvertrag geschrieben bekommen, obwohl »Leistungen« aus
Tarifverträgen eigentlich nur Mitgliedern der abschließenden
Gewerkschaften zustehen!
Der Bundesverband Zeitarbeit stellte im Übrigen auf seiner
Webseite fest, dass die Tarifverträge mit den DGB
Gewerkschaften unbedingt nötig gewesen seien, »weil
Kundenbetriebe infolge des equal pay und equal treatment
Grundsatzes auf den Einsatz von Zeitarbeitnehmern verzichtet
hätten. Die Dienstleistung Zeitarbeit wäre zu teuer geworden
und (...) wäre in der Praxis nicht akzeptiert worden.«
Die neue
EU-Leiharbeitsrichtlinie
Im Oktober 2008 wurde mit der »Zeitarbeitsrichtlinie« der
erste Teil der neuen EU Arbeitsregelungen vom Europaparlament
beschlossen. LeiharbeiterInnen sollen vom ersten Tag an
grundsätzlich die gleichen Rechte in den Betrieben bekommen
wie die fest angestellten KollegInnen. Analog zu Deutschland
kann jetzt auch in Europa diese Gleichstellung verhindert
werden, wenn willige »Gewerkschaften« mit den Bossen
Verschlechterungen durch einen Tarifvertrag vereinbaren.
Aktueller Stand
Derzeit sind die Entgelttarifverträge zwischen der DGB
Tarifgemeinschaft und BZA/iGZ gekündigt, der BZA wollte
minimale Erhöhungen der Löhne nicht verhandeln. Jetzt ist ein
juristisches Gezerre im Gang, ob diese Tarife nachwirken, oder
seit dem 01.01.2009 ausgelaufen sind. Der Christen
»Gewerkschaft« wurde in der ersten Instanz (Amtsgericht
Berlin) die »Tariffähigkeit« abgesprochen, womit ihre
Tarifverträge möglicherweise rückwirkend ungültig sind und den
LeiharbeiterInnen Lohnnachzahlung zustehen würden.
Wie auch immer diese Auseinandersetzungen ausgehen, für uns
steht fest, dass dieser Menschenhandel beendet werden muss,
denn branchenübergreifendes Lohndumping für einige führt
mittelfristig zu schlechterem Lohn für alle!
Den Stammbelegschaften und allen (Noch-) Festangestellten muß
klar sein, dass es auch sie treffen könnte und dann für viele
nur noch Arbeit unter prekären Bedingungen, wie z.B. in der
Leiharbeit bleibt.
Darum jetzt....
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Abschaffung der Leiharbeit!
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Übernahme
aller LeiharbeiterInnen, die es wünschen in die
Entleihbetriebe.
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Vollständige Nachzahlung der Lohnanteile seit 1. Januar 2004,
entsprechend dem Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit,
an alle LeiharbeiterInnen, die nicht Mitglieder der
tarifgebundenen Christlichen »Gewerkschaft« und der DGB
Tarifgemeinschaft sind.
Editorische
Anmerkungen
Der Artikel erschien am 22.09.2009
bei Indymedia. Wir spiegeln zu Dokumentationszwecken.
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