Milliarden wurden in die strudelnden Finanzmärkte gepumpt, um
angeschlagene Bankhäuser zu stützen und den Auswirkungen der
Krise entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite werden weltweit
immer neue Kürzungsprogramme entwickelt, Sozialleistungen
gekürzt, Löhne gesenkt und Arbeitsplätze abgebaut. Nach wie vor
ist die Weltlage durch wachsende soziale Polarisierung und
zunehmende Instabilität geprägt. Die Krise an den Finanzmärkten,
Hungerrevolten in Haiti, Afrika und Asien, globale Erderwärmung,
die entsetzlichen Implikationen der Kriege im Irak und
Afghanistan – von einem „Ende der Geschichte“ (F.Fukujama) kann
keine Rede sein. Selbst die wortgewaltigsten Apologeten der
„Selbstheilungskräfte des Marktes“ äußern sich nun zunehmend
verhalten. Zwar mutet es zunächst einmal drollig an, wenn eine
Figur wie der Chef der Deutschen Bank, Ackermann, angesichts des
Debakels auf den Finanzmärkten nach dem Staat ruft, klar sollte
jedoch sein, wer am Ende die Zeche wirklich zu zahlen hat.
Krieg gegen
die Armen
Auch hierzulande hat sich im
Zuge des sog. Umbaus des Sozialstaats die Kluft zwischen Arm und
Reich erheblich vertieft. Seit 1992 sind die Einkommen der
ärmeren Schichten preisbedingt um 13% gesunken, während die
Bezüge der sog. „Spitzenverdiener“ um fast ein Drittel
angestiegen sind. Durch die steigenden Preise für Gas, Strom und
Lebensmittel wird sich die Tendenz zur Verarmung weiter
fortsetzen. Der Mittelstand, einst immer als Rückrad des
deutschen Modells gefeiert, befindet sich in einem Prozess
fortwährender Erosion. Während „Sozialstaatsexperten“
medienwirksam darüber sinnieren, ob nun Kinder – oder
Altersarmut das größere Problem seien, verkünden Unternehmen
Rekordgewinne. Im Zuge der Unternehmenssteuerreform wurde 2007
die Körperschaftssteuer für Gewinne der Kapitalgesellschaften
von 25 auf 15 Prozent sowie die Steuern auf Gewinne und Zinsen
und Dividenden von 44 auf 26 Prozent gesenkt. Alles in allem
also ein Steuergeschenk an die Kapitaleigner in Höhe von ca. 10
Milliarden Euro! Gleichzeitig werden mit der Standardfloskel der
leeren Kassen Löhne gekürzt, das Rentenalter angehoben, die
Arbeitszeiten verlängert und Arbeitsplätze abgebaut…. Auch die
Tendenz zu prekären Arbeitsverhältnissen und Niedriglöhnen nimmt
immer mehr zu: Im Zeitraum 1994 bis 2005 erhöhte sich die Zahl
der Teilzeitbeschäftigten von 6,5 auf 11,2 Millionen. 6,5
Millionen Menschen gehören laut einer Studie des Instituts
Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen
dem Niedriglohnsektor an. Der Anteil der Niedriglöhner an den
abhängig Beschäftigten lag im Jahr 2006 bei über 22 Prozent,
1995 hatte er noch 15 Prozent betragen.
Die Rückkehr der Streiks
Nach Jahren des Lohnverzichts
haben viele Menschen die Schnauze voll. Davon zeugen nicht
zuletzt der Kampf der Lokführer, die Streikbewegung im
Öffentlichen Dienst und die Auseinandersetzungen im
Einzelhandel, bei den Berliner Verkehrsbetrieben und der Post.
Auch wenn es sich bei diesen Bewegungen vornehmlich um
Defensivkämpfe handelt, zeigt die „neue Lust am Streik“ (Der
Spiegel), dass wieder Bewegung in die Klassenauseinandersetzung
gekommen ist. Das ist begrüßenswert aber noch kein Grund zum
Triumphalismus. Trotz wachsenden Unmuts und Unzufriedenheit an
der Basis sind die Gewerkschaften immer noch fähig Kämpfe zu
kontrollieren und klein zu halten. Mit zuweilen verheerenden
Konsequenzen: Der angeblich so erfolgreiche Abschluss der GDL
fällt beim genaueren Hinsehen recht bescheiden aus, und wurde
mit der totalen Verarschung der Zugbegleiter erkauft. Ebenso
magere Ergebnisse brachte der angeblich „gesunde Kompromiss“ im
öffentlichen Dienst, dem offenkundig das Kalkül zugrunde lag,
die Luft möglichst schnell aus dem Kessel zu nehmen. Als Folge
davon stehen nun die Kollegen der Post und der schwache Sektor
des Einzelhandels in ihren Auseinandersetzungen derzeit ziemlich
allein auf weiter Flur. Auch in der Auseinandersetzung bei den
Berliner Verkehrsbetrieben führt die Verhandlungsklüngelei von
Ver.di zunehmend zur Demoralisierung der Kollegen. Sollte die
Gewerkschaft den Streik an die Wand fahren, und zur Zeit sieht
es danach aus, hätte dies schwerwiegende Auswirkungen auf den
Widerstand in anderen Bereichen des Öffentlichen Dienstes in
Berlin.
Die
Gewerkschaften: Für den Standort und gegen die Arbeiterklasse!
„Gewerkschaften tun gute
Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten
des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von
ihrer Macht unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren
Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen
Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu
führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt
ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur
schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d.h. zur endgültigen
Abschaffung des Lohnsystems“ , schrieb Marx im Jahre 1865. Heute
können wir nur das absolute Versagen der Gewerkschaften
feststellen, selbst die grundlegendsten Arbeiterinteressen zu
verteidigen. Ihr Wandlungsprozess von „Sammelpunkte(n) des
Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals“ (Marx) zu
staatstragenden bürokratischen Apparaten ist unumkehrbar. Heute
fungieren die Gewerkschaften auf der Grundlage der politischen
Akzeptanz des Lohnsystems als bürgerliche Vermittlungsinstanzen
zwischen Arbeitern und Kapitalisten. Sie sehen sich nicht mehr
ausschließlich der Verbesserung der Arbeits- und
Lebensbedingungen ihrer Mitglieder, sondern in erster Linie dem
„Standort“, d.h., dem reibungslosen Funktionieren der
Nationalökonomie verpflichtet. Jene „Linke“, die das Tun und
Handeln der Gewerkschaften stets durch den Verrat der jeweiligen
Führung erklären, die durch eine andere ersetzt werden müsste,
um die Gewerkschaft zu verbessern, zeichnen sich durch ein
gleichermaßen naives wie idealistisches Denken aus, welches sich
nur all zu oft „als „leninistisch“ verklausulierter Wunsch nach
Posten und staatlicher Alimentierung entpuppt. Gewerkschaften
verraten nichts und niemanden, am wenigsten sich selbst. Wenn
sie Kämpfe sabotieren, Kollegen verschaukeln und sich damit dem
Kapital als Verhandlungs- und Ordnungsfaktoren unentbehrlich
machen, handeln sie nur folgerichtig und logisch im Einklang
ihres ureigenen Anliegens, auf „gleicher Augenhöhe“ mit dem
Kapitalisten die Geschäftsbedingungen des Verkaufs der Ware
Arbeitskraft verhandeln zu wollen. Die Gewerkschaften können
nicht reformiert, „zurückerobert“ oder in Instrumente der
Befreiung umgewandelt werden! Das Problem besteht nicht einfach
nur in irgendeiner „Führung“, es ist die auf
Stellvertreterpolitik basierende Organisationsform selbst, die
einer emanzipatorischen Perspektive entgegensteht. Das bedeutet
nicht, dass wir einfach nur dazu aufrufen aus den Gewerkschaften
auszutreten oder Mitgliedskarten zu zerreißen, was nur einer von
vielen in den Gewerkschaften gezüchteten Mitbestimmungsillusion
gleichkäme. Der alte Streit, ob nun eine private
Rechtsschutzversicherung oder eine Gewerkschaftsmitgliedschaft
den besseren Schutz vor Kündigungen und Unternehmerwillkür böte,
ist eine Debatte über Scheinlösungen, solange Kollegen dem Boss
einzeln und isoliert gegenübertreten und sich in dieser
Zwangslage Schutz von „oben“ erhoffen, was meistens böse endet.
Ebenso wenig rufen wir zur Bildung neuer besserer Gewerkschaften
auf, die auf kurz oder lang genauso vertretungspolitisch enden
würden, wie die alten. Worum es geht, ist zu verstehen, dass der
legalistische und nationalstaatsfixierte Handlungsrahmen der
Gewerkschaften eine Zwangsjacke ist, die Widerständigkeit und
Renitenz stets dem Recht und Gesetz der Bourgeoisie unterwirft.
Unser Ziel besteht darin, dass die Arbeiterklasse selbst über
die Ziele ihrer Kämpfe entscheiden sollte und dass die
Organisation dieser Kämpfe fest in ihren eigenen Händen bleiben
muss.
International kämpfen statt patriotisch verlieren!
Angesichts der internationalen
Zuspitzung der Krise wird immer deutlicher, dass der bornierte
nationale Handlungsrahmen der Gewerkschaften ein einziges
Hindernis für die Verteidigung unserer Lebensinteressen ist.
Dies hat nicht zuletzt das Beispiel Nokia in aller Schärfe
gezeigt. Dank ihres Informationsmonopols und ihres Apparates war
die Gewerkschaft in der Lage, die anfängliche Dynamik des
Kampfes (wie z.B. Spontandemos und nicht zuletzt den
Solidaritätsstreik der Opelkollegen) zu ersticken. Mit dem
Gerede von der „Gefühlskälte“ der finnischen Konzernspitze,
rassistischen Ressentiments gegen sog. „rumänische Billigjobber“
und patriotischen Handy-Wegwerfaktionen gelang es Gewerkschaft,
Medien und Politikern den Konflikt nationalistisch
einzugemeinden. Am Ende dieses Spektakels standen schäbige
Abfindungen und die Werksschließung. Wer sich auf die
nationalistische Standortlogik einlässt, verfängt sich in einem
auswegslosen Unterbietungswettbewerb, einer einzigen
Abwärtsspirale ins Elend. Nur mit einer internationalen
Strategie wird es möglich sein, den fortgesetzten Angriffen auf
Löhne, Arbeitsbedingungen und soziale Rechte etwas
entgegenzusetzen! Umso wichtiger ist es die hiesigen
Auseinandersetzungen in einem internationalen Kontext zu sehen,
und den Blick frei zu bekommen für die Perspektive des
grenzüberschreitenden Klassenkampfes. Das von
Gewerkschaftsfürsten und Politikern geschürte rassistische
Vorurteil vom angeblich willfährigen rumänischen
Niedriglohnarbeiter wurde durch den Streik der Daica-Kollegen
eindrucksvoll widerlegt. Ein Kampf, der mittlerweile auch andere
Sektoren der rumänischen Arbeiterklasse ermutigt hat, sich zu
wehren. Ebenso gab und gibt es in Polen und Bulgarien Streiks
gegen Lohnkürzungen. Ohne auf etwaige Ansagen der Gewerkschaften
zu warten, traten die Kollegen im Fiatwerk von Pomigliano
(Süditalien) in einen spontanen Solidaritätsstreik mit
gemaßregelten Kollegen. In Ägypten entwickelten sich die
Auseinadersetzungen in der Textilindustrie zu regelrechten
Massenstreiks, - eine Bewegung die in Kombination mit den
Protesten gegen das Steigen der Nahrungsmittelpreise besondere
Dynamik annehmen kann…
Für den
Kommunismus!
Das Auftreten dieser und
anderer Kämpfe ist zweifellos ermutigend. Auf sich alleine
gestellt können sie jedoch bestenfalls Episoden des Widerstandes
bleiben, wenn es nicht gelingt den Einfluss bürgerlicher
Ideologien zurückzudrängen und eine weitergehende Perspektive
aufzustoßen. Die Aufgabe von Revolutionären besteht darin, das
Gesamtinteresse der Arbeiterklasse im Auge zu haben, ihre Kämpfe
zu unterstützen, Beschränkungen zu kritisieren und zu versuchen
das Vertrauen und Bewusstsein der Lohnabhängigen in ihre eigene
Kraft zu stärken. Revolutionäre Politik entwickelt sich dann,
wenn Revolutionäre in der Lage sind, von den Kämpfen der Klasse
zu lernen, Kampferfahrungen zu verallgemeinern und Bewusstsein
und Perspektiven in die Bewegung zu tragen. Dies erfordert einen
organisatorischen Rahmen. Nach unserem Verständnis kann dies nur
eine politische Struktur, eine internationale und
internationalistische revolutionäre Organisation sein.
International, weil der Kapitalismus nur im Weltmaßstab bekämpft
und überwunden werden kann; Internationalistisch, weil die
Absage an jede nationalistische Ideologie die Grundvoraussetzung
zur Herstellung der Klasseneinheit ist; Revolutionär, weil nur
im radikalen Bruch mit dem Kapitalismus die Perspektive liegt,
nicht nur menschenwürdig, sondern als Menschen zu leben. Der
Aufbau einer solchen Organisation, die internationale
Umgruppierung und Vereinheitlichung der Revolutionäre in einer
neuen kommunistischen Weltpartei wird ein langer schwieriger
Prozess. Aber er ist notwendig, um an die Stelle der
bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Kriegen, Krisen, Klassen und
Klassengegensätzen eine Assoziation zu setzen, in der die freie
Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung
aller ist.
Für die
staaten – und klassenlose Gesellschaft!
Gruppe Internationaler SozialistInnen
Editorische
Anmerkungen
Das Flugi wurde
uns zugeschickt.
|