III. Konstantes
und variables Kapital
Aus der voraufgegangenen
Darstellung der Marxschen Mehrwerttheorie und der Kritik der „Lehre" vom Werte
der Arbeit ergibt sich, daß das Kapital ein bestimmtes soziales Verhältnis
zwischen der Arbeiterklasse und der Kapitalistenklasse in sich schließt.
Dieses Verhältnis ist aber kein Verteilungsverhältnis schlechthin, denn dann
gäbe es keinen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Proletariat und Bourgeoisie.
Im Kampfe um die Verteilung eines sogenannten „Sozialprodukts" der drei
Produktionsfaktoren und Produktionsagenten könnte sogar Interessengemeinschaft
der Industriekapitalisten und der Arbeiter gegenüber den Handelskapitalisten,
Bankiers usw. offenbar werden, so z. B. haben die Industriekapitalisten und
die Arbeiter das gemeinsame Interesse, daß vom gesamten Produkt den
Handelskapitalisten usw. ein möglichst kleiner Teil zufällt, weil dann der
für die „Verteilung" unter Unternehmer und Arbeiter zur Verfügung stehende
Teil um so größer sein wird. Die Verteilungsauffassung schließt also
grundlegende Klassengegensätze aus.
Das Kapitalverhältnis ist
aber ein grundsätzlicher, unversöhnlicher und unüberbrückbarer
Klassengegensatz, der nur vom Marxschen Standpunkte aus erklärt und verstanden
werden kann. In der bürgerlichen Gesellschaftsordnung ist der
Lohnarbeiter kein selbständiger Produzent, er ist auch kein
gleichberechtigter Teilnehmer im
kapitalistischen Produktionsprozeß: seine Arbeitskraft gehört im
Produktionsprozesse nicht ihm, sondern dem Kapitalisten, dem er sie verkauft
hat. Er erhält vom Kapitalisten den Wert seiner Arbeitskraft in der Form des
Arbeitslohnes. Während des Arbeitsprozesses produziert der Arbeiter einen
neuen Wert, der dem Kapitalisten von vornherein gehört, von dem also nicht
der mindeste Bruchteil dem Arbeiter gehören kann. Ein Teil dieses neuen
Wertes ersetzt dem Kapitalisten den ausgezahlten oder den auszuzahlenden
Arbeitslohn, also den Wert der Arbeitskraft, der andere Teil bildet den
Mehrwert, der sich in verschiedene Einkommensformen der einzelnen Gruppen der
gesamten Ausbeuterklasse spaltet — Profit, Zins, Rente. Die letzte Quelle
alles Einkommens ist die Arbeit und nur die Arbeit. Damit ist der
grundsätzliche Klassengegensatz zwischen Proletariat und Bourgeoisie
aufgedeckt: die Existenz der Bourgeoisie beruht auf Aneignung der fremden,
unbezahlten Arbeit des Proletariats. Das Kapitalverhältnis ist also kein
Verteilungs-, sondern ein Ausbeutungsverhältnis.
Die bürgerliche Oekonomie,
insbesondere die Vulgärökonomie, sucht das Wesen des Kapitalverhältnisses, die
Ausbeutung der Lohnarbeit, zu verschleiern. Lehnt sie die Marxsche Lehre vom
Werte der Arbeitskraft ab, spricht sie vom Werte der Arbeit und faßt Arbeit,
Kapital und Boden als drei selbständige Einkommensquellen auf, — so muß sie
notwendigerweise zu der Schlußfolgerung kommen, daß das Kapital, also Geld,
Maschinen, Rohstoffe usw., die Eigenschaft besitzt, Profit abzuwerfen. Wie,
auf welche Weise und auf Grundlage welcher objektiven Prozesse diese
Vorstellung entsteht, werden wir erst im sechsten Hefte unseres Kurses, nach
der Untersuchung der Zirkulationsprozesse des Kapitals, verstehen können.
Vorläufig wollen wir uns nur mit der Kritik einer sehr wichtigen Seite dieser
Vorstellung befassen, und zwar mit der Frage, ob überhaupt Maschinen,
Rohstoffe, also tote Sachen, Produktionsmittel, einen Wert, also auch
Mehrwert, Profit schaffen können. Denn die bürgerliche Oekonomie betrachtet
als Kapital nur die sachlichen Bedingungen des Produktionsprozesses, nicht
aber die Arbeitskraft.
In der Wirklichkeit besteht
das fungierende*, das im Produktionsprozeß sich befindende Kapital nicht nur
aus Produktionsmitteln, sondern auch aus der dem Kapitalisten verkauften
Arbeitskraft. Indem der Kapitalist sein Geld in Kapital verwandelt, verwandelt
er es in Produktionsmittel und Arbeitskraft, in sachliche und persönliche
Faktoren des Produktionsprozesses. Die vom Kapitalisten gekaufte Arbeitskraft
gehört jetzt ihm, nicht mehr dem Arbeiter, sie bildet einen Bestandteil seines
produktiven Kapitals. Die verschiedenen Bestandteile des Kapitals spielen aber
ganz verschiedene Rollen.
„Die verschiedenen Faktoren des
Arbeitsprozesses nehmen verschiedenen Anteil an der Bildung des
Produktenwertes.
Der Arbeiter setzt dem Arbeitsgegenstand neuen
Wert zu durch Zusatz eines bestimmten Quantums von Arbeit, abgesehen vom
bestimmten Inhalt, Zweck und technischen Charakter seiner Arbeit. Anderseits
finden wir die Werte der verzehrten Produktionsmittel wieder als Bestandteile
des Produktenwertes, z. B. die Werte von Baumwolle und Spindel im Garnwert.
Der Wert der Produktionsmittel wird also erhalten durch seine Uebertragung auf
das Produkt. Dieses Uebertragen geschieht während der Verwandlung der
Produktionsmittel in Produkt, im Arbeitsprozeß. Es ist vermittelt durch die
Arbeit. Aber wie?
Der Arbeiter arbeitet nicht doppelt in
derselben Zeit, nicht einmal, um der Baumwolle durch seine Arbeit einen Wert
zuzusetzen, und das andere Mal, um ihren alten Wert zu erhalten, oder, was
dasselbe, um den Wert der Baumwolle, die er verarbeitet, und der Spindel,
womit er arbeitet, auf das Produkt, das Garn, zu übertragen. Sondern durch
bloßes Zusetzen von neuem Wert erhält er den alten Wert. Da aber der Zusatz
von neuem Wert zum Arbeitsgegenstand und die Erhaltung der alten Werte im
Produkt zwei ganz verschiedene Resultate sind, die der Arbeiter in derselben
Zeit hervorbringt, obgleich er nur einmal in derselben Zeit arbeitet, kann
diese Doppelseitigkeit des Resultats offenbar nur aus der Doppelseitigkeit
seiner Arbeit selbst erklärt werden. In demselben Zeitpunkt muß sie in einer
Eigenschaft Wert schauen und in einer anderen Eigenschaft Wert erhalten oder
übertragen.
Wie setzt jeder Arbeiter Arbeitszeit und daher
Wert zu? Immer nur in der Form seiner eigentümlich produktiven Arbeitsweise.
Der Spinner setzt nur Arbeitszeit zu, indem er spinnt, der Weber, indem er
webt, der Schmied, indem er schmiedet. Durch die zweckbestimmte Form aber,
worin sie Arbeit überhaupt zusetzen und daher Neuwert, durch das Spinnen,
Weben, Schmieden werden die Produktionsmittel, Baumwolle und Spindel, Garn und
Webstuhl, Eisen und Amboß, zu Bildungselementen eines Produkts,- eines neuen
Gebrauchswertes. Die alte Form ihres Gebrauchswertes vergeht, aber nur, um in
einer neuen Form von Gebrauchswert aufzugehen. Bei Betrachtung des
Wertbildungsprozesses ergab sich aber, daß, soweit ein Gebrauchswert
zweckmäßig vernutzt wird zur Produktion eines neuen Gebrauchswertes, die zur
Herstellung des vernutzten Gebrauchswertes notwendige Arbeitszeit einen Teil
der zur Herstellung des neuen Gebrauchswertes notwendigen Arbeitszeit bildet,
also Arbeitszeit ist, die vom vernutzten Produktionsmittel auf das neue
Produkt übertragen wird. Der Arbeiter erhält also die Werte der vernutzten
Produktionsmittel oder überträgt sie als Wertbestandteile auf das Produkt,
nicht durch sein Zusetzen von Arbeit überhaupt, sondern durch den besonderen
nützlichen Charakter, durch die spezifisch produktive Form dieser zusätzlichen
Arbeit. Als solche zweckmäßige produktive Tätigkeit, Spinnen, Schmieden,
erweckt die Arbeit durch ihren bloßen Kontakt die Produktionsmittel von den
Toten, begeistert sie zu Faktoren des Arbeitsprozesses und verbindet sich mit
ihnen zu Produkten." (Marx, „Kapital", Bd. I, S. 153—157; Kröners Ausgabe, S.
160—162.)
Die Produktionsmittel
schaffen also keinen neuen Wert. Ihr Wert wird dadurch erhalten, daß er auf
das neue Produkt übertragen wird. Und übertragen wird er durch die konkrete
Arbeit des Arbeiters. Der neue Wert, der den Produktionsmitteln zugesetzt, von
ihnen aufgesaugt wird, wird geschaffen durch die
abstrakte Arbeit:
„Wäre die spezifische produktive Arbeit des
Arbeiters nicht Spinnen, so würde er die Baumwolle nicht in Garn verwandeln,
also auch die Werte von Baumwolle und Spindel nicht auf das Garn übertragen.
Wechselt dagegen derselbe Arbeiter den Beruf und wird Tischler, so wird er
nach wie vor durch einen Arbeitstag seinem Material Wert zusetzen. Er setzt
ihn also zu durch seine Arbeit, nicht soweit sie Spinnarbeit oder
Tischlerarbeit, sondern soweit sie abstrakte, gesellschaftliche Arbeit
überhaupt, und er setzt eine bestimmte Wertgröße zu, nicht weil seine Arbeit
einen besonderen nützlichen Inhalt hat, sondern weil sie eine bestimmte Zeit
dauert. In ihrer abstrakten allgemeinen Eigenschaft also, als Verausgabung
menschlicher Arbeitskraft, setzt die Arbeit des Spinners den Werten von
Baumwolle und Spindel Neuwert zu, und in ihrer konkreten, besonderen,
nützlichen Eigenschaft als Spinnprozeß überträgt sie den Wert dieser
Produktionsmittel auf das Produkt und erhält so ihren Wert im Produkt. Daher
die Doppelseitigkeit ihres Resultats in demselben Zeitpunkt. ) Durch das
bloß quantitative Zusetzen von Arbeit wird neuer Wert zugesetzt,
durch die Qualität der zugesetzen Arbeit werden
die alten Werte der Produktionsmittel im Produkt erhalten. Diese
doppelseitige Wirkung derselben Arbeit infolge ihres doppelseitigen Charakters
zeigt sich handgreiflich an verschiedenen Erscheinungen.
Nimm an, irgendeine Erfindung befähige den
Spinner, in 6 Stunden soviel Baumwolle zu verspinnen, wie früher in 36
Stunden. Als zweckmäßig nützliche, produktive Tätigkeit hat seine Arbeit ihre
Kraft versechsfacht. Ihr Produkt ist ein sechsfaches, 36 statt 6 Pfund Garn.
Aber die 36 Pfund Baumwolle saugen jetzt nur soviel Arbeitszeit ein als früher
6 Pfund. Sechsmal weniger neue Arbeit wird jedem Pfund zugesetzt als mit der
alten Methode, daher nur noch ein Sechstel des früheren Wertes. Anderseits
existiert jetzt der sechsfache Wert von Baumwolle im Produkt, den 36 Pfund
Garn. In den sechs Spinnstunden wird ein sechsmal größerer Wert von
Rohmaterial erhalten und auf das Produkt übertragen, obgleich demselben
Rohmaterial ein sechsmal kleinerer Neuwert zugesetzt wird. Dies zeigt, wie die
Eigenschaft, worin die Arbeit während desselben unteilbaren Prozesses Werte
erhält, wesentlich unterschieden ist von der Eigenschaft, worin sie Wert
schaut. Je mehr notwendige Arbeitszeit während der Spinnoperation auf dasselbe
Quantum Baumwolle geht, desto größer der Neuwert, der der Baumwolle zugesetzt
wird, aber je mehr Pfund Baumwolle in derselben Arbeitszeit versponnen werden,
desto größer der alte Wert, der im Produkt erhalten wird.
Nimm umgekehrt an, die Produktivität der
Spinnarbeit bleibe unverändert, der Spinner brauche also nach wie vor
gleichviel Zeit, um ein Pfund Baumwolle in Garn zu verwandeln. Aber der
Tauschwert der Baumwolle selbst wechselt, ein Pfund Baumwolle steige oder
falle um das Sechsfache seines Preises. In beiden Fällen fährt der Spinner
fort, demselben Quantum Baumwolle dieselbe Arbeitszeit zuzusetzen, also
denselben Wert, und in beiden Fällen produziert er in gleicher Zeit gleichviel
Garn. Dennoch ist der Wert, den er von der Baumwolle als das Garn, das
Produkt, überträgt, das eine Mal sechsmal kleiner, das andere Mal sechsmal
größer als zuvor. Ebenso, wenn die Arbeitsmittel sich verteuern oder
verwohlfeilern, aber stets denselben Dienst im Arbeitsprozeß leisten.
Bleiben die technischen Bedingungen des
Spinnprozesses unverändert und geht gleichfalls kein Wertwechsel mit seinen
Produktionsmitteln vor, so verbraucht der Spinner nach wie vor in gleichen
Arbeitszeiten gleiche Quanta Rohmaterial und Maschinerie von gleichbleibenden
Werten. Der Wert, den er im Produkt erhält, steht dann in direktem Verhältnis
zu dem Neuwert, den er zusetzt. In zwei Wochen setzt er zweimal mehr Arbeit zu
als in einer Woche, also zweimal mehr Wert, und zugleich vernutzt er zweimal
mehr Material von zweimal mehr Wert, erhält also im Produkt von zwei Wochen
zweimal mehr Wert als im Produkt einer Woche. Unter gegebenen gleichbleibenden
Produktionsbedingungen erhält der Arbeiter um so mehr Wert, je mehr er
zusetzt, aber er erhält nicht mehr Wert, weil er mehr Wert zusetzt, sondern
weil er ihn unter gleichbleibenden und von seiner Arbeit unabhängigen
Bedingungen zusetzt." (Marx, „Kapital", Bd. I, S. 154—156; Kröners Ausgabe,
Bd. I, S. 162—164.)
„Nur soweit Produktionsmittel während des
Arbeitsprozesses Wert in der Gestalt ihrer alten Gebrauchswerte verlieren,
übertragen sie Wert auf die neue Gestalt des Podukts. Das Maximum* des
Wertverlustes, den sie im Arbeitsprozeß erleiden können, ist offenbar
beschränkt durch die ursprüngliche Wertgröße, womit sie in den Arbeitsprozeß
eintreten oder durch die zu ihrer eigenen Produktion erheischte Arbeitszeit.
Produktionsmittel können dem Produkt daher nie mehr Wert zusetzen, als sie
unabhängig vom Arbeitsprozeß, dem sie dienen, besitzen. Wie nützlich auch ein
Arbeitsmaterial, eine Maschine, ein Produktionsmittel: wenn es 150 Pfund Sterling, sage 500
Arbeitstage, kostet, setzt es dem Gesamtprodukt, zu dessen Bildung es dient,
nie mehr als 150 Pfund Sterling zu. Sein Wert ist bestimmt nicht durch den
Arbeitsprozeß, worin es als Produktionsmittel eingeht, sondern durch den
Arbeitsprozeß, woraus es als Produkt herauskommt. In dem Arbeitsprozeß dient
es nur als Gebrauchswert, als Ding mit nützlichen Eigenschaften, und gäbe daher keinen Wert an
das Produkt ab, hätte es nicht Wert besessen vor seinem Eintritt in den Prozeß...
Was überhaupt an den Produktionsmittel verzehrt
wird, ist ihr Gebrauchswert, durch dessen Konsumtion die Arbeit Produkte
bildet. Ihr Wert wird in der Tat nicht konsumiert, kann also auch nicht
reproduziert werden. Er wird erhalten, aber nicht, weil eine Operation mit ihm
selbst im Arbeitsprozeß vorgeht, sondern weil der Gebrauchswert, worin er
ursprünglich existiert, zwar verschwindet, aber nur in einen anderen
Gebrauchswert verschwindet. Der Wert der Produktionsmittel erscheint daher
wieder im Wert des Produkts, aber er wird, genau gesprochen, nicht
reproduziert. Was produziert wird, ist der neue Gebrauchswert, worin der alte
Tauschwert wieder erscheint." („Kapital", Bd. I, S. 159 f.; Kröners Ausgabe,
Bd. I, S. 167 f.)
In einer prinzipiell anderen
Weise erscheint im Produktenwert der Wert der Arbeitskraft. Im
Produktionsprozeß spielt die Arbeitskraft eine aktive Rolle. Während die
Produktionsmittel keinen Wert schaffen können, schafft die Arbeit (die in
Bewegung gesetzte Arbeitskraft) einen neuen Wert, der nicht nur den Wert der
Arbeitskraft ersetzt, sondern auch den Mehrwert bildet. Der Wert der
Arbeitskraft wird also nicht übertragen, sondern ersetzt durch einen neu
geschaffenen Wert, er wird also wiedergeschaffen, oder reproduziert:
„Anders mit dem persönlichen Faktor des
Arbeitsprozesses, der sich betätigenden Arbeitskraft. Während die Arbeit durch
ihre zweckmäßige Form den Wert der Produktionsmittel auf das Produkt
überträgt und erhält, bildet jedes Moment ihrer Bewegung zusätzlichen Wert,
Neuwert. Gesetzt, der Produktionsprozeß breche ab beim Punkt, wo der Arbeiter
ein Aequivalent für den Wert seiner eigenen Arbeitskraft produziert, durch
sechsstündige Arbeit z. B. einen Wert von 3 Schilling zugesetzt hat. Dieser
Wert bildet den üeberschuß des Produktenwertes über seine dem Wert der
Produktionsmittel geschuldeten Bestandteile. Er ist der einzige Originalwert,
der innerhalb dieses Prozesses entstand, der einzige Wertteil des Produkts,
der durch den Prozeß selbst produziert ist. Allerdings ersetzt er nur das vom
Kapitalisten beim Kauf der Arbeitskraft vorgeschossene, vom Arbeiter selbst
in Lebensmitteln verausgabte Geld. Mit Bezug auf die verausgabten 3 Schilling
erscheint der Neuwert von 3 Schilling nur als Reproduktion. Aber es ist
wirklich reproduziert, nicht nur scheinbar, wie der Wert der
Produktionsmittel. Der Ersatz eines Wertes durch den anderen ist hier
vermittelt durch neue Wertschöpfung.
Wir wissen jedoch bereits, daß der
Arbeitsprozeß über den Punkt hinaus fortdauert, wo ein bloßes Aequivalent für
den Wert der Arbeitskraft reproduziert und dem Arbeitsgegenstand zugesetzt
wäre. Statt der 6 Stunden, die hierzu genügen*, währt der Prozeß z. B. 12
Stunden. Durch die Betätigung der Arbeitskraft wird also nicht nur ihr eigener
Wert reproduziert, sondern ein überschüssiger Wert produziert. Dieser
Mehrwert bildet den Überschuß des Produktenwertes über den Wert der
verzehrten Produktbildner, d. h. der Produktionsmittel und der Arbeitskraft.
Indem wir die verschiedenen Rollen dargestellt,
welche die verschiedenen Faktoren des Arbeitsprozesses in der Bildung des
Produktenwertes spielen, haben wir in der Tat die Funktionen der verschiedenen
Bestandteile des Kapitals in seinem eigenen Verwertungsprozeß charakterisiert.
Der Überschuß des Gesamtwertes des Produkts über die Wertsumme seiner
Bildungselemente ist der Überschuß des verwerteten Kapitals über den
ursprünglich vorgeschossenen Kapitalwert. Produktionsmittel auf der einen
Seite, Arbeitskraft auf der ändern sind nur die verschiedenen Existenzformen,
die der ursprüngliche Kapitalwert annahm bei Abstreifung seiner Geldform und
seiner Verwandlung in die Faktoren des Arbeitsprozesses.
Der Teil des Kapitals also, der sich in
Produktionsmittel, d. h. in Rohmaterial, Hilfsstoffe und Arbeitsmittel
umsetzt, verändert seine Wertgröße nicht im Produktionsprozeß. Ich nenne ihn daher konstanten
(unveränderlichen) Kapitalteil, oder kürzer: konstantes Kapital.
Der in Arbeitskraft umgesetzte Teil des
Kapitals verändert dagegen seinen Wert im Produktionsprozeß. Er reproduziert
sein eigenes Aequivalent und einen Überschuß darüber, Mehrwert, der selbst
wechseln, größer oder kleiner sein kann. Aus einer konstanten Größe verwandelt
sich dieser Teil des Kapitals fortwährend in eine variable (veränderliche).
Ich nenne ihn daher variablen Kapitalteil, oder kürzer:
variables Kapital. Dieselben
Kapitalbestandteile, die sich vom Standpunkt des Arbeitsprozesses als
objektive (sachliche) und subjektive (persönliche) Faktoren, als
Produktionsmittel und Arbeitskraft unterscheiden, unterscheiden sich vom
Standpunkt des Verwertungsprozesses als konstantes Kapital und variables
Kapital." („Kapital", Volksausgabe, Bd. I, S. 161 f.; Kröners Ausgabe, Bd. I,
S. 168 ff.)
* Immer
wieder erinnere sich der Leser, daß Marx hier nur ein beliebiges Zahlenbeispiel nimmt. Im kapitalistischen Produktionsprozeß der Gegenwart wird der
Arbeiter zumeist schon in viel kürzerer Zeit den Wert seiner Arbeitskraft
reproduziert haben.
Die Teilung des Kapitals in
konstantes und variables Kapital, die von Marx zum erstenmal entdeckt worden
ist und von den bürgerlichen Oekonomen umgangen wird, trägt viel zur
Enthüllung des Geheimnisses der kapitalistischen Ausbeutung bei: die
Produktionsmittel spielen eine passive Rolle im Produktionsprozeß, sie
schaffen keinen Wert und deshalb auch keinen Mehrwert, ihr Wert wird erhalten,
indem er durch die Betätigung der Arbeitskraft, durch die Arbeit, den einzigen
aktiven Produktionsfaktor, auf das Produkt übertragen wird. Nur die
Arbeitskraft bildet die eigentliche Triebkraft des Kapitals, nur sie „belebt"
die Produktionsmittel, nur sie bildet die einzige Quelle des Mehrwerts. Diese,
für das Verständnis des kapitalistischen Produktionsprozesses maßgebende
Teilung des Kapitals in konstantes und variables, konnte von Marx — und nur
von Marx — entdeckt werden, weil er den Doppelcharakter der Arbeit entdeckt
hatte. Ohne die abstrakte und die konkrete Arbeit zu unterscheiden, wäre es
überhaupt unmöglich, in das tiefste Geheimnis der kapitalistischen
Produktionsweise und der bürgerlichen Gesellschaft einzudringen.
Kontrollfragen:
1. Aus welchen Teilen setzt sich der
Produktenwert zusammen?
2.
Wodurch unterscheidet sich der Anteil der Produktionsmittel von dem Anteil
der Arbeitskraft an der Bildung des Produktenwertes?
3.
Worin drückt sich die Wirkung des Doppelcharakters der Arbeit im
kapitalistischen Produktionsprozeß aus?
4. Was
ist konstantes und was ist variables Kapital?
Editorische Anmerkungen:
1930 erschienen im 14tägigen Abstand
die Hefte der Marxistischen Arbeiterschulung, die insbesondere den kleineren
Gruppen und Einzelnen, die nicht eine der MARXISTISCHEN ARBEITERSCHULEN
besuchen konnten, zur Selbstschulung dienen sollten.
Herausgegeben wurden die Hefte von
Hermann Duncker, Alfons Goldschmidt und K.A. Wittvogel. Sie erschienen im
Verlag für Literatur und Politik, Berlin, Wien 1930.
Der OCR-gescannte Text stammt aus dem
2. Heft, S. 54-59 und wurde dem Reprint des Politladens Erlangen in seiner
4. Auflage 1971 entnommen.
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