DIY- Von Anarchie
und Dinosauriern


Aus dem Bauch der Bestie

von
Guy Fawkes

10/07

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onlinezeitung
Als Jugendlicher trug ich einen Sticker am Revers, der ging so „Dinosaurier! Ausgestorben! Zuviel Panzer – zuwenig Hirn!“ Sticker haben wahrlich wenig Platz für Text – die komplexe Realität muss in ein Agitprop-Werbeformat und dafür eignet sich gerne ein Analogon, ein Gleichnis. Erfolgreiche Ideologien wie ganze Religionen bedienen sich eifrig dieser rhetorischen Formel, die eingängig macht, was sonst Nachdenken erfordern könnte. Im besten und leider seltenen Fall beginnt nach einem kurzen Auflachen ein Erkenntnisprozess. Die „Curious George Brigade“, „Crimethinc“ und „Co-Conspirators“ – drei Autor_innenkollektive aus der us-amerikanischen Anarcho- und Kulturszene verfassten 2006 „anstatt eines Manifests“  einen Titel „Do it yourself - DIY – Von Anarchie und Dinosauriern“ der das Anfangs genannte Prinzip auf knappe 200 Seiten aufbläst.  

 

Was macht das Erscheinen dieses Buch so interessant? Bücher aus dem Anarchospektrum sind meist dünn und theoretisch-reflektorisch traditionell oft schwach. Aber nach der Götterdämmerung des real-exorzierten Sozialismus verbleibt in der außerparlamentarischen Restlinken eine diffuse Anti-G8-Multitude mit einem von den Medien konturierten schwarzen Block. Mitten im Bauch der Bestie (USA) existiert eine radikale, eher anarchistisch-orientierte Community und aus diesen Reihen tritt dieses DIY als Anarcho-Label in die Öffentlichkeit. Erste „Affinity-Groups“ in Germoney benennen sich „DIY“. Es existieren Pins, Aufnäher, T-Shirts Typ „Girlie“ mit dem Emblem. Relativ cool und geschichtlich relativ unbeschadet dräut nach der „roten“ Abenddämmerung der Moderne die „schwarze“ Nacht der hybriden Postmoderne - um in der rhetorischen Grundformel des Buches zu verbleiben. Vielleicht macht das Credo des Buches, das bereits auf der Rückseite zu lesen steht, neugierig: „Wenn du dich für Anarchie interessierst, dann vergiss den Spanischen Bürgerkrieg und all die alten Männer mit ihren langen Bärten und ermüdenden Theorietraktaten.“ Das wird auch eine Post-Autonome Szene in Berlin interessieren, die sich bisher jeder Alphabetisierungskampagne mit Bier und Sprüchen widersetzt hat, ey wa –oder? Mal wieder ein Buch klauen? 

Dinosaurier ABC, Chaostheorie & Mythos 

Es beginnt mit einer sprachlich ziemlich holprigen Kindergeschichte: Kleinere Unterarten des Proletarius Maximus sind Dinosaurierarten wie der gefürchtete Klassus-Saurus, Anarcho-Commitarius oder der Syndicalcus. Sie messen sich mit den Raubsauriern der Gattung Capitalismusaurus. Aber alle diese alten Dinos sind dem Aussterben geweiht – haben keine Zukunft, auch die A-Dinos alter Schule nicht. Sie sind in ihren Merkmalen nicht zukunftsfähig, denn sie streben nach Masse statt nach Lebensqualität, sie sind dem Kontrollwahn verfallen, im Effizienzwahn – der nicht effektiv ist, produzieren Expertentum statt echte Individualität. Das Ende der Dinosaurier sehen die Autor_innen in naher Zukunft und das stellt für die Autor_innenkollektive der Beginn des anarchischen Lebens dar. Naja – eigentlich - das beginnt sofort – hier und jetzt! Mitten im Kapitalismus und gegen ihn. Sie haben das Chaos auf ihrer Seite, setzen auf das Glück und werden in einem vom Staat und seinen Repressionsorganen unbemerkten oder unterschätzten Augenblick zuschlagen – mit „Anarcho-pride“ wohlgemerkt! Sie werden sein wie der Schmetterling, der den berüchtigten Tornado erzeugen kann. Die Bärtigen unter uns werden just in diesem Moment tief Luft holen. Auch meine Beobachtung von Schmetterlingen oder Übungen z.B. beim Yoga führten eher in der Menge der Beobachtungen zu einem erschütternd nüchternen Ergebnis (nichts gegen Yoga – sehr entspannend!). Durch meine intensiven Bewegungen passiert weltweit eher wenig. Wenn doch diese „Curious George Brigade“ die Chaostheorie wenigstens gelesen hätte?! In ihr geht es vielfach um komplexe Systemkrisen, die sich in kritischen „Zuständen“ (nicht zu lösen von dem Begriff kritische Masse, hihi) umpusten lassen, danach funktionalistisch/evolutionistisch nach neuen Stabilitäten suchen. Systemtheoretisch müsste der Revolutionär das System „verstören“, aber Begriffe wie Masse wollen und die CGB müssen sie ja meiden. Permanent versucht das Buch ein „Bewegungs-Manifest“ zu sein und sich das Pseudo-dienliche und Bewegungs-Coole aus den postmodernen Theorien heraus zu brechen. Überschriften lauten: „Wir surfen auf den Fraktalwellen der Revolution“. Leider haben die AutorInnen oft nicht einmal den Schatten einer „lesenden Erkenntnis“, was Sie erschreckend erkennbar macht als eine verspätete Neuauflage der europäischen Autonomen in einem anderen US-angelsächsischen No Label-PostPunkLabel-Gewand. Handeln ist ihre Domäne, Leben in vielfältigen solidarischen Gemeinschaften und Affinity-Groups. Insofern sind sie sehr wohl Ausdruck postmoderner Bestrebungen, aber die erreichte Meta-Ebene liegt in diesem Buch weit unter den Erkenntnissen der bärtigen Vertreter, die sich nicht erhoben, wenn die Königin der Briten den Saal betrat[1]. Nein – schlimmer! Ihre Suche nach den theoretischen Brocken, die sich vorgekaut, eingespeichelt und in oft auch noch biologistischen Analogons übersetzen lassen als Gleichnisse für die Beladenen ergibt in Summe eine (angestrebte?) Mythologisierung komplexer Analysen: eine oft ungenießbare Simplifizierung. Dabei bemerken Sie nicht, dass die Diskussion um Emanzipation und Evolution/Revolution auf den Universitätscampi dieser Welt das für die anarchistische Theorie so entscheidend wichtige „Ich-starke“ – „autonome“ Subjekt vergeblich sucht. Die AutorInnen lassen dem entsprechend auch kaum eine Gelegenheit aus, die „College-MarxistInnen“ und „AnarcholiteratInnen“ zu äh „bashen“ bei aller Vielfalt – die sie für sich einfordern. „Das Subjekt als Gespenst“ heißt demnächst ein Buch aus dem Unrast-Verlag, der auch DIY herausgebracht hat. Bitte Verleger, senden Sie ein Exemplar an die US-Kollektive. Aber diese brauchen ja keine Theorie – sie sind! 

„Unsere Kampagne heißt Leben“ 

Es ist ja eben nicht so, das das schwarze Gespenst nicht auch ein Kind der Aufklärung und der französischen Revolution wäre. Die neuen DIY-Anarchos analysieren Theorie als Feind des Lebendigen, wollen die Meta-Reflektion, die Offenlegung komplexester Machtverhältnisse und deren gedankliche Fassbarkeit/Überwindung nicht – rufen zur Tat. Wenn Sie doch ihre „eigene“ Geschichte wahrnehmen würden. Die „Propaganda der Tat“ ist … aus dem 18/19ten Jahrhundert[2] oder als Anleihe bei Goethe: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut – also im schlimmsten Maße idealistisch und moralinsauer. Die Direct-Actions sind also alte Hüte in neuem Verbalcode: Es lebe die Vielfalt und der „Global-Action-Day“ – Es lebe die Anarchie! Das war’s – mehr steht nicht drin – wer mehr erwartet wird enttäuscht. Neben der fast unerträglich-infantilen, selbstgefälligen Inszenierung als postmoderne „Hybride“ ist gerade dieses Patchwork aus heraus gehobelten Modewörtern aus Chaos- und Systemtheorie entweder schier unerträglich oder – als eine echte Alternative – mensch nimmt es mit Humor, das dem Werk von sich aus komplett fehlt:

Bei aller vorgeblichen Vielfalt (der Vereinnahmung, da tun mir die Zapatistas leid, die werden als Teil des DIY-Kontinuums angeführt. Oh sie sind mehr als das, oh Holloway[3]) treten diese drei Kollektive den Beweis an - Herbert Marcuse hatte mit seinem „Eindimensionalen Mensch“ und der „repressiven Entsublimierung“  erbarmungslos Recht! Die eindimensionale, auf globales Wachstum codierte instrumentelle Vernunft manipuliert Körper und Köpfe. Auch Kritik und Kunst werden durch Vereinnahmung unwirksam gemacht. Jeder subversive Gedanke wird medial eingeebnet durch die Regressionsorgane und ins technische System integriert. Übrig bleibt der eindimensionale Dissident als Anarcho-Clown. Marcuse nannte diesen Prozess: repressive Entsublimierung. Statt auf der Basis der Technik, den Menschen von entfremdeter Arbeit zu entbinden, spannt sie ihn immer raffinierter für ihre Wachstumsziele ein. Die hybriden DIY-Anarchos von Heute können kein wirkliches Außen mehr denken, ihre Argumentationsfolgen leben den „Geist der Effektivität“ und der Angstgegner ist das „Burn-out-Syndrom“ auf  der Widerstandsinsel. Entschleunigen Sie – Seattle-Kid! Halten Sie Inne! Herbert Marcuse zum Ersten! DIY performed Widerstandsinseln, Mr. und Mrs. Robinson proben das Leben im Tauschrausch. Marx lachte schon über solche „Robinsonaden“. Zu Recht! Die Ur-Gesellschaft ist vor dem Einzelnen entwickelt. „Leben, einzeln und frei“ ist durchsetzt von bürgerlichen Setzungen eines widerlegten Naturrechts. Das cartesianische Subjekt[4] hat hintereinander schwerste Kränkungen erleben müssen. Spätestens mit Freud wissen wir, dass das Ich nicht alleine Herr im Haus ist.[5] Das sozialdemokratisch/ge­werkschaftliche Soma[6] hat den unruhigen Proletarier beruhigt, birgt zwar depressive Symptome, ist aber „lebbar“. Michel Foucault zum Zweiten! Eingewoben, gekauft, verführt und eingesponnen in Dispositive der Macht spüren die Menschen zwar Angst und Deformationen, Enteignungen, Zumutungen der von außen an sie herangetragenen Identifikationen, einige deklarieren sogar zornig die Dissidenz, aber selbst die ironische widerständige Distanz gehört zum Spiel des Establishments. Schlimmer – sie ist vom System gefordert. Wer den Herrschenden einfach glaubt, ist ja wohl völlig verblödet![7] Schon die grinsenden Fassaden deutscher Comedydarsteller sind bösartiger als die Anarcho-Clowns des DIY. Alles – nur kein Opfer sein! Der außerparlamentarische Arm der Bündnis90GrünenCDU „Attac“ sorgt für die Sorgenfalten, der schwarze Block gefällt sich und den Medien. Militanz ist eben NICHT Radikalität … Von Michel Foucault könnten die DIYs erfahren, dass ihr Gebilde sich Heterotopie nennt und welche strukturellen Konsequenzen es birgt.[8] 

Postmoderne anarchistische Theorie 

Wir sehen, wie die strukturelle Gewalt des herrschenden Systems in Territorium D Exklusivitäten hervorbringt in der privilegierten Zone 1 und 2 – in den beiden oberen Drittel dieser Gesellschaft. Auch Frauen und Kinder werden seit ca. 30 Jahren als Konsumenten „emanzipiert“ und der repressiven Entsublimierung zugeführt: „Ally McBeal“ und „Sex and the City“ schaffen den pseudointelligenten Phänotyp eines grenzdebilen, aber humorvollen und begrenzt selbstironischen Vollblutkonsumenten. Eine Dressur wird als solche von vielen Zeitgenoss_innen nicht mal erkannt, wenn Sie medial zelebriert wird: Heidi Klums „Germanys next Topmodel“, Casting- und Rankingwahnshows allerorten und Bildung ist, wenn Sie bei „Wer wird Millionär“ die 16000 Euro-Linie als Kandidat überschreiten. Wie sprach Hape Kerkeling einst? Das Leben ist ein Quiz und wir alle sind nur Kandidaten. Der „anarchistische Impuls“/der Schrei – eine Propaganda der Tat – wäre vielleicht die Szene zu wiederholen – die in dem meist diskutiertesten anarchistischen Film der 70er Jahre zu sehen ist: Der Fernseher fliegt aus dem Fenster. Ein „urgewaltiger“ Laut tönt über den Dächern der Seine-Metropole – „Themroc“. Der Film brachte Intellektualität auf die Leinwand, gerade weil er sich des Sprachcodes entzog. In diesem Film gibt es keine Sprache – nur Urlaute, das Abjekt (s.u.) performed. Michel Piccolis Film zeigte die Formatierung im Arbeitsprozess, den Fetischcharakter der Ware, die Unerträgliche Seichtigkeit des Kaumseins, Ritual an Ritual. Also – wer wirft als erstes sein schickes Laptop, seinen Plasmafernseher aufs Pflaster, tritt den Affinity-Groups der Anarcho-Community bei und lebt mit „pride“!? Hmh – Sie zögern …

In Deutschlands Werbefilmen heißt es dagegen sehr erfolgreich: „Entdecke den Spießer in Dir!“ Dazu ist nicht viel nötig in diesem Land. Im Gegensatz zum Akt der Zerstörung der flimmernden Käuferbindung ist das Ja zum „schönerem Warenleben“ in der Gemeinschaft der Vereinzelten leicht zu haben. Der weichgespülte Konsens ist nicht da, wo die Anarcho-Community ihn gerne hätte, woran liegt das? Das Heft „DIY“ will mir erklären, das die Metropolen der Welt von ihren Rändern her lernen können. Mit ganzer Inbrunst würden Legionen von Flüchtlingen aus der Provinz eine Hymne mit den DIY´s singen, warum eine städtische Metropole Sinn macht: Stadtluft ist heute stickig – macht aber immer noch freier! Aber halt! Die Gutmenschen[9] aus dem Bauch der Bestie singen ein seltsames anderes Lied: Unsere progressive Zukunft liege in den Konventionen heutiger Slums! Dort destillieren die Autor_innen aus den vielen Nothilfe- und Notwehrmaßnahmen der Bewohner doch tatsächlich das solidarischen Prinzip der effektiven gegenseitigen Hilfe heraus und die Krönung der DIY-Metropole ist: „Neueste Studien in Mexico-City und Hongkong zeigen, dass BarackensiedlungsbewohnerInnen nur 0,5 % der durchschnittlichen  Müllmenge von StadtbewohnerInnen produzieren.“ Im Gegenteil: „Totalrecycling gehört zum Überleben.“ (aus: Die DIY-Metropole) 

Der „Schrei“ bei Holloway, Tucholskys „Nein“, die Kraft der Negation ist nach wie vor weltweit spürbar. Doch was führt aus der Sackgasse? Was wäre gar die doppelte Negation! Die Macht- und Herrschafts-Analysen sind gar nicht so schlecht, die es von den „Campus-MarxistInnen“ und „Anarcholiteratinnen“ zu lesen gibt, der Weg raus ist allerdings nur ungenau konturiert. Du sollst Dir kein Bild von Gott machen, materialistisch ersetzt hieß das Utopieverbot! Die Allmacht der Dialektik war eine intellektuelle Falle, der Ungehorsam der historischen Phänomene hat sie entmachtet. Trotzdem: einfach(es) Leben ist „Dünnschiss“ und Weitermachen wie bisher mündet in einer oligarchischen Technokratur + Slums + Widerstandsnester. So fehlt die Alternative! Die AnarchistInnen hatten dafür selten einen Plan – „die Fesseln werden fallen“[10] – dann sehen wir weiter. Solidarisches Leben in Wagenburgen oder Favelas zu idealisieren oder gar als Alternative zu propagieren ist schon gewagt. Die AnarchoprimitivistInnen (umstrittener Teil der Vielheit der DiY-Communities) werden jetzt den Finger heben und den „Zivilisationsfehler“ zurückdrehen wollen als Lösung. Dazu nur eine Anmerkung: „Finger weg von meinem Laptop!“ Ich trete ein für ein zukünftiges Menschenrecht auf elektronische Kommunikation, gegen jede Exklusivität. Die Romantisierungen menschlicher Verhältnisse, die auf die Teufel „Elektrizität“, „Hygiene“, „Ackerbau und Viehzucht“ zeigen sind Ausgeburten esoterischer Romantiker. Wir brauchen also eine radikaldemokratische Umwälzung mit gleichzeitiger Befreiung von schwerer, gesundheitsgefährdender Arbeit und eine nachhaltige, sensible Gestaltung von „Mutter Gaya!“ Zu diesem Komplex wird der suchende, lesende Mensch mit Phrasen traktiert, die einen zwischendurch auch mal richtig wütend machen können. 

Ein Lichtblick sind Menschen, die den „anarchistischen Impuls“ nach größtmöglicher Selbstbestimmung auch intellektuell aufpeppen wollen (siehe http://www.postanarchismus.net ). Ein Glück, die gibt es auch … noch. Selbst im bösartigen totalitären Warenuniversum der glücklichen Entfremdung gibt es widerständiges Potential und der Erfolg gerade einer nur sehr schwer verständlichen kulturkritischen Theorie macht die Macht der kritischen Intellektualität klar. Judith Butlers Werke bestechen durch ihre philosophische Schwere. Der einfache Zugang ist versperrt – da kommt mensch nur durch kontinuierliche Bildung ran – Halbbildung wird zurückgeworfen. Aber es ist ein emanzipatorisches Substrat enthalten, das die Menschen lesen lässt und dann handeln. Analyse und Praxis! Theoriefeindlichkeit versperrt auch den Weg zu radikalem Handeln. Die Theorie der Performativität ist z.T. ihr Werk – sie hat mit ihren Büchern (Unbehagen der Geschlechter/Psyche der Macht) eine verqueere Generation mit ins Leben gerufen die schräg zum Mainstream steht. Dabei ist sie nicht blauäugig – hier gibt es kein Glücksversprechen. Das Wort Diskursanalyse ersetzt zunehmend die gute alte Ideologiekritik. Worum geht es bei der postmodernen – der Tendenz nach – vielleicht „anarchistischen“ Theorie? Es ist die Suche nach emanzipatorischen Kernen und Wegen sie „freizusetzen“, zu performen ohne andere dabei zu erniedrigen oder zu beschädigen. Das revolutionäre „Abjekt“[11], das verworfene Leben lebt im Schatten der vielgestaltigen Herrschaft und seiner/ihrer Melancholie. Manchmal „performed“ es „Do it yourself“ - Bücher. Ich ziehe ehrliche traurige Tropen© vor!

Anmerkungen

[1] Es wird vom bärtigen Fürst Kropotkin berichtet, dass er das Privileg hatte sitzen zu bleiben, wenn Her Majesty den Raum betrat.

[2] Dem Sinn nach natürlich noch älter! „Tyrannenmord“ als symbolisches Handeln ist ein Topos der Antike (Platon). Brutus, der edle Held der römischen Republik, liebte Cäsar und wusste doch, dass er ein Signal für das Volk setzen musste. In der revolutionären Aufklärung Frankreichs handelte der „Wohlfahrtsausschuss“ mit der Propaganda der Tat. Kaum etwas war wirksamer als die Formel: „Der König ist hingerichtet!“ Der Slogan als anarchistische Formel wird in Deutschland erst durch Johann Most populär, um ca. 1870

[3] John Holloway, Prof. an der Universität von Mexico-Stadt und Mittheoretiker des Zapatismus

[4] René Descarte schrieb das „Cogito, ergo sum“. Die Grundlegung der Vernunft der Moderne. Selbstbestimmung ist an dieses Bild des abwägenden Steuermannes gekoppelt – an das „Erkennen“ und dann als Individuum/Subjekt handeln.

[5] Negt & Kluge haben in ihren besseren Zeiten (Geschichte und Eigensinn) den „Imperialismus nach Innen“ hergeleitet.

[6] Soma – Glücksdroge aus Aldous Huxleys „Schöner neuen Welt“

[7] Da lacht selbst der Innenminister!

[8] Als Heterotopie wird in der Medizin die Bildung von Gewebe am falschen Ort bezeichnet. Entsprechend will Foucault die Heterotopie als das Andere in der Gesellschaft verstanden wissen: ein Ort, der in einem besonderen Verhältnis zur Gesamtgesellschaft steht. Gegenstand der Heterotopologie können Orte sein, die von einer Gesellschaft errichtet wurden, um das Anor­male besser kontrollieren und bestenfalls disziplinieren zu können. Es können darüber hinaus Orte sein, die sich allein der Lust, der Schönheit oder dem Widerstand verschrieben haben, Orte, die nur solange »toleriert« werden, wie sie kein »öffentliches Ärgernis« oder gar eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. (Zitat aus Martin Chlada: In Heterotopia, Jungle World 02/2006)

[9] Mit Gutmenschen werden von mir solche Menschen bezeichnet, die sich aktiv für das Gute einsetzen, allerdings mehr im Sinn von Aktionismus und im Endeffekt gar nichts erreichen oder gar mehr Schaden anrichten. Setzen sich für die Moral immer nur über die Sittsamkeit und die Tabuisierung und in Richtung Bestrafung der Bösen ein. Dass das nie funktioniert, ficht sie nicht an. Die Zusammenhänge sind ja auch zu kompliziert für sie, auf die Idee, dass sie durch ihre Unterlassungen und Verblendungen auch schuldig sind, kommen sie nie... vgl. die Tugendhaften/ der gute Mensch bei Nietzsche.

[10] Die Diskussion um den nachrevolutionären neuen Menschen findet sich bei den „Bärtigen“ Alexander Berkman (Schnauzer), aber auch bei Erich Mühsam (Vollbart). Die Anarchokommunisten, die anderen interessieren mich eh nicht, müssen in ihrem Revolutionskonzept ohne „sozialistische Zwischenphase“ direkt das soziale Erbe der alten „Ordnung“ antreten. So sehr ich Erich Mühsam schätze – an dieser Stelle erscheinen die Besten der Anarchos im besten Sinne als geistesverwandt zu den Mormonen. Siehe Gutmensch.

[11] ab|jekt <aus lat. abiectus "nachlässig hingeworfen, verworfen", eigtl. Part. Perf. von abicere, vgl. →abjizieren>: verächtlich. ... bereits als Begriff im Duden eingetroffen.

© vgl. Claude Levi-Strauss: „Traurige Tropen“. Der französische Ethnologe machte sich auf die Suche nach dem ursprünglichen Menschsein im Amazonas. Als er endlich den lang gesuchten Indianerstamm fand, war dieser auf dem Weg in die nächste Stadt, um sich endgültig der westlichen Konsumkultur und „Entfremdung“ anzuschließen. Gleichzeitig zerstört das Buch das Bild des „Guten Wilden“

 

Curious George Brigade, Crimethinc, Co-Conspirators
DIY  Von Anarchie und Dinosauriern
übersetzt und mit einem Nachwort versehen
von More Than Just Music Brigade
Ausstattung: br., 216 Seiten
Preis: 12.00 Euro

UNRAST Verlag