Seit
der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering 2005
international agierende Hedge-Fonds als Heuschrecken
bezeichnete, vergeht kein Wahlkampf, in dem SPD und
Linkspartei nicht gegen Heuschrecken wettern und feierlich
geloben, keine öffentlichen Dienstleistungsbetriebe und
Wohnungen an Spekulanten zu verhökern. Blickt man allerdings
nach Berlin, wo SPD und Linkspartei seit acht Jahren den Senat
stellen, wird deutlich, dass die Heuschrecken nirgendwo sonst
so reichlich Nahrung finden wie in der Bundeshauptstadt.
Das zeigte sich bereits mit der Privatisierung der Berliner
Wasserbetriebe, die allerdings noch in die Zeit des
CDU-SPD-Senats fiel. Sie bescherte den Verbrauchern drastische
Preissteigerungen und mangelnde Investitionen, den
Beschäftigten Niedriglöhne und den Verlust von 1.000
Arbeitsplätzen. Mit der Privatisierung der einst größten
landeseigenen Wohnbaugesellschaft, der 1924 gegründete GSW,
hat der rot-rote Senat den schwarz-roten Vorgänger nun aber
noch weit übertroffen.
Die GSW wird seit Montag an der Börse verkauft, nachdem das
Abgeordnetenhaus letzte Woche mit den Stimmen von SPD,
Linkspartei und FDP den Weg dafür freigemacht hat.
Leidtragende werden die Mieter sein, die damit rechnen müssen,
dass die GSW sämtliche Spielräume für Mieterhöhungen
ausschöpfen und nur noch die nötigsten Investitionen tätigen
wird, um eine hohe Dividende zahlen zu können.
In den Firmenzentralen des Whitehall Investmentfonds (Goldman
Sachs) und von Cerberus (Höllenhund) werden dagegen die
Sektkorken knallen. Die beiden weltweit agierenden
Finanzunternehmen haben die GSW 2004 vom Berliner Senat
gekauft und ihren Einsatz in sechs Jahren mehr als
verdreifacht. Zu den Beratern von Ceberus gehört übrigens auch
der ehemalige SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping, der für seine
Beratertätigkeit - eine Telefonkonferenz alle zwei und ein
Treffen in Frankfurt alle sechs Wochen - 125.000 Euro im Jahr
kassiert, Erfolgsprämien nicht eingerechnet. Ein Schelm, wer
Böses dabei denkt!
Der rot-rote Senat hatte das größte landeseigene
Wohnungsbauunternehmen 2004 an die beiden Finanzinvestoren
verkauft, um Löcher im Berliner Landeshaushalt zu stopfen, die
insbesondere durch den Berliner Bankenskandal entstanden
waren. Der Senat hatte die Berliner Bankgesellschaft 2001 mit
einer Finanzspritze in Höhe von 1,7 Mrd. Euro und der
Übernahme finanzieller Risiken in Höhe von 21,6 Mrd. Euro vor
dem Zusammenbruch bewahrt. Als Folge war die
Pro-Kopf-Verschuldung in Berlin rund dreimal so hoch wie in
anderen Bundesländern. Zwölf Prozent des Berliner
Landeshaushaltes dienen ausschließlich der Bezahlung von
Zinsen.
Cerberus und Goldman Sachs zahlten dem Senat 405 Millionen
Euro für die GSW und erhielten dafür 65.000 Mietwohnungen.
Eine Wohnung kostete sie etwas mehr als 6.000 Euro, etwa ein
Zehntel des üblichen Marktpreises. Selbst wenn man
berücksichtigt, dass auf jeder Wohnung durchschnittlich 24.000
Euro Schulden lasteten, war dies immer noch ein glänzendes
Geschäft. Und die Investoren wussten es zu nutzen.
2009 ließen sie sich von der GSW 447 Millionen Euro Gewinn
ausschütten. Zu diesem Zweck hatten sie 15.000 Wohnungen zu
einem durchschnittlichen Preis von 50.000 Euro verkauft.
Außerdem plünderten sie die Kassen der GSW, die sich dank
überdurchschnittlichen Mieterhöhungen und spärlicher
Instandhaltung gefüllt hatten. Auch die Verschuldung der GSW
wurde erhöht, um die Profitansprüche der Besitzer zu
befriedigen.
Nach nur fünf Jahren hatten Cerberus und Goldman Sachs also
den vollen Kaufpreis mit einem Aufschlag von zehn Prozent
zurückerhalten. Trotzdem gehörte ihnen weiterhin die GSW mit
rund 50.000 eigenen und weiteren 20.000 verwalteten Wohnungen.
Der Wert des Unternehmens war inzwischen auf 800 bis 900
Millionen Euro gestiegen, also das Doppelte des ursprünglichen
Kaufpreises. Der Grund für diese Wertsteigerung ist offenbar
die systematisch betriebene Mietpreiserhöhung um 2,5 bis 3
Prozent jährlich. Die Kaltmieten bei der GSW sind damit
doppelt so schnell gestiegen wie der Berliner Durchschnitt von
1,4 Prozent im Jahr.
Durch die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen
verschwinden zudem immer mehr bezahlbare Wohnungen vom Markt
und die Preise für freien Wohnraum klettern entsprechend nach
oben. Die Berliner Mietpreise für freie Wohnungen sind allein
im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent gestiegen. Den größten
Preisanstieg gab es in dem gerade bei jungen Leuten beliebten
Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Dort kletterten die
Mietpreise um 7,2 Prozent. Dabei ist in diesem Bezirk die
Kaufkraft am geringsten. Das führt letztendlich zur
Verdrängung der bisherigen Einwohner und macht den Weg für
Luxussanierungen der Gebäude frei.
Cerberus und Goldman Sachs wollten allerdings nicht länger
warten und beschlossen, den Rest der GSW an der Börse zu
versilbern. Dazu benötigten sie die Zustimmung des Senats, der
sich im Kaufvertrag von 2004 ausbedungen hatte, dass vor 2014
höchstens 49,9 Prozent des Unternehmens ohne seine Zustimmung
verkauft werden dürfen. Diese Klausel drehten die Investoren
nun einfach gegen den Senat, indem sie drohten, noch in diesem
Jahr die vertraglich zulässigen 49,9 Prozent zu verkaufen und
das Unternehmen auf diese Weise zu zerschlagen. Damit wäre mit
dem sofortigen Verlust von Arbeitsplätzen, dem Verlust des
GSW-Firmensitzes in Berlin und entsprechenden Steuerausfällen
für das Land zu rechnen gewesen.
SPD und Linke beugten sich dem Druck und stimmten dem
Börsengang zu. Finanzsenator Ulrich Nußbaum begründete das
zynisch mit den Worten, Berlin könne froh sein, wenn die
Investoren Whitehall und Cerberus die Wohnungsbaugesellschaft
verließen und weiter zögen. Unterstützung erhielten SPD und
Linke durch die Abgeordneten der FDP, deren Politik für
ungezügelten Neoliberalismus und soziale Kälte steht.
Der Berliner Mieterverein hatte zuvor an die Abgeordneten
appelliert, mit "nein" zu stimmen. "Mit den Zielen einer
nachhaltigen Bewirtschaftung und langfristig sozial
verträglicher Mieten ist der Börsengang nicht zu vereinbaren",
schrieb dessen Vorsitzender. Ohne den Börsengang der GSW zu
gefährden, konnten dann die Abgeordneten der CDU und der
Grünen dagegen stimmen und ihrer Sorge um das Wohl der Mieter
Ausdruck verleihen.
Der Senat hält sich zugute, dass er für seine Zustimmung zum
Börsengang zusätzliche 30 Millionen Euro von den Investoren
erhalte. Davon sollen laut Nußbaum 10 Millionen für
Mieterschutz und Quartiersmanagement ausgegeben werden. Das
bleibt aber abzuwarten. Für zusätzliche Ausgaben von mehr als
5 Millionen Euro wäre die Verabschiedung eines
Nachtragshaushaltes erforderlich. Davon hat der Finanzsenator
in seiner Rede zu den Abgeordneten jedoch nichts gesagt.
Gemessen an den zu erwartenden Gewinnen sind diese 30
Millionen ohnehin ein Almosen. Finanzexperten rechnen damit,
dass Goldmann Sachs und Cerberus durch den Börsengang zwischen
230 und 350 Millionen Euro zufließen. Davon sollen 140
Millionen zur Stärkung des Eigenkapitals in die GSW gehen, der
Rest landet direkt auf den Konten der Investoren. Diese wollen
außerdem einen Anteil von 37 Prozent an der GSW behalten, der
bei einem geschätzten Gesamtwert von 950 Millionen Euro
weitere 350 Millionen wert sein dürfte.
Nach dem sich Mieter und Wähler über die Zustimmung der
Linkspartei zum Börsengang erbost hatten, erklärte diese auf
ihrer Homepage kleinlaut, der Verkauf im Jahre 2004 sei ein
Fehler gewesen. Er sei der Erfüllung des Koalitionsvertrages
mit der SPD geschuldet gewesen. Außerdem habe man ja jetzt nur
noch über einen Ergänzungsvertrag zum Verkauf von 2004
entschieden und einige Schutzklauseln für die Mieter
vorgesehen. Diese Schutzklauseln gelten allerdings nur bis
2014. Dann werden die Renditeinteressen der Anteilseigner in
weitaus stärkerem Maße die Mieterinteressen dominieren, als es
bisher schon der Fall war.
Die GSW - Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft
- warb als landeseigenes Unternehmen vor dem Verkauf von 2004
mit dem Motto "GSW - gut und sicher wohnen". Gut und sicher
wohnen? Für die Mieter dürfte es dank der Politik von SPD und
Linkspartei damit endgültig vorbei sein.
Editorische Anmerkung
Den Artikel spiegelten wir von
wsws.org, wo er am 27.4.2010 erschien.
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