Die Tränen des AfD Mitbegründers Bernd
Lucke (1) vom Parteitag
in Essen waren gerade eben getrocknet, da heißt es, der „liberale
Flügel“ der Alternative für Deutschland (AfD)
sei endgültig gescheitert und wir müssten uns nun auf eine Art
„NPD im Schafspelz“ vorbereiten — und die Mitglieder um den
Weckruf2015 (2)
stimmen eifrig ein. Diese Erzählweise verdeckt die Tatsache, dass die
AfD nie die demokratische Partei war, als die sie gemeinhin
dargestellt wird, und auch eine aus dem Weckruf2015 hervorgehende
neue Partei wird das nicht sein (3).
Der Liberalismus hat
Kulturen untergraben. Er hat Religionen vernichtet. Er hat
Vaterländer zerstört. Er war die Selbstauflösung der Menschheit.
Arthur Moeller van den Bruck (Vordenker der
konservativen Revolution) in „Das Dritte Reich“
Die AfD beschreibt sich gerne als
eine „nationalliberale Partei rechts der CDU“. National?
Keine Frage: Autoritäre Ordnungsphantasien, Kulturalismus und
Klassismus sowie eine ablehnende Haltung zur Moderne im allgemeinen.
Aber liberal? Während es in anderen Ländern — wie z.B. der USA —
durchaus liberale Strömungen (4)
gibt, die sich für persönliche Freiheitsrechte einsetzen, ohne
zwangsläufig eine linke Wirtschaftspolitik anzustreben, hat
persönliche Freiheit in Deutschland keinen hohen Stellenwert. So
müssen wir hier „liberal“ auf „wirtschaftsliberal“ reduzieren — auch
„die Liberalen“ der FDP haben selbst in den wildesten Jahren des
vergangenen Jahrhunderts selten etwas anderes darunter verstanden.
Besser noch trifft es jedoch der Begriff des Ordoliberalismus.
Neoliberalismus auf Deutsch
Der Ordoliberalismus ist
gekennzeichnet vom vollständigen Bruch mit dem Wurzeln des
politischen Liberalismus, während das wirtschaftsliberale Element
verabsolutiert und zu einem autoritären Liberalismus verdichtet
wird. Ralf Ptak
Der Ordoliberalismus ist quasi die
deutsche Eigenart des Neoliberalismus — auch hier geht es um den
Rückbau des Staates und die lückenlose Ökonomisierung der
Gesellschaft. Bei allem Willen zur Privatisierung und
Wirtschaftsfreiheit wird hier allerdings darauf geachtet, dass der
Staat — ganz Leviathan (5)
— stets die lenkende Kraft bleibt. Vor allem aber stellt er die
Grundsätze des Liberalismus auf den Kopf — was für das Programm der
AfD ganz besonders zutrifft: Nicht Gleichheit und persönliche
Freiheiten sind hier die Grundlage der Marktwirtschaft, sondern es
gilt einem Grundzustand der Unfreiheit durch das Erlangen von
Privilegien zu entkommen.
Nun mag eingewendet werden, dass
sich die AfD damit gar nicht sonderlich vom Amalgam (6)
der anderen Parteien unterscheidet — vielleicht mal abgesehen von der
Linkspartei, wo noch Vorstellungen von „Sozialstaat“ und
Links–Keynesianismus (7)
zu finden sind oder einiger rechter Kleinstparteien, die sich auf den
linken Flügel der NSDAP berufen — doch da wo andere aufhören, fängt
die AfD erst an…
Klassenkampf von oben & konservative
Revolution
Das antiliberale und antiegalitäre
(8) Programm der AfD
bleibt meist unbeachtet, doch gerade hier wird deutlich, dass es sich
bei der AfD eben nicht um eine „demokratische Partei“ mit
rechtspopulistischen Tendenzen handelt — was schon Scheiße genug wäre
— sondern um eine, die auch vor antidemokratischen Umbaumaßnahmen
nicht zurück schreckt.
Die konsequente Umverteilung von
unten nach oben gepaart mit den Bemühungen, Klassengrenzen zu
konservieren, anstatt sie zu verwässern oder zu verdecken, ist in der
Parteienlandschaft bislang einzigartig. Diesen ausgeprägten
Elitarismus (9)
kombiniert die AfD mit einem Antiparlamentarismus der teilweise
faschistische Tendenzen annimmt: Der Demokratie und der
Gewaltenteilung überdrüssig, wird sich auf Führungseliten fixiert und
konsequent gegen Gleichstellung, Mitspracherechte und Teilhabe
gewettert. Bereits 2005 forderte u.a. Bernd Lucke im
„Hamburger Appell“, drastischen Sozialabbau:
eine Verbesserung der
Arbeitsmarktlage [ist] nur durch niedrigere Entlohnung der ohnehin
schon Geringverdienenden, also durch eine verstärkte Lohnspreizung,
möglich […]. Eine Abfederung dieser Entwicklung ist durch
verlängerte Arbeitszeiten, verminderten Urlaubsanspruch oder höhere
Leistungsbereitschaft möglich.
Konrad Adam — wie Lucke eine
Führungsfigur der AfD — geht 2006 noch weiter und warnte in einer
Kolumne der deutschen überregionalen Tageszeitung DIE WELT davor,
dass die steigende Anzahl der vom Wohlstand ausgeschlossenen Menschen
(„Nettostaatsprofiteure“) zu viel Macht gewinnen könnte und
forderte deshalb: „Wahlrecht nur noch für Menschen mit eigenen
Einkommen“ — back to the roots sozusagen, mit einer postmoderne
Version des Wahlrechts nur für weiße besitzende Männer.
Auch wenn sich schon früh in der
Geschichte der AfD unterschiedliche Strömungen mit teilweise
gegenläufigen Interessen herausbildeten, kann festgehalten werden,
dass bereits zur Gründungszeit bei der sogenannten neoliberalen
Strömung (10)
sowohl Klassenkampf von oben sowie Merkmale der
konservativen Revolution vorhanden waren und diese sich mit
großer Sicherheit auch in einer „gemäßigten“ Abspaltungen wieder
finden werden.
Fraktionen
in der AfD
Im Laufe des Jahres 2013 entstand
die AfD über einige Umwege aus dem Kreis um Konrad Adam, Bernd Lucke,
Alexander Gauland u.a. früherer CDU Mitglieder. Programmatisch
standen hier noch vor allem die Anti–EU Position und eine neoliberale
und klassistische Wirtschaftspolitik im Vordergrund.
Die neoliberale Strömung
um Bernd Lucke, Hans–Olaf Henkel, Bernd Kölmel, Ulrike Trebesius,
Jörn Kruse, Joachim Starbatty und Alexander Dilger dominierte die AfD
zwar in der Anfangsphase, verlor dann aber konstant an Boden. Nach
einem kurzzeitigen Aufwind durch die so genannte
„Griechenland–Krise“ erlitt sie auf dem Parteitag im Juli 2015
in Essen eine deutliche Niederlage. Die Gruppierung um Lucke war von
Beginn an eher eine Riege der Führungsfiguren, als ein Spiegel der
Basis und versuchte sich nach dem Bedeutungsverlust in dem Verein
Weckruf2015 zu sammeln. In der Jungen
Alternative (JA) — der Jugendorganisation der AfD — ist die
neoliberale Strömung von Beginn an in der Minderheit und aktuell so
gut wie gar nicht mehr vertreten.
Die nationalliberale
Strömung um Frauke Petry, Marcus Pretzell, Alexander
Gauland, Konrad Adam und Sven Tritschler (JA–Vorstand) konnte seit
dem Parteitag im März 2014 deutlich an Beliebtheit zulegen —
„Schlappe für Bernd Lucke“ — und setzte sich auf dem Parteitag
im Juli 2015 endgültig durch, obwohl sie von den Stimmen der
neurechten Strömung abhängig bleibt. Da für viele Mitglieder der JA
die Übergänge zwischen dem nationalliberalen und dem neurechten Lager
eher fließend sind, ist es schwierig zu sagen, welche der beiden
Strömungen dort derzeit die Mehrheit stellt.
Die neurechte Strömung
um Björn Höcke, Hans–Thomas Tillschneider, André Poggenburg und
Markus Frohnmaier (JA–Vorstand) trat kurz vor dem Parteitag im
Februar 2015 erstmals an die Öffentlichkeit. Auf diesem Parteitag
wurde eine Satzungsänderung beschlossen, die es dem
Bundesparteivorstand erlaubt, Parteibeitritte rückgängig zu machen.
Diese Regelung wurde sofort genutzt, um die kurz zuvor erfolgten
Parteibeitritte von Götz Kubitschek und Ellen Kositza (beide Teil der
neuen Rechten 11) für ungültig zu erklären. Daraufhin veröffentlichte
Björn Höcke die Erfurter Resolution (in der u.a. das
Zusammengehen mit der neuen Rechten und PEGIDA gefordert wird) und
kurze Zeit später konstituierte sich diese Strömung auf dem
Kyffhäuser–Treffen unter dem Namen „Der Flügel“.
Auch wenn die nationalliberale Strömung derzeit noch die Oberhand
innehaben mag, ist sie auf die Zustimmung der neurechten Strömung
angewiesen, welche bereits erste Versuche unternimmt, die Führung zu
übernehmen und vor allem in der JA deutlich zulegen kann („Höcke
Jugend“).
Die klerikal–aristokratische
Strömung (12) um
Beatrix von Storch (Zivile Koalition) positioniert sich klar gegen
die neoliberale Strömung, besonders gegen Bernd Lucke. Sie spielt in
Schleswig–Holstein eine untergeordnete Rolle und ist bundesweit in
der JA kaum präsent.
Anfangs waren durchaus
Anhänger*innen sowohl der neoliberalen wie der
nationalliberalen Strömung in der JA vertreten,
dabei waren die nationalliberalen dem Antrags– und
Abstimmungsverhalten zu folge in der Mehrheit. Ebenfalls seit der
Gründung waren Änhänger aus dem Umfeld der neuen Rechten, der
„Identitären Bewegung“ (13)
und der sogenannten „Wutbürger*innen“ (14)
zugegen, so ergab sich früh eine starke rechts außen Mehrheit
innerhalb der JA.
Konservative Revolte
Ab Mitte 2014 nahm der Einfluss von
Vertreter*innen der neurechte Strömung im Zuge der
bundesweiten rassistischen Mobilmachung, der Erfurter Resolution
und dem Zugehen auf PEGIDA und NPD enorm zu. Die AfD war von Anfang
an für einen Rassismus der Marke Thilo Sarrazin (15)
offen, auch wenn sie sich lieber ethnopluralistisch (16)
äußert. Besonders Islamfeinschaft war verbreitet, hat aber im
Vergleich zu den Gründungstagen deutlich zugenommen. Selbst in dem
häufig als „Kernthema“ bezeichneten Bereich der Wirtschaftspolitik
werden neuerdings auch andere Töne angeschlagen (17).
Diese Verschiebung vom „staatsmännischen Nationalismus der Eliten“
hin zum „klassischen“ Rechts–Populismus lässt sich auch gut am
Beispiel der Jungen Alternative verfolgen:
In der JA arbeiten zur Zeit
Markus Frohnmaier (JA–Landesvorsitzender von
Baden–Württemberg) uns Sven Tritschler
(JA–Landesvorsitzender von NRW) eng zusammen. Beide haben ihre
Entsprechung in der AfD in Björn Höcke und Marcus Pretzell, der
wiederum Frauke Petry im Moment sehr nah steht. Dieses Bündnis hat
derzeit große Mehrheiten. Philipp Meyer (ehemaliger
Vorsitzender der JA) in der Jungen Freiheit (13.5.2015)
Ungefähr seit Ende 2014 war diese
Mehrheit so weit gefestigt, dass es zu Austritten und Rauswürfen von
Vertreter*innen der neoliberale Strömung kam. So wurde Philipp Meyer
vom seinen Posten als Vorsitzender der Jungen Alternative
suspendiert, nachdem er Björn Höcke öffentlich kritisiert hat. Auf
der Bundesversammlung der JA im Juni 2015 konnte sich die neurechte
Strömung endgültig durchsetzen: Sven Tritschler und
Markus Frohnmaier erhalten den Vorsitz über die Jungen
Alternative, Andreas Lichert wird Beisitzer.
Wir in der JA dürfen uns
mehr erlauben als die Mutterpartei. Dadurch kommt uns
beispielsweise die Funktion zu, Speerspitze im Kampf gegen das
Unterdrückungsinstrument der Politischen Korrektheit zu sein. Um
dieses Ziel zu erreichen, müssen wir bis Ende 2015 den
Strukturaufbau abschließen und auf Bundesebene die Angliederung
erreichen. Markus Frohnmaier in Eigentümlich Frei
(3.1.2015)
Vor Ort waren Alexander Gauland,
Frauke Petry und Marcus Pretzell. Björn Höcke
war als Redner eingeladen und wurden laut einem Twitter–Posting der
AfD Thüringen mit stehenden Ovationen begrüßt sowie mit „Höcke“–Rufen
und der Nationalhymne verabschiedet. Die JA wird zum bundesweiten
Sammelbecken der neuen Rechten und der „Identitären–Bewegung“ und
gibt sich offen für PEGIDA und NPD. Der Hype um Björn Höcke sorgt für
den Namen „Höcke Jugend“:
Von den derzeit aktiven
Politikern favorisiere ich eindeutig Björn Höcke. Der Mitstreiter
aus Thüringen bringt meiner Meinung nach alles mit, um diese
Republik nachhaltig zum Besseren zu verändern. Markus
Frohnmaier in Eigentümlich Frei (3.1.2015)
Was dieser durchaus zu schätzen
weiß:
Der Parteijugend bringe ich
daher nicht nur Sympathie entgegen, weil ich selbst noch das
Stürmen und Drängen in mir spüre, sondern weil ich von ihr die
Artikulation eines grundsätzlichen Anspruchs erwarte. Sie soll
sich, nein, sie muss sich als “institutionalisierte Suchbewegung”
verstehen. Äußerungen etwa des JA–Landessprechers von
Baden–Württemberg, Markus Frohnmaier, machen mir Hoffnung, dass
dieser Auftrag erkannt worden ist. Björn Höcke in der
Junge Alternative Zeitung, Baden–Württemberg (Dezember 2014)
Ein kurzer Blick auf den aktuellen
Vorstand der JA (Juli 2015): Markus Frohnmaier ist
einer der Führungsfiguren der „Höcke Jugend“ und Vertreter
der neuen Rechten in der JA. Sven Tritschler ist dem
rechten Rand der nationalliberalen Strömung zuzuordnen und
organisierte 2014 als Vorsitzender der JA in NRW ein Treffen mit dem
Chef der rechtspopulistischen UKIP (18),
an dem auch Marcus Pretzell teilnahm (und dafür abgemahnt wurde).
Andreas Lichert ist mit seiner
„Projektwerkstatt“ in Karben Bindeglied zur „Identitären
Bewegung“ und eine Führungsperson des Vereins für
Staatspolitik in Gera, der die rechts–intellektuelle Zeitschrift
„Sezession“ herausgibt. Als Björn Höcke ihn zum Referenten
der AfD–Landesfraktion Thüringen machen wollte, scheiterte dies am
Widerstand von drei Parteikollegen, die kurze Zeit später die
AfD–Fraktion auf Druck von Höcke verlassen mussten. Auch nach
Licherts Wahl zum Beisitzer in den Vorstand der AfD Kreis Wetterau
(in Hessen) kam es aus Protest zu Rücktritten von lokalen Mitgliedern
der AfD.
Ebenso deutlich sieht es
mittlerweile im Bundesvorstand aus: Im Vorfeld des Parteitags in
Essen gründete sich die „Initiative Bürgerliche AfD“
(IBA), um die rechte Lucke Gegner*innenschaft zu sammeln. Fünfzehn
von zwanzig gewählten Personen des neuen Vorstandes stammen von einer
zuvor von der IBA veröffentlichten Wahlliste. Die anderen fünf u.a.
aus den religiösen Flügeln der Zivile Koalition und des
Pforzheimer Kreis. Andere stehen noch weiter rechts, wie Thomas
Seitz (ehemals „Die Freiheit“, eine rechtspopulistische Kleinstpartei
mit islamfeindlichem Schwerpunkt) oder Alexander Heumann
(PEGIDA–Initator aus NRW). Auch André Poggenburg, Initiator
der Erfurter Resolution, hat es in den Vorstand
geschafft, ebenso wie einige ihrer Unterzeichner, z.B. Alexander
Gauland. Auffälig ist, dass Konrad Adam — einer der
Gründer und Sprecher der AfD — nicht vertreten ist, diese AfD hat für
ihn keinen Platz mehr.
Weckruf
und Austritte
Als Reaktion auf die Entwicklung
nach rechts — oder als Reaktion auf den Machtverlust — sammelte sich
die Riege um Bernd Lucke schon vor dem Parteitag in Essen in
dem Verein Weckruf2015. Nach der Niederlage gegen
Frauke Petry entstand mit Neustart2015 eine
Bewegung zum Austritt und zur Gründung einer neuen Partei:
Deutschland braucht eine
seriöse Alternative zu den Altparteien! Die AfD hätte diese
Alternative sein können. Aber seit dem Essener Parteitag ist die
AfD in die Hand von Demagogen und Wutbürgern gefallen, die mit
offen islamfeindlichen, antiwestlichen, nationalistischen und
latent ausländerfeindlichen Parolen Stimmung machen. Das widert uns
an. Deshalb haben wir die AfD verlassen. Wir möchten alle
redlichen, anständigen AfD-Mitglieder bitten, es uns gleich zu tun.
Der Massenaustritt der letzten Tage spricht eine deutliche Sprache:
Die AfD ist verloren. Die große Austrittswelle hat aber den
Vorteil, dass wir die rechten Phrasendrescher, die
Verschwörungstheoretiker, die Querulanten, Intriganten und
Karrieristen nun achtlos zurücklassen können. aus dem
Aufruf zur Neugründung von Weckruf2015
In den ersten zwei Tagen nach dem
Parteitag traten mehr als 600 Mitglieder aus. Laut Neustart2015
haben von den bundesweit etwa 21.000 AfD Mitgliedern bereits mehr als
2000 ihren Austritt angekündigt. Darunter auch prominente
EU–Parlamentarier*innen wie Hans–Olaf Henkel, Ulrike Trebesius, Bernd
Lucke, Joachim Starbatty und Bernd Kölmel.
Unter den auf der Webseite von
Neustart2015 gelisteten austeige–willigen finden
sich auch Namen aus Schleswig–Holstein (fast 900 AfD Mitglieder, ca.
80 aus Kiel). Jannick Joost (Kreisvorsitzender in
Neumünster), Vorstand des Vereins Weckruf2015,
verschickte den „Aufruf zur Neugründung“. Joost fiel in der
Vergangenheit dadurch auf, dass er Polizist*innen auf
Antifaschist*inen hetzte. Weiter finden sich dort u.a. Walter
Helbig (Stellvertretender Landesschatzmeister SH) und Hauke
Rathjen (Beisitzer des Landesvorstands SH). Andere Beisitzer wie
Friedrich Osthold, Harald Redemann, Jürgen Rust
und Hans-Joachim von Berkholz stehen noch nicht auf der
Liste, unterstützten aber den Weckruf2015. Ob
Kay Albrecht — der 2013 wegen geschichtsrevisionistischer
Aussagen für Aufsehen gesorgt hatte und sich im Gestapo–Outfit zeigte
— dabei sein wird, kann bezweifelt werden. Interessanter wäre, wie
sich Sven Schmidt (OB Kandidat in Neumünster) — der im
Wahlkampfe 2015 von Frauke Petry unterstützt wurde — verhalten wird.
Auch in der JA Schleswig–Holstein
regt es sich: Schon kurz vor dem Parteitag der AFD in Essen traten
Marvin Maack und Jan Hendrik Stange aus,
offizieller Grund war die fehlende Abgrenzung nach Rechts (vor allem
zur NPD). Beide bleiben vorerst weiter in der AfD. Bei der Nähe von
Marvin Maack zu Jannick Joost einerseits und zu
Sven Schmidt andererseits, kann bislang nur spekuliert werden,
wie es mit den beiden weitergeht. Dadurch bleibt von der ehemaligen
Führungsspitze nur Connor Tastesen übrig, der den
„Rechtsruck“ aktiv voran treibt. Unterstützt wird er dabei von
Hendrik Heiden und Teja Arne Teufel. Während Connor
Tastesen sich jenseits des Internets bislang meist bedeckt
hielt, nahmen Marvin Maack und Jan Hendrik Stange
an vielen Veranstaltungen teil, besuchten andere Verbände, leisteten
Vernetzungsarbeit und waren für nahezu alle Aktivitäten außerhalb des
Internets verantwortlich.
Eine rechte Zivilgesellschaft
Die Anzahl der Austritte aus der AfD
fällt bislang niedriger als erwartet aus. Zweifelslos gibt es jede
Menge Stimmen rechts der CDU zu gewinnen, besonders da viele
Rechtskonservative sich in Merkels neoliberaler CDU nicht mehr
wiederfinden.
Es ist vorstellbar, dass der
neoliberale Teil der AfD nun auf eine eigene Partei mit einem
„entschärften“ Programm setzt und um sich von der AfD abzugrenzen auf
all zu rechte Untertöne vorerst verzichtet. Auf den ersten Blick
könnte das Erfolg versprechen, gerade wenn der Fokus wieder auf
„seriöser & kompetenter“ Anti–EU Politik liegt. Eins der größten
Probleme der AfD war neben der ablehnenden Berichterstattung durch
die BILD, das Unbehagen großer Teile des ursprünglichen Klientels,
als „rechtsextrem“ gelabelt zu werden. Doch würde sich eine neue
Partei so auf lange Sicht selbst überflüssig machen: Die deutschen
Eliten haben mit CDU und SPD schon zuverlässige neoliberale Partner,
die ihre Interessen durchsetzen, ohne das sie sich dabei um
ideologischen Ballast Sorgen machen müssten. Viele Kernthemen der AfD
der Gründungstage sind längst übernommen worden. Der deutsche
Mittelstand hingegen ist durch völkischen Pathos und Bauchpinselei
eher zu beeindrucken als durch Zahlen und elitäre Programme — hier
sind starke Führungsfiguren gefragter als besserwisserische
Professor*innen.
Die verbleibende AfD ist was das
angeht besser aufgestellt, auch wenn ihr in einigen Landtagen
eventuell bald Handlungsfähigkeit droht und sie in den aktuellen
Umfragen so schlecht abschneidet wie lange nicht mehr. Ihr großer
„Verdienst“ ist es, die erste gesellschaftlich relevante
parlamentarische Sammelbewegung der neuen Rechten und der
„Identitären Bewegung“ geschaffen zu haben. Doch es stehen bereits
die nächsten Flügelkämpfe an. Auch inhaltlich kommt es zu Spannungen:
Der Grundsatz, sich mit einem deutlichen Bekenntnis zur
Marktwirtschaft zu den als „sozialistisch“ empfundenen „Pöbel“ um NPD
und Kameradschaftsszene abzugrenzen, wird durch die zahlreichen neuen
Mitglieder jenseits des Bildungsbürgertums zunehmend schwieriger zu
halten sein. Vor allem aber braucht es für politische Arbeit Geld und
das wird knapp, wenn die Großspender*innen fehlen.
Letztendlich ist es auch gar nicht
so entscheidend, welche der Parteien rechts der CDU sich wie
durchsetzen kann. Der große gemeinsame Erfolg der konservativen
Revolte liegt darin, genau das zu leisten, was weder die linken
Parteien noch die außerparlamentarische Linke geschafft hat: Eine
deutliche Verschiebung des neoliberalen Einheitskurses zu ihren
Gunsten — nicht unbedingt parlamentarisch, sondern vor allem im Kampf
um kulturelle Hegemonialität (19).
If worst
comes to worst
Wenn die SPD mit dem Programm
„Starke Ideen für Deutschland 2025“ den Rechtspopulismus
„sozialdemokratisch“ zähmen will, auf PEGIDA zu geht und eine härtere
Gangart gegenüber Griechenland fordert, als die AfD zu ihrer
Gründungszeit, dann erinnert das daran, wie 1993 das Asylrecht
de–facto abgeschafft wurde nachdem es zuvor in Rostock-Lichtenhagen
zu gelebtem Nationalismus und rassistischen Pogromen kam. Das rechte
Bewegungen es wieder schaffen, trotz parlamentarischer
Bedeutungslosigkeit die anderen Parteien vor sich her zu treiben und
mit reaktionären Antworten auf die Krise des Kapitalismus die
Bevölkerung auch gegen ihre eigenen Interessen in Stellung zu
bringen, liegt vor allem daran, dass die Bevölkerung bereit ist,
einiges zu ertragen, solange sie vom „Nationalen–Wir“ geadelt wird
und es anderen noch schlechter geht. Solange eine Linke diesen Bund
nicht bricht, wird sie es nicht schaffen, soziale Wirkungsmacht
aufzubauen.
die nationalistischen
Abenteuer der Dritten Internationale in Deutschland [gehören] mit
zu den Voraussetzungen des faschistischen Sieges. Man hat die
Arbeiter selbst zu Faschisten erzogen, indem man zehn Jahre lang
mit Hitler um den wirklichen Nationalismus konkurrierte.
Gruppe Internationaler Kommunisten (1935)
Als antifaschistische Bewegung
führen wir auf der einen Seite Abwehrkämpfe gegen reaktionäre
Ideologien, die die negative Aufhebung der kapitalistischen
Vergesellschaftung wollen (nationaler Sozialismus, politischer Islam)
und andererseits spielen wir die Feuerwehr, um den Auswirkungen der
Transformation der Zivilgesellschaft in der Krise etwas
entgegenzusetzen (hoffentlich ohne dabei die praktische Solidarität
mit all jenen, die davon betroffen sind, zu vergessen). Problematisch
daran ist, dass wir nicht auf eine breite linke Bewegung
zurückgreifen können, die dieser Transformation etwas entgegensetzt.
Im Gegenteil: die Linke hat durch
die Akzeptanz und nicht selten auch durch die aktive Verbreitung von
regressiver Kapitalismuskritik, Standortpatriotismus, Antisemitismus,
Nationalismus, Islamfeindlichkeit und Antiamerikanismus vielfach dazu
beigetragen, wichtige ideologische Voraussetzungen für den Erfolg der
neuen rechten Bewegung zu schaffen.
Editorische Hinweise
Wir spiegelten den
Artikel vom Blog der Gruppe, wo er am 13. Juli 2015 veröffentlicht
wurde. |